Richter mahnen Verhältnismäßigkeit an Brotaufstrich-Klau: Kündigungen ungültig

Dortmund (RPO). In Dortmund haben zwei Bäcker gegen ihre Kündigung geklagt, nachdem sie wegen angeblich gestohlenen Brotaufstrichs fristlos entlassen worden waren. Beide hatten am Dienstag mit ihrer Klage Erfolg. Benjamin L. (26) und Horst D. (44) müssen nun weiter beschäftigt werden.

Bäcker siegen vor Gericht
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Die Bäckerei kündigte an, im Fall des 26-Jährigen in Berufung zu gehen und das zweite Urteil zu prüfen.

Das Gericht entschied, die Kündigung des 26-Jährigen, der Betriebsratsmitglied war, sei schon aus formellen Gründen unwirksam. So sei der Betriebsrat beim ersten Mal fehlerhaft informiert worden: Ihm wurde der Diebstahl eines Brötchens mitgeteilt, während es tatsächlich nur um den Belag gegangen sei. Zudem habe der Betriebsrat der Kündigung nicht zugestimmt, wie es bei einem Betriebsratsmitglied erforderlich gewesen wäre.

Gericht verweist auf lange Betriebszugehörigkeit

Im Fall des 44-Jährigen betonte die zuständige Kammer zwar, dass grundsätzlich auch der Diebstahl geringwertiger Dinge eine fristlose Kündigung rechtfertige. Doch es müsse immer auch eine Interessenabwägung geben, die im vorliegenden Fall zugunsten des Klägers ausfalle.

Das Gericht verwies dabei auf die mehr als 24-jährige Betriebszugehörigkeit des Mannes. Auch sei entscheidend, dass er selbst den Verzehr des belegten Brötchens zugegeben habe, obwohl sich der Verdacht nur noch gegen seinen Kollegen gerichtet habe. Dies deutete nach Auffassung der Kammer auf eine ehrliche Grundhaltung des Klägers hin. Die strittige Frage, ob der Mann sich den Brotaufstrich widerrechtlich angeeignet hatte oder den zuvor zubereiteten würzigen Aufstrich nur auf seinen Geschmack prüfen wollte, klärte das Gericht dagegen nicht.

Geschäftsleitung rechtfertigt sich

Die Bergkamener Bäckerei erklärte, das Urteil im Fall des 26-Jährigen sei ohne Würdigung des Sachverhaltes innerhalb weniger Minuten verkündet worden. Man teile die Einschätzung des Gerichts nicht und werde Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm einlegen. Beim zweiten Urteil behalte man sich eine Berufung vor.

Schon in der Vorwoche hatte das Unternehmen sein Handeln verteidigt und erklärt, es sei bekannt, dass man eine unpopuläre Entscheidung getroffen habe. Leider sei es bei solchen Vorfällen schwierig, eine Grenze zu ziehen, erklärte die Geschäftsleitung: "Wo setzt man an? Bei 0,01 Euro, 0,10 Euro, 1 Euro, 100 Euro, 1.000 Euro oder mehr?" Daher gebe es in dem Unternehmen klare Richtlinien, die den Personaleinkauf regelten. Alle Konsequenzen, die sich durch die Nichteinhaltung ergäben, seien bekannt.

Erinnerungen an Berliner Pfandbon-Urteil

Ende Februar hatte der Fall einer langjährigen Supermarkt-Kassiererin aus Berlin für Aufsehen gesorgt, die wegen Unterschlagung von 1,30 Euro aus Pfandbons gekündigt worden war. Das Landgericht hatte die Kündigung nach 31-jähriger Tätigkeit als Verkäuferin und Kassierin für rechtens erklärt. Das Vertrauensverhältnis sei zerstört.

(DDP)
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