40 Millionen lernen Mandarin Chinesisch bald wichtiger als Englisch?

Taipeh (RPO). Chinas Wirtschaft boomt. Dementsprechend sind Mandarinkenntnisse innerhalb weniger Jahrzehnte zum Erfolgsfaktor geworden - in einer globalisierten Wirtschaft, in der alte Supermächte wie die USA schon bald ihre Vormachtstellung verlieren könnten. Bereits jetzt lernen weltweit etwa 40 Millionen Menschen Mandarin, Chinas offiziellem und am weitesten verbreiteten Dialekt.

Die Tränen-Kinder von Peking
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Erst kamen die westlichen Missionare, heute sind es Geschäftsleute, Studenten und Künstler, die sich in Chinesischkursen auf ein Leben im Reich der Mitte vorbereiten. Allein im Jahr 2006 reisten fast 100.000 Ausländer nach China, um Mandarin zu studieren - mehr als doppelt so viele wie fünf Jahre zuvor.

"In meiner Generation waren die USA die erste Wahl", erzählt Marvin Ho, in dessen 1957 gegründeter Sprachschule inzwischen 2.400 Studenten an 16 Standorten Mandarin lernen. Für die jetzige Generation liege die Zukunft im Reich der Mitte: "Warum sollte man in die USA? Meine Freunde ermutigen ihre Kinder, nach China zu gehen."

Auch immer mehr Künstler wie der Musiker Skot Suyama wagen diesen Schritt. Der 26-jährige Halbschwede und Halbjapaner aus Seattle lebt seit einigen Jahren in Hongkong und Taiwan, wo er eine Mischung aus Hip-Hop, Pop und Grunge produziert. Mit geringen Chinesischkenntnissen schrieb er den Hit "Duibuqi, Xiexie" (Entschuldigung, Dankeschön) - und lernt nun intensiv Mandarin, um sich den riesigen Musikmarkt des chinesischen Festlandes noch weiter zu erschließen.

Großes Interesse in asiatischen Nachbarländern

"Wenn ich jetzt auf das Festland gehen könnte, könnte ich Geld machen", sagt Suyama. "Heute gibt es in China noch Menschen, die den Preis eines Musikstücks nicht kennen. Du kannst jemanden finden, der dir 50.000 Dollar zahlt, um ein Lied zu schreiben", schwärmt der Musiker. "Wenn man sich einen Namen gemacht hat, kann man dort groß rauskommen."

Der Unternehmer Joseph Green ahnte das bereits vor zehn Jahren und zog nach Taiwan, um Mandarin zu studieren. Seit einigen Jahren betreibt der 36-Jährige mit einem holländischen Freund die Internetseite chinglish.com, die Übersetzungen vom Englischen ins Chinesische und umgekehrt ermöglicht. Chinesisch werde Englisch zwar nicht verdrängen, glaubt Green. "Aber es ist so eine große Sache, dass es eine Chance hat, zum Mainstream zu werden - so wie Englisch es ist."

Am größten ist das Interesse an der Sprache aber nicht in Amerika oder Europa, sondern bei den asiatischen Nachbarn Chinas. Laut Umfragen des internationalen Meinungsforschungsinstituts Gallup in 13 asiatischen Ländern erwarten dort etwa 40 Prozent der Befragten, dass China die USA innerhalb der nächsten 50 Jahre als führende Supermacht ablöst. Vier der fünf Nationen, aus denen die meisten Studenten zum Mandarin lernen nach China kommen, sind asiatisch: Südkorea, Japan, Indonesien und Vietnam. Die Vereinigten Staaten kommen zwar bereits an dritter Stelle, sind aber bislang das einzige westliche Land in dieser Spitzengruppe.

In Taiwan hat sich die Zahl der Chinesisch-Studenten innerhalb der vergangenen zehn Jahre auf etwa 11.000 verdoppelt. Rund 60 Prozent von ihnen kommen aus asiatischen Ländern - die meisten aus Japan und Korea, aber auch immer mehr aus Südostasien. Die übrigen verteilen sich auf Europa und Amerika.

Ohne Sprachkenntnisse sind Geschäfte in China schwierig

"Vor zwanzig oder dreißig Jahren gingen Asiaten in die USA oder nach Europa, wenn sie im Ausland studieren wollten", erklärt der Direktor der größten Sprachschule in Taiwan, Chung-Tien Chou. "Heute ist das anders. Immer mehr junge Leute in Asien schauen nicht mehr nur auf die westlichen Staaten, sondern sehen asiatische Länder als Alternativen."

Gelehrt wird Mandarin nicht nur in Sprachschulen, sondern auch in den mehr als 100 Konfuzius-Instituten, die China nach Art der deutschen Goethe-Institute in der ganzen Welt betreibt. Denn egal ob Japaner, Südkoreaner, Europäer oder Amerikaner - ohne Sprachkenntnisse geht es kaum, betont der Pekinger Buchautor und Unternehmensberater James McGregor. "Wenn du ein Unternehmer werden willst, musst du in die Kultur eintauchen."

(ap)
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