Kaufmann oder Kauffrau im Einzelhandel Dickes Fell, starke Nerven, gute Chancen

Hamburg · Überfüllte Geschäfte und schlecht gelaunte Kunden: Im Einzelhandel geht es zeitweise rauh zu. Trotzdem entscheiden sich dort jedes Jahr viele Jugendliche für eine Ausbildung. Die Berufschancen sind gut, auch die für die weitere Karriere.

Die Berufe mit Perspektive 2012
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Foto: Patrick Wymore

Eigentlich haben die zwei Jahre als Au-pair in Kanada sie auf die Idee gebracht: Jeanina Tammlings Gastmutter musste gut gekleidet ins Büro. Dabei war sie aber nicht sehr stilsicher. "Da habe ich ihr geholfen, sich einzukleiden. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich wusste: Das will ich mal beruflich machen." Zurück in Deutschland bewarb sie sich bei der Peek & Cloppenburg KG Hamburg und bekam die Lehrstelle.

"Der Kontakt mit den Kunden und die Beschäftigung mit Mode ist für mich die perfekte Kombination, ich fühle mich angekommen", sagt Tammling. Vor wenigen Wochen hat sie erfolgreich ihren Abschluss gemacht. Nun arbeitet sie im Verkauf.

Häufigster Ausbildungsberuf

Wie Jeanina Tammling entscheiden sich jedes Jahr Tausende von Jugendlichen, eine Ausbildung zum Kaufmann oder zur Kauffrau im Einzelhandel zu machen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts war es 2011 mit 33.192 Verträgen der häufigste Ausbildungsberuf. Der Job ist vielseitig: Die Lehre ist in Textilgeschäften, im Lebensmittelhandel, in Schmuck- und Schuhläden möglich. Auch in Möbelhäusern, im Elektrohandel und in Drogerien wird Personal gesucht.

Die Lehrinhalte sind überall ähnlich: "Die ersten beiden Jahre sind mit der Ausbildung zum Verkäufer identisch", sagt Martin Wedemann von der Handelskammer Hamburg. Es gehe um Kundenberatung, den Verkauf, Sortimentskenntnisse oder die Präsentation der Waren im Laden. Im dritten Lehrjahr gehe es dann in den Innendienst. Da werde die kaufmännische Sicht wichtig. Die Auszubildenden kümmerten sich stärker um Rechnungswesen, Buchhaltung, Wareneinkauf und Personalführung.

In der Berufsschule wird die Theorie vermittelt: Je nach Unternehmen und Bundesland sind die Auszubildenden entweder an zwei Tagen in der Woche für sechs Schulstunden dort oder blockweise sechs Wochen im Halbjahr. Im Westen stiegen die Azubis 2011 laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung im ersten Jahr mit 652 Euro ein, im zweiten Lehrjahr bekamen sie 728 Euro, im dritten Jahr 834 Euro. Ihre Kollegen im Osten bekamen jeweils knapp 80 Euro weniger.

Gepflegtes Äußeres ein Muss

"Sehr offen und freundlich zu sein, ist auf jeden Fall eine wichtige Voraussetzung für den Beruf", sagt Jeanina Tammling. "Nicht jeden Kunden, der das Geschäft betritt, spreche ich sofort an. Ich signalisiere immer mit einem freundlichen Nicken, dass ich ihn registriert habe und zur Verfügung stehe", sagt sie. Laut Wedemann von der Handelskammer gibt es eine weitere wichtige Voraussetzung: Die Auszubildenden sollten körperlich fit sein. Denn sie müssen den ganzen Tag stehen. Außerdem sei ein gepflegtes Äußeres ein Muss.

Offenheit ist für Tammlings Ausbildungsbetreuerin Julia Tornow das wesentliche Kriterium, wenn es um die Eignung für den Einzelhandel geht. Sie ist bei der Peek & Cloppenburg KG Hamburg für die Auswahlverfahren zuständig. Wichtiger als der Einstellungstest sei die Persönlichkeit des Bewerbers. Die Auszubildenden stünden vom ersten Tag an im Verkauf. Für den Kundenkontakt müssten sie aufgeschlossen und kontaktfreudig sein.

Doch auch die Schulbildung spielt eine wichtige Rolle: Selbst wenn für den Beruf kein Schulabschluss vorgeschrieben ist, nimmt das Bekleidungsunternehmen wie fast alle Betriebe nur Auszubildende mit einem guten Hauptschulabschluss. "Der Berufsschulstoff ist anspruchsvoll. Daher sollten Hauptschüler einen Notendurchschnitt von Zwei haben. Aber auch bei Realschülern achten wir auf gute Leistungen in Deutsch und Mathe", sagt Tornow.

Zehn Bewerber auf eine Stelle

Leicht zu bekommen, sind die begehrten Stellen nicht. Zehn Bewerber auf eine Stelle sind keine Seltenheit. Doch Männer haben derzeit besonders gute Chancen: "Die Relation bei den Kaufleuten im Einzelhandel beträgt etwa 40 Prozent Männer zu 60 Prozent Frauen", sagt Wilfried Malcher, Geschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE). Das soll sich weiter angleichen.

Jeanina Tammling hat sich an das Arbeitsleben schnell gewöhnt. Nur an den Umgang mit unfreundlichen Kunden musste sie sich erst gewöhnen: "Natürlich gibt es auch Kunden, die schon mit schlechter Laune unser Haus betreten. Wichtig ist, dass ich ihnen gegenüber nett bin und Verständnis zeige. Ich musste erst lernen, solche Situationen nicht persönlich zu nehmen."

Wer es schafft, immer freundlich zu bleiben und zu lächeln, kann nicht nur durch Provisionen sein Gehalt aufbessern. Bei vielen Unternehmen sind auch die Aufstiegsmöglichkeiten gut. Nach der Ausbildung könne man etwa den Handelsassistenten oder den Handelsfachwirt machen und anschließend eine Filiale übernehmen. Die Perspektiven sind gut: "70 Prozent der Führungskräfte im Einzelhandel sind nur über betriebliche Aus- und Fortbildung nach oben gekommen", sagt HDE-Geschäftsführer Malcher.

(dpa)
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