Ausstieg aus der Baufinanzierung

Wer eine Immobilie erwirbt, rechnet in den meisten Fällen nicht damit, sie bald wieder verkaufen zu müssen. Manchmal lässt sich das nicht vermeiden. Wird die Baufinanzierung vorzeitig beendet, kann das schnell ins Geld gehen.

Steigende Mieten und niedrige Zinsen: Das motiviert viele, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Doch manchmal ändern sich die Lebensumstände - und dann muss das Hypotheken-Darlehen vorzeitig beendet werden. Dafür verlangen Geldinstitute oft hohe Vorfälligkeitsentschädigungen.

Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung? Kreditgeber rechnen für die Laufzeit des Vertrags mit einem Zinsgewinn. "Sobald ein Darlehensvertrag vor Ablauf der gesetzlichen oder vereinbarten Zinsbindung gekündigt wird, kann die Bank eine Entschädigung für den entstandenen wirtschaftlichen Schaden verlangen", erklärt Michael Knobloch vom Institut für Finanzdienstleistungen. Diese Vorfälligkeitsentschädigung soll den Zinsverlust ausgleichen.

Ist die Vorfälligkeitsentschädigung immer zu leisten? Wer seinen Kredit nach der gesetzlichen Zinsbindung kündigt, muss keine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen. Die vom Staat geregelte Laufzeit beträgt zehn Jahre, die Kündigungsfrist sechs Monate. Sobald Kreditnehmer vorzeitig aus ihrem Darlehensvertrag aussteigen möchten, darf der Kreditgeber eine Entschädigung verlangen.

Wann ist es möglich, vorzeitig aus der Baufinanzierung auszusteigen? "Verbraucher haben gesetzlich keinen Anspruch, aus ihrem Darlehensvertrag herauszukommen", erklärt der Rechtsanwalt und Politikwissenschaftler Achim Tiffe. "Ein Sonderkündigungsrecht haben Verbraucher, die zum Beispiel wegen Umzugs oder Trennung die Immobilie verkaufen müssen", erläutert der Experte. Wer seinen Vertrag wegen einer Umschuldung kündigen will, um Zinsen zu sparen, hat bei den meisten Banken dagegen schlechte Chancen.

Wie wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet? Das Gesetz erlaubt zwei Methoden für die Berechnung: den Aktiv-Aktiv-Vergleich und den Aktiv-Passiv-Vergleich. In der Praxis wird die zweite Variante am häufigsten genutzt. Dabei wird das zurückgezahlte Geld fiktiv am Kapitalmarkt angelegt. Die Differenzsumme zwischen der Rendite und dem nominalen Darlehnszins ergibt die Höhe des Schadens. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung hängt vom Einzelfall ab und richtet sich nach der Höhe der Restschuld und der Vertragskonditionen. "Dazu gehören Ratenhöhe, Zinsbindung, Kreditsumme und Zinshöhe", erklärt Knobloch. "Die durch den Bundesgerichtshof akzeptierten Berechnungsmethoden sind unnötig kompliziert und leider nur für Sachverständige nachvollziehbar", kritisiert er. "Besonders in Deutschland müssen Verbraucher hohe Vorfälligkeitsentschädigungen bezahlen."

Warum ist die Vorfälligkeitsentschädigung in Deutschland so hoch? Wer eine Baufinanzierung abschließt, wird oft nur knapp über die Bedingungen einer vorzeitigen Beendigung informiert. "Besonders in Deutschland ist das nachteilig für die Verbraucher, weil hier Immobilienkredite sehr unflexibel sind", sagt Knobloch. Das liegt insbesondere an der gesetzlichen Zinsbindung von zehn Jahren, die nur einen geringen Kündigungsspielraum ermöglicht. Außerdem lässt die mangelnde Transparenz der Berechnung und die für Laien nicht nachvollziehbare Berechnungsmethode den Geldgebern viel Raum.

Wie können Verbraucher prüfen, ob richtig gerechnet wurde? Wer die Vorfälligkeitsentschädigung nachrechen will, kann sich Hilfe bei Verbraucherzentralen holen. Vor allem Hamburg und Bremen haben sich auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung spezialisiert. Gegen eine Gebühr von 70 Euro prüfen sie die Höhe der Entschädigungssumme nach. Das dauert rund zwei Wochen. "Verbraucher sollten sich sechs Monate vor dem Verkauf der Immobilie beraten lassen", empfiehlt Achim Tiffe. So haben sie genug Zeit, um bei Abweichungen mit der Bank zu verhandeln. "Hat das Expertengutachten eine niedrigere Entschädigung ergeben, sollten Kunden das Geldinstitut auffordern, die Summe zu senken", rät Daniela Bergdolt, Fachanwältin für Bankrecht.

Wie kommen die Unterschiede zustande? Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung gibt es strittige Punkte. Dazu gehören die Sondertilgungsrechte, die bei der Berechnung laut Verbraucherschützern unzureichend berücksichtigt werden. Außerdem würden die Geldgeber beim Verwaltungsaufwand mit zu geringen Kosten kalkulieren. Die Verbraucherzentrale Hamburg zum Beispiel rechnet mit 50 Euro pro Jahr für Verwaltungskosten. Manche Banken gehen von nur zehn Euro aus. Auch bei der Bestimmung des Stichtags ist man sich uneinig.

Gibt es eine Möglichkeit, die Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen? "Wer seinen Kreditvertrag zwischen 2002 und 2010 geschlossen hat, sollte die Belehrung des Widerrufrechts prüfen lassen", rät Achim Tiffe. Die Verträge, die während dieses Zeitraums geschlossen wurden, haben oft Fehler bei der Widerrufsbelehrung. In diesem Fall kommen Kunden ohne die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung aus ihrer Baufinanzierung.

(RP)
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