Vorfahr von SUV und Crossover Range Rover - die Geländekutsche für den Adel wird 50

Solihull · Während der Land Rover als Allradler fürs einfache Volk gut genug war, suchte der landlustige britische Adel ein etwas feineres Arbeitstier auf Rädern. So entstand der Range Rover - und der feiert jetzt 50. Geburtstag. Als Großvater der Crossover und SUV.

Range Rover - die Geländekutsche des Adels wird 50
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Foto: dpa-tmn/Craig Pusey

Klimaschützer und Stadtplaner mögen jenen Tag irgendwann Mitte der 1960er Jahre verfluchen, als Charles Spencer King die Geschichten vom Jeep Wagoneer oder dem Ford Bronco zu viel wurden. Aber Tausende Mütter aus besseren Kreisen und Heerscharen von Abenteurern im Anzug sind dem Briten zu ewigem Dank verpflichtet - und die Queen hätte Mr. King eigentlich zum Ritter schlagen müssen.

Schließlich hat er ihr absolutes Lieblingsauto gebaut, mit dem sie bis heute und tatsächlich gelegentlich selbst am Steuer sitzend ins Wochenende startet.

Denn King war Entwicklungschef bei Rover, hatte von seinen Onkeln Spencer und Maurice Wilks als Urvätern des Defenders viel Land Rover im Blut und deshalb die Idee von einem Geländewagen, der nicht nur für die Highlands, sondern auch für die High Society taugt.

Das war die Initialzündung für die Entwicklung des Range Rovers, der als Mutter aller luxuriösen Allradler den Boden für Autos wie den Porsche Cayenne, den BMW X5, den Rolls-Royce Cullinan oder demnächst sogar einen feldwegtauglichen Ferrari bereitet hat.

Denn während der Land Rover allein für das Landleben entwickelt wurde und sich seine Meriten als Arbeitstier verdienen musste, sollte sich der Range Rover auf Boulevard und Buckelpiste gleichermaßen behaupten, erzählt der langjährige Testfahrer und Entwickler Roger Crathorne mit Blick auf dessen 50. Geburtstag.

Nicht umsonst habe Entwicklungschef King den Range Rover bei der Premiere im Juni 1970 als „vielseitigstes Auto der Welt“ gepriesen, so Crathorne. Jahrzehnte, bevor das Marketing den Begriff Crossover erfunden hat, wollte King mit dem feinen Bruder des Land Rovers das Beste aus gleich vier Welten vereinen.

Entsprechend vollmundig verkündete der erste Werbeprospekt: „Er ist erstens ein sieben Tage die Woche nutzbares Luxusmobil, zweitens ein Freizeitauto, das alle Autobahnen und Pisten unter die Räder nimmt, drittens ein Hochleistungs-Reisewagen für lange Strecken und schließlich viertens ein robuster Geländegänger.“

Oldtimer-Spezialist Frank Wilke von Classic Car Analytics in Bochum sieht in dem ersten Range Rover eine Pionierleistung: „Mit der Idee, nicht einen Kombi geländegängig, sondern einen echten Geländewagen für die Straße komfortabler und schneller zu machen, haben die Briten unbeabsichtigt das Fahrzeugsegment der SUV erfunden.“

Welch großen Schritt die Briten mit dem Range Rover gemacht haben und wie weit sie ihrer Zeit damit voraus waren, kann man noch heute ermessen: Wenn man mit einem Klassiker aus dem ersten Jahren durch sein natürliches Habitat in den schottischen Highlands rollt.

Das gilt vor allem im Winter, wenn es im Norden der britischen Insel noch trüber ist, das Wetter noch schlechter und die Streckenführung noch abenteuerlicher. Wo man in einem 50 Jahre alten Land Rover richtig am Lenkrad arbeiten müsste, unbequem säße und vor allem lausig frieren würde, fühlt man sich im Range Rover der Serie 1 dann doch wie die Queen auf ihrem schottischen Landsitz Balmoral Castle.

Man thront über den Dingen, der V8-Motor flutet den Innenraum mit molliger Wärme wie ein prasselndes Kaminfeuer. Der Beifahrer sitzt einen halben Meter weiter drüben, dazwischen eine Mittelkonsole von schier epischer Breite.

Und wenn man sich erst einmal durch die großen, aber anfangs nur vorne vorhandenen Türen auf die Rückbank gefaltet hat, geht es auch dort ausgesprochen geräumig zu. Vom Kofferraum mit der bereits damals horizontal geteilten Klappe fürs Picknick auf dem Parkplatz im Grünen ganz zu schweigen.

Zwar rühmt sich der Range Rover als die Mutter aller Luxusgeländewagen und ist mit seinem Startpreis von 23 500 Mark bei seinem Debüt in Deutschland 1972 ähnlich teuer wie ein Porsche 911 - doch im Vergleich zu aktuellen Modellen geht es in dem Erstling noch vergleichsweise spartanisch zu.

Das Armaturenbrett ist nicht etwa aus Wurzelholz, Karbon oder gebürstetem Aluminium, sondern aus schnödem Kunststoff. Auf den Böden liegen beige Wirkwaren und die Sitze sind mit einem Stoff bezogen, den man heute nicht einmal im Retro-Hotel akzeptieren würde.

Wo es heute auf Wunsch handvernähtes Leder gibt, waren damals Lammfellbezüge der neueste Schrei. Und wer braucht eine Klimaanlage, wenn sich hinten die Fenster aufschieben lassen?

Auf der Tour über die winterliche Küstenstraße NC 500 und durch die schottischen Highlands fällt aber noch ein Unterschied zu aktuellen SUV der Luxusklasse auf: Die Motorleistung. Denn mit 120 Meilen pro Stunde, also rund 193 km/h auf den Tachoscheiben haben die Briten ihr übliches Understatement ignoriert - und etwas übertrieben.

Mag ja sein, dass der alte Range Rover in seinen besseren Tagen tatsächlich 160 km/h geschafft hat und damit für einen Geländewagen seiner Zeit atemberaubend schnell war. Aber heute mag man sich das kaum mehr vorstellen und lässt es lieber betont langsam angehen.

Unter der Haube arbeitet ein bei US-Hersteller Buick eingekaufter Achtzylinder mit 3,5 Litern Hubraum und 99 kW/135 PS. Der Range Rover wiegt trotz der unverwüstlichen Aluminiumkarosserie rund zwei Tonnen, ist so windschnittig wie der Buckingham Palace und hat gefühlt einen Wendekreis wie ein Londoner Doppeldecker-Bus. In engen Kurven wankt er wie die Queen Mary bei schwerer See - Eile ist fehl am Platz.

Wenn Zeit aber etwas Relatives ist und man sich diesen Luxus der Langsamkeit leisten kann, dann versucht man gar nicht erst, durch das hakelige Zurückschalten in den dritten Gang ein paar Zehntel gut zu machen, oder den Fuß noch fester aufs Gaspedal zu pressen. Warum sportlich, wenn es auch souverän geht?

Nur an der Tankstelle geben sich der alte Range Rover und die neuen SUV nicht viel, erst recht nicht auf einer Wintertour durch die schottischen Highlands: Sie können einen guten Schluck vertragen und stehen darum vergleichsweise oft an der Zapfsäule.

Die Abkürzung SUV, das Sport Utility Vehicle, kennt bei der Premiere des Range Rovers vor 50 Jahren indes noch kein Mensch. Bis Mitte der 1980er Jahre war das Auto damit nahezu konkurrenzlos, sagt Oldtimer-Analyst Wilke. „Erst dann zogen Firmen wie Jeep mit dem Cherokee und Mercedes mit der aufgepeppten G-Klasse nach.“

Die Kunden verlangten laut Wilke immer mehr Luxus und Leistung, der Allradantrieb wurde eher zur Dreingabe und Einsätze im harten Gelände zur Ausnahme. So ist es kein Wunder, dass mittlerweile Rolls-Royce, Bentley und selbst Lamborghini Geländewagen bauen.

So sehr sich das Segment der Luxusgeländewagen weiter entwickelt hat, trifft der Range Rover aber auch als Oldtimer noch immer direkt in das Herz der Gattung: „Er ist ein zeitloser Klassiker mit Stil und viel Komfort und Leistung für Familie, Reisen, Abenteuer und Spaß“, sagt Oliver Schepp-Danne vom Land Rover Classic-Center in Essen.

Gefragt sind dabei laut Oldtimer-Analyst Wilke vor alle die ganz frühen, spartanischen Range-Rover-Modelle, die noch einen „Suffix A“ in der Fahrgestellnummer tragen, sowie die ganz späten Exemplare mit großen Motoren und Vollausstattung.

Aber genau wie seine modernen Nachfahren ist auch ein klassischer Range Rover ein teures Vergnügen: Ordentliche Autos aus den ersten Jahren taxiert Schepp-Danne auf 30.000 bis 40.000 Euro, gut erhaltene Fahrzeuge gibt es selten unter 50 000 Euro. Für komplett restaurierte Fahrzeuge müsse man mit mehr als 80.000 Euro kalkulieren.

Kaufinteressenten rät der Experte zu einigen kritischen Blicken an neuralgischen Punkten: So solle man den Rahmen immer auch innen auf Korrosion prüfen, da der meist nur gesäubert und schwarz überlackiert werde. Bei der größtenteils aus Alu gefertigten Karosserie sollte man neben Korrosion auch auf gespachtelte Oberflächen achten und bei der Innenausstattung auf Vollständigkeit und Unversehrtheit.

„Denn Ersatzteile, gerade Kunststoffteile fürs Cockpit sind schwer zu beschaffen“, warnt Schepp-Danne.

Wem das zu heikel ist, dem bietet Land Rover eine vergleichsweise teure, aber sichere Alternative: Der Autobauer hat nicht nur schon vier Generationen des Range Rover aufgelegt und inzwischen eine ganze Modellpalette um den einstigen Solitär entwickelt. Sondern er hat dem Original zur Wiedergeburt verholfen: Weltweit kauft dessen Abteilung Special Vehicle Operations handverlesene Klassiker auf, restauriert sie im Werk und verkauft sie als „Reborn“-Modelle.

Dann entspricht allerdings nicht nur der Zustand einem Neuwagen, sondern auch der Preis. Denn mit mindestens 157.000 Euro kostet der fabrikneue Range Rover der Serie 1 deutlich mehr als der aktuelle.

(felt/dpa)
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