Wenn jede Minute zählt Warum Autofahrer in Düsseldorf oft an der Rettungsgasse scheitern

Düsseldorf · Wenn das Blaulicht leuchtet und das Martinshorn zu hören ist, dann ist die Lage ernst. Doch nur jeder zweite Autofahrer weiß laut ADAC-Umfrage, wie eine Rettungsgasse zu bilden ist. Vor welchen Problemen die Rettungskräfte in Düsseldorf stehen und was Autofahrer dürfen, wenn ein Einsatzfahrzeug anrollt, lesen Sie hier.

Lustige Polizeimeldungen aus NRW
Infos

Kuriose und lustige Polizeimeldungen aus NRW

Infos
Foto: dpa/-

180 Sekunden. Das klingt nach nicht viel. Drei Minuten sind das nur. Aber in manchen Situationen machen diese 180 Sekunden alles aus. Sie entscheiden zwischen Leben und Tod, zwischen vollständiger Lähmung oder reparablen Schäden, zwischen einem ausgebrannten Haus oder einem verkohlten Wohnzimmer. Niemand möchte die 112 rufen. Aber wenn er es doch tut, geht es um jede Sekunde.

Um jede Sekunde zu sparen, fahren Einsatzkräfte in den allermeisten Fällen mit Blaulicht und lautem Martinshorn los. Andere Autofahrer sollen dadurch erkennen: Rettungsfahrzeug im Einsatz, also Rettungsgasse bilden. Doch laut aktueller ADAC-Umfrage, weiß jeder zweite Deutsche nicht, wie eine Rettungsgasse gebildet wird.

Düsseldorf: Innerstädtisch die größten Probleme

Ein Problem, das auch die Feuerwehr in Düsseldorf sehr gut kennt: "Die größten Hindernisse ergeben sich bei uns im innerstädtischen Bereich", sagt Holger Spikowski, ehemaliger Leiter der Fahrschule der Feuerwehr Düsseldorf. "Das Problem ist, dass die meisten Autofahrer in der Stadt versuchen nach rechts auszuweichen. So viel Platz ist auf einer Seite jedoch meistens nicht, und dann stehen verschiedene Autos quer auf der Straße."

Dabei muss es nicht unbedingt einen Unfall auf der Straße gegeben haben. Schon der alltägliche Pendlerverkehr am Morgen und ab dem späten Nachmittag macht den Einsatzkräften das Leben schwer.

Viele Autofahrer sind überfordert, wenn die Rettungssirene geht

"Auf den Hauptachsen, auf allen Brücken, auf der Hüttenstraße und auf der Danziger Straße Richtung Flughafen haben die Einsatzkräfte häufig große Schwierigkeiten", sagt Spikowski.

Ein Hauptproblem macht der Experte an der Überforderung der Autofahrer fest. "Man muss sich die Situation vor Augen führen: Erstmal müssen die Fahrer ausmachen, von wo die Sirene herkommt, dann wohin das Einsatzfahrzeug fährt, drittens ob man selbst von dem Fahrtweg betroffen ist — und dann muss man auch noch überlegen, wie man jetzt richtig handelt."

Bis dieser Prozess gedanklich durchgespielt ist, dauert es eine Weile. Auch deshalb, weil viele Autofahrer mit lauter Musik unterwegs sind oder gerade per Handy telefonieren. Kommt dann die Sirene, fühlen sich die meisten unter Druck gesetzt und zeigen auf Anhieb nur eine einzige Reaktion: "Wenn ich stehen bleibe, mache ich bestimmt nichts verkehrt."

"Tatsächlich sorgt das aber oftmals sogar für noch größere Probleme. Wir hatten das etwa neulich auf der Hüttenstraße", sagt der ehemalige Leiter der Fahrschule für die Feuerwehr. "Da kamen wir mit Blaulicht und Martinshorn aus der Feuerwache und wollten Richtung Bilker Allee abbiegen und dabei links an der Straßenbahn vorbeiziehen. Doch ein Lkw stand regungslos auf einem der Fahrstreifen, und so hatten wir nicht genug Platz um abzubiegen." Der Blick in die Fahrerkabine zeigte Spikowski einen Senior, der offensichtlich dachte, das sei die richtige Reaktion auf die Sirene.

Was Sie dürfen, wenn ein Rettungswagen anrollt

Dabei sind fast alle Verhaltensweisen besser als der Tritt auf die Bremse. Rollt ein Einsatzkommando an, dürfen Autofahrer — unter Berücksichtigung des Verkehrs — folgende Dinge, um Platz zu machen:

  • sich vorsichtig rechts oder links auch bei roter Ampel an eine Straßenecke stellen
  • sich vorsichtig über ein Stoppschild tasten, um den Weg freizugeben
  • sich kurzzeitig in Einfahrten, Halteverbotszonen oder Parkbuchten stellen
  • wenn keine Ausweichmöglichkeit besteht, vor dem Rettungswagen herfahren bis man zu einer Bushaltestelle oder ähnlicher Ausweichmöglichkeit gelangt

All diese Möglichkeiten haben Autofahrer — allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie dabei weder sich selbst noch andere gefährden. "Denn es wäre ja widersinnig, wenn wir ausrücken und dann jemand bei dem Versuch, uns Platz zu machen, verletzt wird", sagt Spikowski. (Weitere Infos zum Bilden einer Rettungsgasse bekommen Sie hier.)

Natürlich gibt es aber auch diejenigen, die nicht viel auf Martinshorn oder Blaulicht geben. "Die erleben wir leider auch immer wieder", sagt der Ausbilder, "Autofahrer, die etwa an Kreuzungen einfach ganz normal weiterfahren anstatt stehenzubleiben." Besser sind die Reaktionen der Autofahrer laut dem Fahrlehrer je größer der Einsatzwagen ist. So habe ein Feuerwehrwagen in der Stadt geringere Probleme durchzukommen als ein Rettungswagen.

Auf der Autobahn wollen Autofahrer die Rettungsgasse nutzen

Ein ganz anderes Risiko gibt es laut dem Experten dagegen auf der Autobahn: Immer wieder ziehen Autofahrer in die Rettungsgasse ein, um die "freie Fahrt" auszunutzen — ein Verhalten, dass häufiger als man denkt beinahe zu Unfällen führt. "Wir trainieren unsere Einsatzwagenfahrer natürlich darauf, langsam zu fahren und darauf zu achten, ob jemand in die Rettungsgasse fährt. Aber es kommt immer wieder zu Unfällen, weil ein Autofahrer das Rettungsfahrzeug nicht kommen sieht und im falschen Moment rauszieht", sagt Spikowski.

Und es gibt noch etwas anderes, das viele Autofahrer nicht beachten: Wenn ein Rettungswagen nur mit Blaulicht fährt, ist er trotz fehlender Sirene im Rettungseinsatz. "Es ist dann nur so, dass es einen begründeten Ausnahmefall gibt, warum wir das Martinshorn nicht einsetzen, etwa weil ein Herzinfarktpatient im Fahrzeug ist, ein schwer verängstigtes Kind oder weil wir zu einem Einsatz gerufen werden, bei dem jemand droht vom Dach zu springen." Weniger brenzlig ist die Situation dann jedoch keineswegs.

Sehen Sie auf unserer Staukarte, an welchen Stellen in Düsseldorf die Anfahrt für Rettungskräfte besonders schwierig ist:

(ham)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort