Urteil des Europäischen Gerichtshofs Bewerber haben keinen Auskunftsanspruch

Frankfurt/Luxemburg · Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg sind Arbeitgeber nicht verpflichtet, einem abgelehnten Bewerber die Gründe für ihre Absage mitzuteilen. Ebenso wenig hat der Bewerber Anspruch darauf, zu erfahren, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.

Allerdings könne es Ausnahmen geben, wenn der Verdacht auf Diskriminierung bestehe und der Bewerber dies nachweisen könne, teilte die Zweite Kammer des Luxemburger Gerichts am Donnerstag mit. So könne die Weigerung des Arbeitgebers "ein Gesichtspunkt sein, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist", hieß es im Urteil.

Hintergrund ist die Beschwerde einer Frau, die sich wiederholt erfolglos auf eine Stelle in einem Unternehmen in Bayern beworben hatte. Die Frau fühlte sich aufgrund ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer russischen Herkunft diskriminiert. Neben Schadensersatz fordert sie die Herausgabe der Unterlagen des Mitbewerbers, der eingestellt wurde. Der Fall war dem EuGH vom Bundesarbeitsgericht vorgelegt worden.

"Bessere Möglichkeiten, eine etwaige Diskriminierung nachzuweisen"

Die Anwältin des Arbeitgebers sah das Urteil am Donnerstag mit gemischten Gefühlen. "Es hat unsere Position eher nicht gestärkt", sagte Arbeitsrechtlerin Ursel Kappelhoff auf Nachfrage der dapd. Die Anwältin der Hamburger Kanzlei Vahle Kühnel Becker betreut das beklagte Unternehmen Speech Design aus Bayern. Die Firma habe der Bewerberin "überhaupt keine Auskünfte gegeben, was ich richtig finde, weil dazu keine Verpflichtung bestand", sagte Kappelhoff. Dies hätten drei Instanzen in Deutschland bestätigt.

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, bezeichnete die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs als einen "wichtigen und notwendigen Interessenausgleich", den das Gericht für möglicherweise diskriminierte Stellenbewerberinnen und -bewerber hergestellt habe. "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben mit diesem Urteil bessere Möglichkeiten, eine etwaige Diskriminierung nachzuweisen", sagte Lüders in Berlin. Wenn ein Arbeitgeber eine Auskunft verweigere, könne dies im Einzelfall gegen ihn verwendet werden. "Dem Arbeitgeber bleibt aber die Möglichkeit, den Vorwurf der Diskriminierung zu widerlegen", sagte Lüders.

"Diese Auslegung der Antidiskriminierungsrichtlinien hat weitreichende Folgen für Arbeitgeber", teilte das Centrum für Europäische Politik (CEP) in einer Stellungnahme mit. So würden Unternehmen in der Praxis künftig vor die Wahl gestellt, ob sie sich gegen den Vorwurf der Diskriminierung zur Wehr setzen wollten, oder ob sie sich an den Schutz personenbezogener Daten hielten. "Denn ein Unternehmen muss die Daten des erfolgreichen Bewerbers herausgeben, um sich gegen den Vorwurf der Diskriminierung zu wehren. Andernfalls liefert es ein Indiz für diskriminierendes Verhalten", sagte CEP-Fachbereichsleiter Klaus-Dieter Sohn. Das Freiburger CEP ist ein europapolitisches Institut der Stiftung Ordnungspolitik und entwickelt unter anderem Strategien für die europäische Politik.

Verfahren wird am Bundesarbeitsgericht fortgesetzt

Der Rechtsanwalt der Klägerin wollte sich zunächst nicht zu dem Urteil äußern. Seine Mandantin ist russischer Herkunft und hatte sich Anfang Oktober 2006 auf eine Stellenanzeige von Speech Design hin beworben. Diese ist laut Eigendarstellung "ein führender europäischer Anbieter von Messaging- und Mobility-Lösungen für Unternehmen und Netzbetreiber" und hatte damals ein Stellengesuch für "eine/n erfahrene/n Softwareentwickler/-in" geschaltet. Kurz darauf lehnte Speech Design die Frau ab, ohne sie zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen.

Die Bewerberin verfügt über ein russisches Diplom als Systemtechnik-Ingenieurin, dessen Gleichwertigkeit mit einem von einer Fachhochschule erteilten deutschen Diplom in Deutschland gerichtlich anerkannt wurde. Als das Unternehmen kurz darauf im Internet eine zweite Stellenanzeige mit dem Inhalt der ersten veröffentlichte, bewarb sich die Frau erneut - wieder erfolglos. Sie erhob Klage beim Arbeitsgericht, die aber abgewiesen wurde.

Ebenso erfolglos blieb die Berufung am Landesarbeitsgericht, woraufhin die Bewerberin Revision zum Bundesarbeitsgericht einlegte. Dieses wird das zwischenzeitlich ausgesetzte Verfahren nun fortsetzen. Als wichtigen Beitrag gegen Diskriminierung und für mehr Transparenz im Arbeitsleben bezeichnete der Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Klaus F. Zimmermann, das Urteil: "Dieses Urteil ist ein klarer Aufruf an die Unternehmen, ihre Auswahlverfahren bei Stellenausschreibungen transparenter zu gestalten sowie klare und nachvollziehbare Bewertungskriterien zu schaffen. Wer sich um einen Job bewirbt, hat Anspruch auf eine sachgerechte Information."

(APD)
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