Unsere Serie Wie werde ich... Raumausstatter?

Bonn/Greven (RPO). Wer nicht will, dass seine Einrichtung so gleichförmig wie im Möbelmarkt auf der grünen Wiese aussieht, benötigt die Unterstützung eines Experten. Raumausstatter haben sich auf den individuellen Geschmack ihrer Kundschaft spezialisiert.

Ausbildung zum Raumausstatter
Foto: dpa-tmn

Die Deutschen kaufen ihre Sofas, Teppiche und Gardinen überwiegend, um sie danach selber zu Hause aufzustellen und anzubringen. Entsprechend zusammengewürfelt sehen viele Einrichtungen aus. Wer individuellen Geschmack in seine Wohnung bringen möchte und dabei nicht auf den Euro schauen muss, kann auf die Unterstützung eines Spezialisten zurückgreifen: des Raumausstatters.

"Manche kommen auch einfach zu uns, weil sie sich beim Anbringen der Gardinen nicht das Genick brechen wollen", sagt Erich Petersen vom Zentralverband Raum und Ausstattung (ZVR) in Bonn. Raumausstatter empfehlen sich als Experten für alles, was Zimmer warm und wohnlich macht: Teppiche, Tapeten, Sonnenschutz und Polstermöbel, die sie zum Teil selbst fertigen.

Mit Musterbüchern unterwegs

Doch Raumausstatter sind nicht nur für den handwerklichen Part zuständig, sie beraten auch. Mit ihren Musterbüchern kommen sie in die Wohnungen oder Geschäftsräume, nehmen bauliche Besonderheiten, Lichtverhältnisse und bereits vorhandene Einrichtungsgegenstände in Augenschein und entwickeln daraus mit dem Kunden Ideen für die Raumgestaltung. "Sie harmonisieren das Gesamtgefüge", erläutert Petersen.

Der Berufsstand des Raumausstatters hat seinen Ursprung im französischen "Tapissier", abgeleitet von den Wandteppichen, die 800 Jahre lang das wichtigste dekorative Raumelement der Königshöfe bildeten. Als "Hoftapezierer" verbreitete sich der Beruf über ganz Europa. Später kam das Polstern zum Tapezieren hinzu. Der Vorläuferverband des ZVR trug noch den Namen "Reichsverband Deutscher Tapeziermeister, Polsterer und Dekorateure".

1965 wurde offiziell die Berufsbezeichnung Raumausstatter eingeführt, um den ganzheitlichen Ansatz der Tätigkeit zu unterstreichen. Doch so richtig glücklich ist die Branche damit nicht geworden. "Die Leute können mit der Bezeichnung nicht viel anfangen", klagt Alfons Brack, Raumausstatter aus Greven in Westfalen und oberster Sachverständiger seines Handwerks.

Angestaubtes Image

Etwas anderes kommt hinzu: Es sind nicht nur der Geiz und die konjunkturelle Krise, die potenzielle Kunden vor dem Besuch eines Raumausstatters zurückschrecken lassen. Das Handwerk hat auch ein etwas angestaubtes Image wird eher mit dem barocken Geschmack der guten alten Zeit als mit aktuellen Designtrends in Verbindung gebracht. "Viele junge Leute bevorzugen einen kühlen Einrichtungsstil mit glatten Wänden, Laminatfußboden und Ledersofa", so Brack. Diesem Klientel haben die Raumausstatter nicht viel zu bieten, denn sie arbeiten vor allem mit Textilien.

Trotzdem haben viele Raumausstatter die Zeichen der Zeit erkannt, die Präsentation in ihren Ladenlokalen aufgefrischt und modische Stoffe ins Sortiment aufgenommen. Die Branche stehe "am Beginn einer interessanten Aufbruchphase", heißt es beim ZVR. Wer ein kreatives Händchen hat, kann aus der Tätigkeit viel mehr machen als einen biederen Handwerksberuf und sich zum "Lagerfeld des Wohnzimmers" aufschwingen. So sagt Marlies Westphäling vom Wohngestalter Büning in Hamburg mit Stolz: "Wir haben fast die Klasse von Innenarchitekten und dementsprechend auch genügend jüngere Kunden."

Das Raumausstatter-Handwerk wird während einer dreijährigen Ausbildung im Betrieb - das Gros hat nicht mehr als drei Mitarbeiter - und in der Berufsschule erlernt. Pro Jahr treten deutschlandweit rund 1100 Auszubildende neu an.

Große Nachfrage an Ausbildungsplätzen

Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen ist trotz aller Imageprobleme groß. An die Bewerber werden wegen der vielschichtigen Aufgaben des Raumausstatters hohe Anforderungen gestellt. Sie müssen über handwerkliches Geschick verfügen, gewandt mit den Kunden reden können und auch noch geschmackssicher sein. "Dementsprechend wird auf die Noten in Mathematik, Deutsch und Kunst besonders geachtet", sagt Erich Petersen, der beim ZVR für die Berufsbildung zuständig ist.

In der Ausbildungsordnung haben sich im vergangenen Jahr Änderungen ergeben. So spezialisieren sich die angehenden Raumausstatter jetzt im dritten Lehrjahr auf einen von vier Schwerpunkten: Wandbekleidung, Bodenlegen, Polstern oder Dekoration. Eine, wenn auch umstrittene, Erleichterung hat den Raumausstattern die Reform der Handwerksordnung gebracht. Sie brauchen neuerdings keinen Meisterbrief mehr, um sich mit einem eigenen Betrieb selbstständig zu machen.

Das monatliche Gehalt von Raumausstattern liegt nach ZVR-Angaben zwischen 1800 und 3500 Euro. Es lässt sich erheblich steigern, wenn man der Lehre eine zweijährige Weiterbildung zum Restaurator oder gleich ein komplettes Studium der Innenarchitektur anhängt. Diesen Weg hat etwa der Kölner Peter Silling beschritten, der aus einer Raumausstatter-Familie stammt und heute zu den gefragtesten Inneneinrichtern der Hotelbranche zählt. Auf der Liste seiner Auftraggeber finden sich unter anderem die Nobelhotels "Victoria Jungfrau" in Interlaken und "das Ritz-Carlton" in Berlin.

Lothar Matthäus der berühmteste

Doch aller Ehrgeiz, den Angehörige des Berufsstands entfalten, wird an einem nichts ändern können. Der berühmteste Raumausstatter bleibt einer, der längst keiner mehr ist: Lothar Matthäus.

Informationen: Zentralverband Raum und Ausstattung, Burgstraße 81, 53177 Bonn (Tel.: 0228/36 79 00, Fax: 0228/367 90 18, Internet: www.zvr.de).

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