Interview Sven Hannawald & Volker Nürnberg Ein Führerschein fürs Homeoffice

Der ehemalige Weltklasse-Skispringer Sven Hannawald und der renommierte Gesundheitsexperte Volker Nürnberg sprechen über die Herausforderungen im Homeoffice und ihren dafür entwickelten Online-Kurs.

 Es ist nicht nur eine Frage der Selbstorganisation: Viele fühlen sich im Homeoffice ausgegrenzt und verloren. Das schlägt auch auf die Psyche und damit auf die Gesundheit.

Es ist nicht nur eine Frage der Selbstorganisation: Viele fühlen sich im Homeoffice ausgegrenzt und verloren. Das schlägt auch auf die Psyche und damit auf die Gesundheit.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Mittlerweile haben sich viele Menschen notgedrungen mit dem  Homeoffice arrangiert. Sie haben bereits früh in der Corona-Pandemie für einen Homeoffice-Führerschein – abgekürzt „HoFü“ – geworben. Warum?

Volker Nürnberg Die pandemiebedingte Versetzung ins Homeoffice stellt sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber vor enorme Herausforderungen. Hier haben wir sehr schnell festgestellt, dass es den meisten Unternehmen an Konzepten und Strukturen fehlt.

Sven Hannawald Das Homeoffice gibt es schon seit langer Zeit. Daher sind uns die Vorteile, aber auch Nachteile und Risiken bekannt. Um das Potenzial von Homeoffice zu nutzen, sind geeignete Maßnahmen notwendig, die Gefahren wie Isolation oder mangelnder Bewegung vorbeugen und eliminieren.

Welchen Fragestellungen haben Sie sich bei der Entwicklung des „HoFü“ besonders gewidmet?

Hannawald Innerhalb des „HoFü“ wird das betriebliche Gesundheitsmanagement in den Fokus gerückt. Hierzu zählen Bewegung, Ernährung, Stress, Life-Domain-Balance sowie Ergonomie. Ferner beleuchten unsere Experten auch Themen wie die Führung auf Distanz sowie den Datenschutz und die Datensicherheit im Homeoffice.

Nürnberg Gerade in der aktuellen Situation wird uns aufgezeigt, wie bedeutsam Gesundheit ist. Vor allem Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass die Mitarbeitergesundheit das höchste Gut ist. Die betriebliche Gesundheitsförderung sollte zunehmend in den Fokus rücken, insbesondere präventive Maßnahmen. Zudem sind die Beschäftigten zu einem gesundheitsförderlichen Lebensstil anzuleiten. Die Teilnehmer erlernen, wie sie ihr Homeoffice gesundheitsgerecht gestalten können.

Welche speziellen Kenntnisse und Erfahrungen haben Sie dabei jeweils einbringen können?

Hannawald Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung mit Burn-out beschäftige ich mich schon über einen längeren Zeitraum intensiv mit der „betrieblichen Gesundheit“. Ich halte firmenintern Vorträge, trete auf Gesundheitstagen auf und veranstalte Führungskräfte-Seminare auf modernen Skisprungschanzen. Wegen der zahlreichen Erfahrungen, die ich als Leistungssportler, Patient und heute als Unternehmer sammeln konnte, berate und begleite ich mit unserer Sven Hannawald & Sven Ehricht Unternehmensberatung viele Firmen zu dem Thema „Erfolg in Balance“. Mir liegt es sehr am Herzen, dass das Thema psychische Gesundheit zukünftig noch mehr in den Fokus rückt. 

Ihr Kurs für den Homeoffice-Führerschein findet online statt. Wie baut er sich inhaltlich, aber auch organisatorisch auf?

Nürnberg Der Kurs wird online in kleinen Gruppen stattfinden. Wurden alle Module des „HoFü“ absolviert, erfolgt eine Abschlussprüfung. Zudem kann zusätzlich ein Hochschulzertifikat erworben werden. Kursbeginn ist jeweils zu Monatsanfang und zu Quartalsbeginn. Der Umfang des Kurses beträgt einen Monat beziehungsweise ein Quartal.

Hannawald In diesem Seminar haben die Kursteilnehmer die einmalige Möglichkeit, mit anderen Olympiasiegern wie Heike Henkel und Florian Mennigen sowie Weltmeisterkoch Holger Stromberg und vielen weiteren bekannten Persönlichkeiten wie dem Juristen Professor Hans Dierksen zu lernen. 

Herr Hannawald, als Skispringer war für Sie der Wettbewerb die größte Motivation. Im Sommer fehlten jedoch über Monate die Wettkämpfe, was blieb, war das Training. Da fiel es Ihnen sicherlich auch ab und zu schwer, sich für die Arbeit zu motivieren. Welche Ratschläge aus Ihrer Erfahrung als Leistungssportler würden Sie denen geben, die nun alleine im Homeoffice arbeiten und Schwierigkeiten haben, sich für die Arbeit zu motivieren?

Hannawald Das Ziel war für mich immer das Wichtigste. In meiner Sportart gehörte es dazu, dass im Sommer der anschließende Winter vorbereitet wurde. So wusste ich, dass jede einzelne Einheit im Sommer für mein großes Ziel, die Tournee zu gewinnen, dazugehörte. Zurückkommend zum Homeoffice, sehe ich die Parallele des Zieles, aber die Schwierigkeit des Trennens der Arbeit und der so wichtigen und regelmäßigen Erholungspausen. Die Arbeit findet gefühlt „im Wohnzimmer“ statt. Das strikt zu trennen und für jeden einzelnen Wege zu finden, ist in meinen Augen elementar. Was sich nicht ändert, sind die täglichen Tagesziele und To-dos. Diese zu erreichen oder abzuarbeiten, geben einem immer ein gutes Gefühl und sind wichtig für das große Ziel. Für einen erfolgreichen Tag kann man sich durchaus auch mal belohnen, selber und auch virtuell im Team. Im Team deswegen, damit der Kontakt, der ja im Büro normal ist, auch im Homeoffice bleibt.

Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sind in den vergangenen Monaten aufgeschlossener für das Thema Homeoffice geworden. Was ist Ihre persönliche Einschätzung: Wie viele, die in der Pandemie ins Homeoffice gewechselt sind, wollen auch in Zukunft lieber dort arbeiten als im Betrieb?

Nürnberg Ich denke, dass mehr als die Hälfte der Büroarbeiter auch in Zukunft die Möglichkeit Homeoffice nutzen möchte. Hybride Arbeitsmodelle werden „The Next Normal“ sein. Das heißt, dass wahrscheinlich zwei Tage die Woche im Büro gearbeitet wird und drei Tage im Homeoffice.

Hannawald Dieser Meinung bin ich auch. Der persönliche Austausch mit den Kollegen ist essenziell. Das Beste aus zwei Arbeitsformen gilt es, gesund und erfolgreich miteinander zu verbinden.

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