Wann sich der Abriss lohnt

Eine Sanierung kann finanziell zum Fass ohne Boden werden. Deshalb ist ein Neuanfang manchmal die bessere Alternative.

Alte Häuser haben Charme, entsprechen aber kaum modernen Anforderungen. Eine Sanierung ist in der Regel unumgänglich. In der Realität ist ein Umbau aber meist kostengünstiger als ein Neubau. Aber eben nicht immer. Wann lohnt sich also der Abriss?

Am Anfang aller Überlegungen steht eine Bewertung der bestehenden Immobilie. Dabei nimmt ein Sachverständiger gemeinsam mit den Besitzern das Haus genau unter die Lupe. Wie sehen Tragwerk, Bausubstanz und technische Ausstattung aus? Im Kern geht es um die Einschätzung des Experten, ob das Haus in einem technisch guten Zustand ist oder schwere Mängel hat.

"Außerdem wird geklärt, ob und wie das Haus mit energetischen und architektonischen Wünschen der Bauherren in Einklang zu bringen ist", erklärt Klaus-Jürgen Edelhäuser von der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. Bestehen sie etwa auf einen Keller oder höhere Raumdecken, wird ein Abriss fast unumgänglich. "Das sind radikale Änderungen, die mit einem Umbau nicht sinnvoll umzusetzen sind."

Schwere, verdeckte Schäden in der Bausubstanz oder dem Tragwerk können eine Instandsetzung ebenfalls erschweren. Während statische Schäden zum Beispiel durch Korrosion bei Wohnhäusern sehr selten sind, sind hohe Schadstoffbelastungen laut Edelhäuser ein häufiger Abrissgrund. "Diese können etwa durch Asbest oder PCP auftreten." Lassen sich die Schadstoffe nicht entfernen, ist das Haus kaum zu retten.

Andere Mängel sehen dagegen schlimmer aus, als sie sind. "Aufsteigende Feuchte an den Hauswänden scheint für den Laien ein Riesenproblem", schildert Edelhäuser. "Dabei ist das oft nur ein optischer Mangel." Auch eine Ausbesserung sei mit moderaten Kosten machbar. Dafür öffnet man die Fassade etwa mit einem Horizontalschnitt. "Danach wird sie trockengelegt und mit moderner Abdichtungstechnik ausgestattet."

Bei der Entscheidung für oder gegen einen Abriss gibt Edelhäuser noch die "graue Energie" zu bedenken. "Diese beschreibt den Energieaufwand, der nötig war, um das bestehende Haus aufzubauen und dessen Baustoffe herzustellen." Jene graue Energie verfällt mit Abriss der Immobilie und wird durch den Neubau erneut benötigt.

Wie selten der Abriss wirklich die bessere Alternative ist, zeigt eine Studie der Arbeitsgemeinschaft Zeitgemäßes Bauen aus dem Jahr 2011. Nur bei rund zwölf Prozent aller Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland lohnen sich demnach Abriss und Neubau aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten mehr als eine Sanierung nach Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV). Das heißt trotzdem: Knapp 1,8 Millionen Häuser sind eher ein Fall für den Abrissbagger als für Umbaumaßnahmen.

Angesichts der strengen Vorgaben zur energetischen Sanierung können Umbaukosten schnell explodieren. Besonders Gebäude aus den 50er bis 70er Jahren können zu einem Fass ohne Boden werden: "Die wurden noch ohne Rücksicht auf Energiekosten geplant", sagt Reimund Stewen vom Verband Privater Bauherren. Dünne Außenwände, veraltete, ineffiziente Elektrospeicherheizungen, große und einfach verglaste Fensterfronten - all das muss mit viel Aufwand erneuert werden.

Neben den energetischen Gesichtspunkten spielt die Architektur eine wichtige Rolle. Die Grundrisse alter Häuser entsprechen nicht immer den Bedürfnissen moderner Bauherren. "Umso wichtiger ist eine wirklich detaillierte Bestandsanalyse, bevor die Entscheidung zu Abriss oder Umbau getroffen wird", betont Edelhäuser. Die nötigen Kosten für Umbauten und energetische Sanierung werden dann genau aufgelistet. Demgegenüber stehen die Kosten für Abriss und Neubau.

Ab welcher Kostengrenze lohnt sich dann der Abriss? Pauschal ist diese Frage nicht zu beantworten. Stewen liefert aber zumindest einen Richtwert: "Entsprechen die Umbaukosten mindestens 75 Prozent der Neubaukosten, ist der Abriss wohl die bessere Option." Zwei Argumente rechtfertigen demnach die Mehrausgaben für die neue Immobilie: Zum einen seien Altbauten nicht immer komplett energetisch aufrüstbar, was sich finanziell zu einem Nachteil entwickeln kann. "Denn energetisch schlechtere Häuser verfallen eher im Wert." Zum anderen wird der Neubau nach den Wünschen der Bauherren gestaltet - beim Altbau sind Kompromisse notwendig.

(RP)
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