Wohnpolitik „Eigentum muss stärker gefördert werden“

Deutschland fehlt es an bezahlbaren Wohnungen. Gleichzeitig verstärkt die niedrige Eigentumsquote die Altersarmut. Immobilienexperte Tomas Peeters schlägt ein Maßnahmenpaket vor, das Abhilfe schaffen würde.

„Deutschland kann vieles von seinen europäischen Nachbarn lernen“, sagt der Belgier Tomas Peeters, CEO der Bilthouse-Gruppe. 

„Deutschland kann vieles von seinen europäischen Nachbarn lernen“, sagt der Belgier Tomas Peeters, CEO der Bilthouse-Gruppe. 

Foto: Baufi24 Baufinanzierung AG/(c) Baufi24

Materialengpässe, teure Baumaterialien, Fachkräftemangel, hohe Zinsen: Es sind viele Faktoren, die den Immobilienmarkt derzeit akut belasten. Die Wohnungsnot in Deutschland verschärft sich dramatisch. Von den 400.000 Wohnungen, die die Bundesregierung jährlich bauen wollte, ist sie weit entfernt. In diesem Jahr dürften laut Prognosen nur etwa 245.000 Wohnungen fertiggestellt werden. Und weil sich immer weniger Menschen Eigentum leisten können, weichen sie auf Mietwohnungen aus, was wiederum die Lage verschärft und die Mieten nach oben treibt.

Besonders stark sanken die Zusagen für Einfamilienhäuser im vergangenen Jahr. Laut Statistischem Bundesamt genehmigten die Behörden nur noch 78.100 an der Zahl – 16,8 Prozent weniger als 2021. Die Zahl der genehmigten Neubauwohnungen in Zweifamilienhäusern ging um 13,8 Prozent auf 27.700 zurück. Immobilienexperte Tomas Peeters sieht darin ein „Desaster mit Ansage“. Er ist Vorstandsvorsitzender der Baufi24 AG und CEO der Bilthouse-Gruppe, die sich auf die Vermittlung von Baufinanzierungen spezialisiert hat. „Die Rekordinflation und die massiv gestiegenen Energiekosten schmälern die Kaufkraft von Interessenten“, sagt er. Die Haushaltspauschalen bei der Kreditvergabe hätten sich signifikant erhöht. „Das macht es für Käufer noch schwieriger, genügend Eigenkapital aufzubringen, geschweige denn Zins und Tilgung zahlen zu können.“ Der Experte warnt vor einem weiteren, oft unterschätzten Faktor. „Das Wohnungsproblem wird zu einer tickenden Zeitbombe bei  der Altersarmut.“ Aktuell sei bereits jeder sechste Mensch über 65 Jahre von Armut bedroht – vor 15 Jahren sei nur jeder zehnte Rentner unter die Armutsgrenze gefallen. Das Rentenniveau sinke immer dramatischer ab – von aktuell 48 Prozent des mittleren Einkommens auf 42 Prozent im Jahr 2050. Maßgeblichen Anteil daran habe die geringe Wohneigentumsquote der Bundesbürger von nicht einmal 50 Prozent. Deutschland ist damit europaweit Schlusslicht. „Die Mieten steigen schneller als die Rente. Wenn wir Altersarmut vermeiden wollen, müssen wir dafür sorgen, dass mehr Menschen ins Eigentum kommen“, so Peeters. Lernen könne Deutschland zum Beispiel von den Niederlanden: Die Nebenkosten beim Immobilienerwerb machen ihm zufolge kaum ein Drittel des deutschen Niveaus aus. Die Grunderwerbsteuer liege bei lediglich zwei Prozent – für Käufer unter 35 Jahren entfalle sie ganz, was jungen Familien den Traum vom Eigenheim erleichtern soll. Damit auch Normalverdiener sich wieder Eigentum leisten können, hat sein Unternehmen jüngst ein Positionspapier veröffentlicht, in dem er für eine stärkere Eigentumsförderung plädiert. Er schlägt vor, die Eigenheimzulage, wie sie von 1995 bis 2005 bestand, wieder einzuführen; außerdem ein spezielles KfW-Förderprogramm für Wohneigentum zu deutlich reduzierten Konditionen für kleine und mittlere Haushalte. Ferner fordert Peeters, die Grunderwerbsteuer beim Ersterwerb zu streichen. „Steuervorteile sollten gewährt, die Immobilie bei der Altersvorsorge als Entlastung miteinbezogen werden“, erklärt er. Private Erstkäufer sollten außerdem Kreditzinsen komplett von der Steuer als Rentenbaustein absetzen können, ebenso die Kosten für die energetische Sanierung. Ein weiterer Baustein: die Anerkennung eines KfW-Kredits als Eigenkapital nach dem Vorbild von Schleswig-Holstein. „Auf diese Weise verfügen Schleswig-Holsteiner über mehr Eigenkapital und bekommen dadurch bessere Konditionen bei der Hauptbank. Eigentumserwerb ohne Eigenkapital wird so einfacher möglich“, so der Experte.

Entscheidend sei, das Problem von mehreren Seiten zu sehen und auch ungewöhnliche Schritte zu gehen. So seien Bürgschaften des Landes, der Gemeinde oder der Stadt für Finanzierungen von energetischen Sanierungsmaßnahmen ebenso denkbar wie Arbeitgeberdarlehen als Eigenkapitalersatz für Mitarbeiter.

Dabei sind die Menschen durchaus bereit, mehr Geld für klimafreundliches Wohnen zu investieren, wie auch eine neue Studie der Baufi24 AG gemeinsam mit der Technischen Universität Darmstadt zeigt. 82 Prozent der Befragten ziehen in Betracht, ihr Haus durch Solaranlagen, Wärmepumpen oder Stromspeicher energetisch zu sanieren. Studienleiter Professor Andreas Pfnür betont:  „Die historische Wende am Immobilienmarkt sollte nun zu einem entschlossenen Handeln auch in der Politik führen.“ Denn die meisten Menschen könnten sich eine Sanierung derzeit gar nicht leisten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort