Krisenzeit oder Goldgräberstimmung? Wohin steuert der Immobilienmarkt?

Steigende Bauzinsen, horrende Energiekosten und eine wackelige Konjunktur: Die Stimmung unter vielen Immobilieninvestoren könnte augenscheinlich kaum schlechter ausfallen. Doch ist die Lage in NRW wirklich so düster?

Besonders energieeffiziente Wohnimmobilien werden keinen Preisrückgang erfahren, sind sich Branchenexperten einig.

Besonders energieeffiziente Wohnimmobilien werden keinen Preisrückgang erfahren, sind sich Branchenexperten einig.

Foto: dpa-tmn/Robert Günther

Wer heute eine Immobilie kaufen möchte, braucht starke Nerven. Gleicht eine Kaufentscheidung in den großen Städten oder in ländlichen Gebieten einem finanziellen Himmelfahrtskommando? Eher nicht, behaupten Experten wie Florian Bauer, Geschäftsführer der Kölner Immobilienboutique Bauer Immobilien: „In NRW eine Wohnungsimmobilie zu kaufen, ist heute eine bessere Idee als je zuvor: In der richtigen Lage und wenn man auf die Spielregeln für Kapitalanlageimmobilien achtet. Denn viele Marktfaktoren führen dazu, dass das Angebot nach bezahlbarem Wohnraum sinkt und Mieten weiter steigen werden. Selbst wenn sich der Immobilienmarkt in den nächsten ein, zwei Jahren wegen des Krieges und der Energiekrise weiter seitlich entwickelt, wird es langfristig für Bestandsimmobilien nach oben gehen“, so Bauer.

Zu einem ähnlichen Befund kommt auch die Düsseldorfer Investmentberatung Agora Invest: „Energieeffiziente Wohnimmobilien werden keinen Preisrückgang erfahren und sich bei steigendem Nachfragedruck weiterhin positiv entwickeln.“ Tatsache bleibe allerdings, dass Kostenfaktoren bei Bestandsimmobilien – primär im Neubau (Material- und Grundstückpreise, Zinsen) kaum durch Investoren und Vermieter beeinflussbar seien, erklärt Bauer. Zumal viele Kosten politisch begründet sind. Man denke an Grundsteuer, Grunderwerbsteuer oder Sanierungsauflagen, die sich alle kostentreibend auswirken.

Um den Markt zu entspannen, seien wiederum der Bund und die Politik im Land gefordert. Doch nur Investoren und Privatleute können rein praktisch für mehr Angebot und bezahlbaren Wohnraum sorgen. Sie benötigen daher die besten Rahmenbedingungen. Dazu gehören neben der Senkung der aktuell reformierten Grundsteuer – die stets vollständig auf die Miete umgelegt wird – clevere Förderprogramme, meint Bauer. So würden sich Objekte energieeffizient sanieren lassen, was eine Senkung der Nebenkosten bedingen würde.

Attraktiv in NRW ist aus Investorensicht die derzeitige Höhe der Miete. Sie liegt im Durchschnitt bei 7,50 Euro pro Quadratmeter in NRW. In Bayern sind es dagegen schon 9,08 Euro, in Berlin 10,42 Euro. NRW bietet in diesem Vergleich damit den durchschnittlich günstigsten Wohnraum und gleichzeitig eine der größten Beschäftigungsmöglichkeiten durch den starken Mittelstand, die zweitmeisten Dax-Konzerne und die meisten MDax-Unternehmen in einem Bundesland. So kann NRW laut Experten weiter wachsen und sich die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum erhöhen – ein weiterer Faktor, welcher eine langfristige Steigerung der Immobilienpreise begünstigen würde, meint auch Bauer. Daneben beobachten Marktteilnehmer in täglichen Gesprächen mit privaten Investoren einen neuen Trend: Mieten und Kaufpreise steigen in vermeintlich unattraktiven B-Lagen gegenwärtig deutlich schneller als Vergleichsobjekte der A-Lagen in NRW. Städte wie Krefeld und Mönchengladbach gehörten jahrelang zu den Stiefkindern am Markt. Heute sind es die mit am stärksten wachsenden Zielmärkte für Privatinvestoren. Etablierte Hotspots in Köln und Düsseldorf sind allerdings trotzdem weiterhin das Maß aller Dinge.

Da die Krise zu vielen Unternehmensinsolvenzen führen kann, agieren Investoren bei Investmententscheidungen in Köln, Düsseldorf oder Teilen des Ruhrgebiets derzeit aber äußerst vorsichtig. Welche Heizung ist verbaut? Welche Sanierungen stehen an? Wie ist das Objekt vermietet? Sind gewerbliche Vermieter von möglichen Insolvenzen betroffen? All das sind die drängendsten Fragen, die Käufer umtreiben, bevor sie eine Kaufentscheidung tätigen, heißt es in vertraulichen Gesprächen.

Läuft am Ende des Tages also alles  auf die Politik in Düsseldorf und Berlin zu? Schon 2021 brodelten nicht ohne Grund die politischen Debatten hoch. Damals noch in Richtung verschärfter Mietpreisbremsen und Regularien für die großen Immobilienunternehmer. Auch heute sind die Forderungen klar: Die so dringend benötigte Quintessenz, das klare Mehrangebot von 400.000 neuen Wohnungen, bleibt aber auf der Strecke. Es mit Verweis auf die Folgen des Ukraine-
krieges als Begründung für den stockenden Neubau zu belassen, könne aber kein Alibi bleiben, behauptet wiederum Bauer.

2021/22 hätte es genügend Hebel gegeben, um den Absturz der Neubauaktivitäten zu stoppen: „Steuerliche Anreize für mehr Neubau im mittleren Wohnsegment, Entschlackung von Vorschriften, schnellere Entscheidungsprozesse in den Behörden und einfachere Genehmigungsverfahren würden stattdessen den Bau ankurbeln. Nur ein Mehrangebot an Wohnungen entspannt schließlich die Mietpreise.“

Tatsache bleibt allerdings auch, dass nachweislich entspannte Materialengpässe, die Preissenkungen von wichtigem Baumaterial zwar beschleunigt haben, den Rückgang am Bau aber nicht beheben konnten. Vervierfachte Bauzinsen seit Januar bleiben somit die größte Hürde für Häuslebauer. Gegenüber diesem Faktor zeigt sich die Politik weiter machtlos. „Ob Einzelmaßnahmen reichen, kann also angezweifelt werden“, meint der Experte. rps

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