Arbeitsgericht prüft Diskriminierung Abgelehnt, weil sie ein "Ossi" ist

Stuttgart (RPO). Mit dem Vermerk "(-) Ossi" erhielt eine Buchhalterin ihre Bewerbung zurück. Nun klagt sie wegen Diskriminierung vor dem Arbeitsgericht Stuttgart. Erstmals müssen die Richter nun prüfen, ob ehemalige DDR-Bürger tatsächlich eine eigene ethnische Gruppe bilden und folglich auch bei der Jobsuche diskriminiert werden können.

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Foto: tmn

Der Fall ist kurios: Gabriele S., die bereits vor der Wende aus Ost-Berlin in den Westen übergesiedelt war, hatte sich bei einem Stuttgarter Betrieb um eine Stelle als Buchhalterin beworben. Ihre Bewerbungsmappe bekam sie jedoch mit dem handschriftlichen Vermerk "(-) Ossi" und "DDR" zurück. Für die 49-Jährige und ihren Anwalt, den Kirchheimer Arbeitsrechtler Wolfgang Nau, ist das ein klarer Fall von Diskriminierung. Er fordert von der Firma ein Schmerzensgeld in Höhe von drei Monatsgehältern zu je 1600 Euro und zog vor Gericht.

Der Anwalt beruft sich dabei auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, wonach etwa im Berufsleben "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft (...) zu verhindern oder zu beseitigen sind." Anwalt Nau wird mit dem Verfahren nun Rechtsgeschichte schreiben. Diskriminierungen wegen der Herkunft aus Ostdeutschland gebe es zwar jeden Tag häufig, doch bislang sei noch kein Arbeitgeber so dumm gewesen, dies auch schriftlich mitzuteilen, sagt er und spricht von der "Spitze eines riesigen Eisbergs".

Für Nau steht außer Frage, dass auch Ostdeutsche jeweils eigenen ethnischen "Stämmen" zugehören, wie etwa in Westdeutschland die Ostfriesen, Bayern oder Schwaben. Sie hätten durch Sprache, Bräuche, Kultur und Küche ein eigenes Zugehörigkeitsgefühl entwickelt, mit dem sie sich von anderen Gruppen abgrenzen.

Durch den bundesweit bunten Flickenteppich der Ethnien und Kulturen gehe allerdings ein hässlicher Riss, glaubt der Anwalt. In dieser Einschätzung bestätigt wird Nau etwa durch die Ergebnisse des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität Berlin. Danach wuchs die "Mauer in den Köpfen" in den vergangenen 20 Jahren eher noch. Im Westen wie im Osten wurden Vorurteile nicht abgebaut, sondern verfestigten sich. Ob das Stuttgarter Arbeitsgericht dies auch so sieht, wird sich am Donnerstag zeigen.

(AFP/mais)
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