Urteil Kein Niedriglohn in der Probezeit
Darmstadt (RPO). Auch während der Probezeit müssen Arbeitnehmer angemessen entlohnt werden. Ein Gehalt, das nicht einmal der Hälfte des Tariflohns entspreche, sei in jedem Falle rechtswidrig. Das entschied das Hessische Landesarbeitsgericht.
Die Klägerin war in einem Reisebüro als Hilfskraft beschäftigt. Während der sechsmonatigen Probezeit verdiente sie 800 Euro brutto. Nach Ablauf von sechs Monaten sollte das Gehalt auf 1500 Euro und damit über den maßgeblichen Tariflohn von 1417 Euro steigen. Einen Monat vor Ende der Probezeit kündigte der Arbeitgeber jedoch, da die Klägerin nicht die erwarteten Leistungen gebracht habe.
Daraufhin verlangte die Bürohilfe die Nachzahlung der Differenz zwischen dem vereinbarten Lohn und dem Tarifgehalt. Sie habe die niedrige Vergütung während der Probezeit nur akzeptiert, weil sonst der Arbeitsvertrag nicht zustande gekommen wäre. Der beklagte Arbeitgeber weigerte sich jedoch zu zahlen. Die Klägerin sei als gelernte Verkäuferin völlig fachfremd in der Reisebranche gewesen. In der Anlernphase sei eine Beschäftigung daher nur für 800 Euro wirtschaftlich sinnvoll gewesen.
Die Richter erklärten die Entgeltvereinbarung während der Probezeit dennoch für ungültig. Sie verstoße gegen den strafrechtlichen Wuchertatbestand und gegen die guten Sitten. Bereits bei einem Gehaltsabstand von mehr als einem Drittel zum Tariflohn werde in der Rechtsprechung auf Lohnwucher entschieden. Hier liege die vereinbarte Vergütung sogar um 43 Prozent unter Tarif. Die Klägerin habe daher Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Gehalt während der Probezeit und dem Tariflohn, entsprechend 3702 Euro. (AZ: 9/12 Sa 1118/07)