Katholische Klinik entlässt Arzt nach Wiederheirat Bundesverfassungsgericht: Kündigung von Chefarzt war rechtmäßig

Köln/Karlsruhe · Der Zweite Senat des Karlsruher Gerichts hat am Donnerstag ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben, das die Kündigung eines Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus in Düsseldorf nach dessen Wiederheirat für unwirksam erklärt hatte.

Staatliche Gerichte dürften sich nicht über das kirchliche Selbstverständnis hinwegsetzen, "solange dieses nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen steht". So lautet die Begründung des Gerichts.

Im konkreten Fall geht es um den Chefarzt eines Düsseldorfer Krankenhauses. Nach dessen zweiter Eheschließung hatte ihm die Klinik gekündigt. In allen Instanzen war zuvor entschieden worden, dass die Entlassung unwirksam sei. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte zwar, dass Kirchen von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne des eigenen Selbstverständnisses verlangen könnten. Allerdings habe die Klinik bei protestantischen Kräften nach einer zweiten Heirat nicht zum Mittel der Kündigung gegriffen. Zudem habe die Einrichtung gewusst, dass der Mediziner vor der Eheschließung lange unverheiratet mit der Frau zusammengelebt habe.

Kardinal Woelki sieht Urteil positiv

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum kirchlichen Arbeitsrecht begrüßt. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt uns Rechtssicherheit", erklärte der Erzbischof am Donnerstag in Köln. Es bestätige das Selbstbestimmungsrecht der Kirche im Hinblick auf die Auswahl ihrer Mitarbeitenden und die an diese gestellten Beschäftigungsanforderungen. "Wir werden mit dieser verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit weiterhin verantwortlich umgehen", so Woelki.

Das Bundesverfassungsgericht weist darauf hin, dass das Grundgesetz "die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist". Die weltanschaulich-religiöse Neutralität des Staates sei Grundlage der modernen, freiheitlichen Gesellschaft, verwehre dem Staat aber auch, Glauben und Lehre einer Kirche zu bewerten. "Die Eigenständigkeit der kirchlichen Rechtsordnung hat er zu respektieren", heißt es wörtlich. Einschränkend weist der Senat darauf hin, dass überwiegend der Gewinnerzielung dienende kirchliche Organisationen dieses Vorrecht nicht in Anspruch nehmen könnten.

Gerichte sind demnach lediglich berechtigt, "Darlegungen des kirchlichen Arbeitgebers auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen". Zweifelsfragen seien durch Rückfragen bei den Kirchenbehörden oder durch ein kirchenrechtliches oder theologisches Gutachten zu klären.

Auf einer zweiten Prüfungsstufe sei zu prüfen, ob Schranken der für alle geltenden Gesetzes überschritten worden seien. Karlsruhe weist zugleich darauf hin, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) "keinen Anlass zu Modifikationen der Auslegung des Verfassungsrechts" biete. Straßburg hatte in einen ähnlichen Fall entschieden, dass die Kirche einem Organisten nach der Trennung von seiner Frau nicht kündigen dürfe.

Karlsruhe betont, das Bundesarbeitsgericht habe "Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts verkannt", indem die Erfurter Richter "eine eigenständige Bewertung religiös vorgeprägter Sachverhalte vorgenommen" hätten. Erfurt muss nun "eine eingehende Gesamtwürdigung" vornehmen. Dabei könne auch der Gedanke des Vertrauensschutzes des Arztes gegenüber seinem Arbeitgeber berücksichtigt werden. Der Arbeitsvertrag werte eine Zweitheirat nicht anders als ein Leben in nichtehelicher Gemeinschaft. Daraus könne der Arzt gegebenenfalls einen Vertrauensschutz ableiten.

(KNA)
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