Bußgeld-Vollstreckung EU-Knöllchen: Was Autofahrern droht

Düsseldorf (RPO). Autofahrer sind verunsichert: Was droht ihnen bei der Urlaubsfahrt ins Ausland, wenn sie geblitzt werden oder falsch parken? Der Bundestag hat beschlossen, dass sie auch nach Rückkehr aus den Ferien zur Kasse gebeten werden können.

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Foto: ddp

Das war bislang anders. Bußgelder durften nur an Ort und Stelle im Ausland abkassiert werden. Lediglich mit Österreich gab es ein wechselseitiges Abkommen, die Bußen durch den jeweiligen Nachbarn eintreiben zu lassen. Zwar wird das ursprünglich angepeilte Datum der Neuerung zum 1. Oktober nicht zu halten sein. Der Bundesrat wird den Beschluss erst Ende September abnicken das Gesetzgebungsverfahren damit verzögern. Doch Fakt ist, dass sich die Rechtslage für deutsche Autofahrer verschärft.

Grundsätzlich gilt die neue Vorschrift, die auf einem EU-Rahmenabkommen aus dem Jahr 2005 basiert, ab einer Bußgeldhöhe von 70 Euro. Alle Strafzettel aufgrund von Tempoverstößen, Parkverboten oder anderen Verkehrssünden oberhalb über dieser Grenze können bei uns eingetrieben werden, notfalls per Gerichtsvollzieher.

Wichtig für alle Urlauber: Maßgeblich ist das Datum des Bußgeldbescheids, nicht der Tag der begangenen Verkehrssünde. Auch in diesem Sommer begangene Verstöße können somit geahndet und vollstreckt werden, denn in vielen Ländern ziehen sich die Verfahren über Monate hin. Deswegen fällt die Verzögerung nach dem 1. Oktovber kaum ins Gewicht.

Der ADAC rät dazu, Knöllchen aus dem Ausland künftig keinesfalls nicht mehr in den Papierkorb zu werfen, sondern sich entweder dagegen zu wehren oder bei eindeutigen Verstößen zu zahlen, bevor es noch teurer wird.

Geld bleibt in Deutschland

Was der deutsche Autofahrer in der Praxis fürchten muss, steht auf einem ganz anderen Blatt. Wurde man im Ausland geblitzt und muss 500 Euro berappen, fließt das Geld in die Kasse des Landes, das die Vollstreckung betreibt — also in die deutsche. Der Ehrgeiz von Franzosen oder Italienern, die deutschen Behörden in Marsch zu setzen, dürfte sich stark in Grenzen halten, wenn sie am Ende von dem Geld nichts sehen.

ADAC-Jurist Michael Nissen verfolgt aufmerksam das Geschehen zwischen Österreich, Ungarn und Tschechien, wo das Abkommen seit zwei Jahren umgesetzt ist: "Es gab in der ganzen Zeit keinen einzigen Fall, in dem ein Staat versucht hat im Ausland zu vollstrecken", berichtet er. Der Grund liegt für Nissen auf der Hand: "Die Länder haben selbst einen hohen Verwaltungsaufwand und am Ende nichts davon. Das wirkt vermutlich als großes Regulativ."

Hoher Verwaltungsaufwand

Dass sich die Sache in Deutschland anders entwickelt, hält der Experte für unwahrscheinlich. Die formalen Anforderungen sind beträchtlich: Der Halter des Fahrzeugs muss ermittelt und alle Anschreiben müssen ins Deutsche übersetzt werden, weil sie das für die Vollstreckung zuständige Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn sonst nicht akzeptiert.

In der Sache besteht das Risiko, dass die Vollstreckung am Ende scheitert, weil sie mit deutschen Rechtsgrundsätzen unvereinbar ist. In Frankreich oder den Niederlanden beispielsweise werden Halter auch dann bestraft, wenn sie gar nicht am Steuer gesessen haben. In Deutschland hingegen wird nur der Fahrer bestraft. Die Halterhaftung darf einem deutschen Fahrer laut ADAC auf keinen Fall übergestülpt werden. Das italienische Recht kennt überdies kein Zeugnisverweigerungsrecht. Auch davor werden die heimischen Autofahrer geschützt.

Vollstreckt wird ferner dann nicht, wenn Strafzettel im Ausland dort nicht dem Strafrecht, sondern etwa dem Verwaltungsrecht oder Zivilrecht zugeordnet sind. Grund ist, dass sich das EU-Abkommen nur auf Strafsachen bezieht.

Keine Führerschein-Konsequenzen

Niemand muss im übrigen aufgrund eines Verstoßes im Ausland Punkte in Flensburg fürchten: "Die Verkehrssünderkartei interessiert sich nur für Delikte, die in Deutschland begangenen wurden", betont Michael Nissen. Entsprechend drohen keine Konsequenzen in Sachen Fahrverbot oder Führerscheinentzug.

Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen warnt der ADAC-Jurist Nissen davor, die neue Gesetzeslage zu unterschätzen: "Die Überprüfungen der deutschen Behörden greifen erst dann, wenn sich der Autofahrer wirklich erfolglos im Ausland gewehrt hat", betont Nissen und fügt hinzu: "Länder wie Frankreich führen ein ordnungsgemäßes Verfahren nur dann durch, wenn der Geldbetrag zuvor als Kaution hinterlegt wird." Da bestehe stets das Risiko, dass das Geld weg sei.

Auch wer zu einem Gerichtsverfahren im Ausland nicht erscheint, dem droht ein Abwesenheitsurteil, aus dem theoretisch vollstreckt werde kann — sofern es mit deutschen Grundsätzen übereinstimmt.

Ungeachtet aller Fallstricke und Feinstricke gilt eines ohnehin: Jedes Land kann bei jeder Wiedereinreise des Autofahrers bei einer Kontrolle zuschlagen, wenn eine Strafe offen ist. Erst nach fünf Jahren verjähren Vergehen etwa in Italien. Da wird der Wagen beschlagnahmt und womöglich geht es direkt ab zum Geldautomaten - aber nicht, um einen Betrag für die nächsten Cappuccino abzuheben.

(RPO)
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