Schauspieler auf vier Rädern

Bei teuren Filmproduktionen soll jedes Detail stimmen. Spielt die Handlung in der Vergangenheit, sind historische Fahrzeuge besonders wichtig. Doch wo kommen die Filmautos eigentlich her?

Der Schatz der Filmbranche lagert zwischen Obi und Kaufland. In einem Parkhaus im Südwesten Berlins, fast schon in Brandenburg, stehen Autos, die Sammlern das Herz höher schlagen lassen: Ein Ponton-Mercedes aus den 1950er-Jahren. Ein Ford Mustang. Ein VW-Käfer aus der Zeit des Wirtschaftswunders. Es sind Modelle, denen man im heutigen Straßenverkehr so gut wie nie begegnet. Höchstens auf Oldtimer-Rallyes, Sammlertreffen und in privaten Garagen. Oder, wie in diesem Fall, auf der Kinoleinwand.

Die Fahrzeuge, die das Parkhaus füllen, sind allesamt Filmautos. Mal dienen sie als Fluchtwagen bei einem Banküberfall, ein anderes Mal als Transportmittel für Agenten im Kalten Krieg. Nur eine Gemeinsamkeit verbindet die seltenen Karosserien: Sie sind nicht mehr die Jüngsten. "Historische Fahrzeuge werden immer gebraucht", sagt Sven Liedtke, Inhaber der Verleihfirma Moviecars, die mehrere Hundert Autos in Berlin lagert. "Wenn Filme in der Gegenwart spielen, greifen die Produzenten einfach auf Mietwagen zurück. Für alles andere gibt es uns."

Gemeint ist die Branche der Filmauto-Verleiher. Ohne den passenden fahrbaren Untersatz wären Serien wie "Babylon Berlin" oder "Weissensee" undenkbar. Die Herausforderung der Verleiher besteht darin, möglichst alle Epochen abzudecken, damit sowohl ein Weltkriegsepos als auch ein Krimi, der in den 1980er-Jahren spielt, bedient werden können. "Im Grunde sind wir wie eine Schauspielagentur", sagt Sven Liedtke, "Nur dass wir nicht Menschen, sondern Autos vermitteln." Der 44-Jährige ist seit beinahe 20 Jahren im Geschäft, er kennt die Besonderheiten der Branche - und ihre Unwägbarkeiten. "Man weiß nie, wie oft ein Regisseur eine bestimmte Szene wiederholen will", sagt Liedtke. Außerdem müsse man die Arbeitszeiten der Schauspieler und das Wetter bedenken. "Wenn Sie bei Sonne anfangen zu drehen und es am nächsten Tag regnet, können Sie nicht einfach weitermachen. Man steht zu 90 Prozent der Zeit am Set herum, aber dann muss alles ganz schnell gehen."

Um so flexibel zu sein, hält Liedtke rund 450 Fahrzeuge auf Vorrat. Ein Großteil gehört nicht ihm selbst, sondern Privatbesitzern, die sie für Filmproduktionen zur Verfügung stellen - gegen Gage, versteht sich. Hat Liedtke keine Angst, dass seine Oldies geklaut werden? Der Filmprofi lacht. "Dafür müssten sie erst mal fahrbereit sein." Ein paar Stunden Vorlauf brauche selbst er, um ein Fahrzeug flott zu machen: Batterien laden, Reifen aufpumpen, Motor checken. Auch das passende Aussehen spielt eine Rolle, damit die Oldies zum jeweiligen Film passen.

Gefragt sind laut Liedtke ganz unterschiedliche Modelle - vom Ford Mustang, der von einem amerikanischen Soldaten gefahren wird, bis hin zum Trabbi, der in einem DDR-Film zu sehen ist. Gerade ältere Modelle mit Früh- und Spätzündung, Startknopf oder Lenkrad-Schaltung seien für Schauspieler oft ungewohnt. "Beim Agentenfilm ,Bridge of Spies' bin ich am Ende selbst gefahren", erzählt Liedtke. "Tom Hanks saß neben mir und schaute zu." Manchmal würgen Schauspieler vor lauter Aufregung die Oldtimer auch ab oder vergessen ihren Text, weil sie sich so sehr aufs Fahren konzentrieren. "Zu Schäden kommt es aber so gut wie nie", versichert Liedtke. Außerdem seien alle Fahrzeuge versichert.

Wenn Produktionsfirmen ein passendes Auto suchen, können sie sich im Internet umschauen. Die Verleiher haben ihre Kataloge digitalisiert; vom Herrenfahrrad "Opel Blitz" (1930) bis zur Militär-Limousine "Buick Skylark" (1972) stehen in Deutschland mehrere Tausend Objekte zur Wahl. Die Branche der professionellen Verleiher lässt sich dabei an einer Hand abzählen, darunter "film-autos.com" (Berlin), "Cars for Movies" (Hamburg) und "Filmauto.de" (Köln). Zugleich umgibt sie eine Aura des Mysteriösen. Kaum eine Firma stand für ein Gespräch zur Verfügung. Am Set für eine Reportage dabei sein? Ausgeschlossen. Selbst Sven Liedtke schweigt eisern, wenn man ihn auf seinen Verdienst anspricht.

Gesprächiger zeigt sich der Geschäftsmann, wenn es um die Anreize für Oldtimer-Besitzer geht. Etwa 150 Euro pro Tag könnten sie verdienen, wenn sie ihr Fahrzeug für einen Dreh zur Verfügung stellten. "Das hilft ihnen, ihre Unkosten zu decken", sagt Liedtke.

(RP)
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