Schockanrufe im Kreis Heinsberg „Die Betrüger werden skrupelloser“
Serie | Kreis Heinsberg · Obwohl die Masche längst bekannt ist, kommen Betrüger mit Schockanrufen im Kreis Heinsberg immer wieder zu hohen Geldsummen. Was die Polizei dazu sagt und warum eine Verfolgung so schwierig ist.
Immer wieder berichtet unsere Redaktion von Telefonbetrügern und ihren perfiden Maschen – und trotzdem gibt es nach wie vor immer wieder Fälle, in denen der sogenannte Schockanruf funktioniert – und insbesondere Senioren teilweise um fünfstellige Beträge ihres hart ersparten Geldes gebracht werden.
So übergab etwa ein Senior aus Erkelenz eine hohe fünfstellige Summe nach einem Schockanruf an einen angeblichen Polizisten, nachdem seine Tochter angeblich in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen sein sollte. In Karken übergab Ende Oktober ein Senior sogar Wertgegenstände an einen angeblichen Polizisten – hier habe angeblich sein Sohn ein Kind bei einem Unfall totgefahren und brauchte nun dringend Geld. Im August war eine 58-jährige Wassenbergerin nach einem ähnlichen Anruf bereits auf dem Weg zur Bank, um eine fünfstellige Summe abzuheben, als ein aufmerksamer Nachbar einschritt und die Polizei rechtzeitig informierte, bevor es zur Übergabe kam. Auch hier sollte der Sohn angeblich an einem tödlichen Unfall Schuld gewesen sein.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen – und in all diesen Fällen sind die Geschichten mit den Kindern und den Unfällen von den Betrügern natürlich frei erfunden. Allerdings werden sie in einer solchen Vehemenz vorgetragen, dass regelmäßig Menschen in Schocksituationen versetzt werden und auf sie hereinfallen.
Die Betrugsmaschen, ob bei Schockanrufen oder auch etwas harmloseren Whatsapp-Chats, in denen Opfer ebenfalls von ihren angeblichen Kindern kontaktiert werden, werden dabei immer wieder angepasst. „Aufgrund der Technik und der ,neuen’ Kommunikationsarten können Betrüger anonym tätig werden und müssen kaum noch in persönlichen Kontakt mit den Geschädigten treten“, erklärt Polizeisprecherin Angela Jansen. Digitale Zahlungsformen unterstützten die Maschen der Täter. „Weiter sind Betrüger insbesondere bei den Schockanrufen auch skrupelloser geworden“, findet Jansen. „Das könnte auch damit zu tun haben, dass sie tatsächlich keinen persönlichen Kontakt zu den Geschädigten haben.“
Bis Schwachstellen in einem System aufgedeckt sind und sich Maschen in der Bevölkerung so weit herumgesprochen haben, dass die „Erfolgsaussichten“ für die Täter nur noch gering sind, vergehe viel Zeit. Das Muster im Vorgehen der Betrüger habe sich in Sachen Schockanrufe bislang jedenfalls kaum verändert – und immer noch komme es regelmäßig zu Taten.
Das liege auch daran, dass die Taten kaum verfolgbar sind. Anrufe kommen meistens über verschlüsselte Nummern, häufig sitzen die Täter dabei auch im Ausland – Komplizen, die vor Ort etwa als Geldboten fungieren, sind dabei häufig nur die „kleinen Fische“. Erfolge bei der Ermittlung von Tätern gebe es im Kreis Heinsberg bisher nicht, teilt die Polizei mit. „Die Geldübergaben werden gut verschleiert ausgeführt“, sagt Angela Jansen. Immerhin: In drei Fällen konnten größere Geldübergaben durch aufmerksame Bankmitarbeiter und durch Telefonate mit dem Kind, das angeblich um Überweisung gebeten hat, vereitelt werden.
Generell sei es absolut ratsam, als Opfer eines Schockanrufs zuerst Familienmitglieder oder Bekannte anzusprechen, bevor man eine unüberlegte Entscheidung trifft. Jansen: „Insgesamt hilft es, generell etwas misstrauisch zu sein und andere vertraute Menschen hinzuzuziehen“, empfiehlt die Polizeisprecherin.
Darüber hinaus gelten die selben Regeln wie seit Jahren. Polizei, Europol oder Staatsanwaltschaft würden nie anrufen, um Geldübergaben zu veranlassen. Nie würden Übergaben an öffentlichen Plätzen oder an der Haustür stattfinden. Bei tatsächlichen Haftsachen von Angehörigen besteht immer die Möglichkeit, einen Anwalt einzuschalten. Man sollte immer den Sohn oder die Tochter über die bekannte Nummer kontaktieren, darüber hinaus weitere Bekannte. Falls das nicht möglich sei, sollte man die Polizei anrufen. Wenn tatsächlich Familienangehörige betroffen sind, sucht die Polizei einen entweder direkt zu Hause auf oder bittet einen zur Wache.