Immobilien Finanzierung zu 100 Prozent?

Eine Immobilie ohne Eigenkapital finanzieren – geht das überhaupt? Und ist es wirklich empfehlenswert? Für wen kommt das in Frage?

Ein Haus kaufen ohne Eigenkapital? Das ist durchaus möglich. Allerdings ist das auch ein recht teurer Weg zum Eigentum.

Ein Haus kaufen ohne Eigenkapital? Das ist durchaus möglich. Allerdings ist das auch ein recht teurer Weg zum Eigentum.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Geht es um Baufinanzierung, sind sich Experten in einem Punkt meist einig: Ohne Eigenkapital geht es nicht. Nicht nur, weil der Kreditbedarf sonst größer ist. Auch, weil die Zinsbelastung dann insgesamt steigt, wie Berechnungen der Stiftung Warentest zeigen. Topzinsen gibt es meist nur für Kredite bis zu 50 oder 60 Prozent des Kaufpreises. Wer damit nicht auskommt, zahlt einen Aufschlag. Banken staffeln ihre Zinssätze nach dem Beleihungsauslauf – also dem fremdfinanzierten Anteil am Immobilienwert, heißt es in der Zeitschrift „Finanztest“ (Heft 7/2019).

Dennoch ist gerade der Punkt Eigenkapital für viele Käufer ein Problem: „Gerade junge Leute haben in der Regel noch keinen nennenswerten Betrag für eine Immobilie angespart“, weiß Tarkan Atik von der Dr. Klein-Baufinanzierung, einem bundesweit tätigen Finanzdienstleister. „Trotzdem möchten sie ihren Wunsch vom eigenen Haus oder der Wohnung nicht auf die lange Bank schieben.“

Manche Finanzinstitute bieten daher eine Alternative: die 100-Prozent-Finanzierung des Kaufpreises. „Die Nebenkosten muss der Kunde dann aus eigener Tasche zahlen“, erklärt Dirk Eilinghoff vom Portal Finanztip. „Für Leute, die ein hohes Einkommen, aber kein Eigenkapital haben, kann das ein Weg sein.“

Wer mit dieser Lösung liebäugelt, sollte sich im Klaren darüber sein, dass die Immobilie am Ende teurer wird als mit einer klassischen Finanzierung, bei der die meisten Banken einen Eigenanteil in Höhe von 20 Prozent des Kreditwertes fordern. „Je weniger Eigenkapital vorhanden ist, desto höher ist in der Regel der Zinssatz“, gibt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren zu bedenken.

Junge Leute sollten sich gut überlegen, ob sie sich auf Jahre mit hohen Zahlungen für Zinsen und Tilgung belasten. Ihrer Ansicht nach können sich nur Gutverdiener eine hundertprozentige Finanzierung leisten. „Wer weiß, dass er über lange Jahre verlässlich verdient, wird vielleicht damit glücklich.“

Auch Atik sieht die Nachteile einer 100-Prozent-Finanzierung: „Die Bank preist das Risiko mit ein, im Fall einer Zwangsverwertung nicht mehr den gesamten Betrag zurückzubekommen. So wird die Finanzierung in jedem Fall teurer und sie dauert meistens auch länger.“ Die Kunden müssen mit höheren Raten rechnen, und können oft nicht so hoch tilgen. Somit tragen sie die finanzielle Belastung nicht nur über eine längere Zeit, sondern haben auch schlechtere Karten bei der Anschlussfinanzierung, weil noch mehr Restschuld verbleibt. Ist dann in der Zwischenzeit auch noch das Zinsniveau gestiegen, fällt der Unterschied zu einer Finanzierung mit mehr Eigenkapital umso deutlicher aus. „Zwar finden wir oft Bankpartner für 100-Prozent-Finanzierungen“, sagt Atik. „Aber je höher der Beleihungsauslauf wird, umso kritischer sollte die Finanzierung geprüft werden.“

„Es kommt auch wesentlich auf die benötigte Kreditsumme an“, sagt Eilinghoff. „Bei einer günstigen Immobilie für 120.000 Euro auf dem flachen Land ist eine 100-Prozent-Finanzierung mit einem guten Einkommen eher machbar als bei einer 400.000 Euro teuren Immobilie in der Großstadt.“ Denn dann können die Kreditnehmer den Kredit schneller zurückzahlen.

Eine Beispielrechnung macht deutlich, wie eine Finanzierung zu hundert Prozent aussehen könnte: Ein junges Paar, beide Ende 20, verfügt über ein gutes Einkommen und erwartet Gehaltssteigerungen. Das Haus, das die beiden kaufen wollen, kostet 350.000 Euro. Das vorhandene Eigenkapital von rund 36.000 Euro ist angesichts des Hauspreises nicht üppig.

Um eine Sicherheit zurückzulegen, beschließt das Paar, nur die Kaufnebenkosten selbst zu bezahlen und den gesamten Kaufpreis zu finanzieren. Hierfür zahlen sie monatlich 1600 Euro. Damit tilgen sie zugleich so viel, dass das Haus nach 21 Jahren abbezahlt ist. Dank eines KfW-Anteils von 50.000 Euro können sie auf die restlichen 300.000 Euro einen günstigen Zins von 1,67 Prozent bei 15 Jahren Zinsbindung bekommen.

Lange Zinsbindungen von mindestens 15 Jahren wie in dem Beispiel oder Volltilger-Darlehen sind bei einer 100-Prozent-Finanzierung nach Ansicht von Atik hilfreich. „Gerade in Niedrigzinszeiten sollten Käufer die Chance nutzen und möglichst viel und schnell tilgen“, betont auch Reinhold-Postina. Steht zum Beispiel eine Erbschaft an oder wird eine Versicherung fällig, sollten man mit der Bank Sondertilgungen vereinbaren. So ist man schneller mit der Abzahlung des Kredits fertig.

Bei jeder Baufinanzierung kommt es auf den Einzelfall an. „Wenn kein Eigenkapital eingebracht wird, sind die individuellen Rechnungen und Anpassungen wirklich entscheidend“, unterstreicht Atik. „Hier ist der Grat zwischen machbar und empfehlenswert besonders schmal.“

Die Frage ist ja nicht nur, ob man die Raten irgendwie aufbringen kann, sondern auch, wie es um die Lebensqualität steht. „Wer in ständiger Sorge lebt, dass unvorhergesehene Reparaturen oder Anschaffungen anfallen oder sich während der Laufzeit keine angenehmen Dinge wie einen Urlaub leisten kann, der sollte von dem Vorhaben Abstand nehmen.“

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