Auto-Klassiker Retten, was zu retten ist

Oldtimer müssen sorgfältig gepflegt werden, um nicht zu verfallen. Aber man sollte es nicht übertreiben. Sonst droht der Verlust des H-Kennzeichens.

 475.000 Oldtimer – wie diese bei den Classic Days auf Schloss Dyck in Jüchen – sind in Deutschland zugelassen.

475.000 Oldtimer – wie diese bei den Classic Days auf Schloss Dyck in Jüchen – sind in Deutschland zugelassen.

Foto: Reichartz, Hans-Peter (hpr)

Ein Auto, das ist für Günter Glahn mehr als nur Mittel zum Zweck. Wo andere ein Transportmittel sehen, mit dem sie möglichst schnell von A nach B kommen, erblickt Glahn eine rollende Persönlichkeit: weiches, warmes Leder, glänzendes Chrom, funkelnder Lack. „Ein Automobil ist etwas Schönes“, sagt der 54-Jährige, der in Schallstadt bei Freiburg eine kleine Werkstatt betreibt.

Glahn hat sich auf die Pflege von Oldtimern spezialisiert. Genauer gesagt: auf die Innenausstattung. In seinem Ein-Mann-Betrieb versucht er zu retten, was zu retten ist. Er reinigt abgelatschte Teppichböden, ersetzt zerrissene Türverkleidungen, reibt sprödes Leder ein. Immer darauf bedacht, den historischen Schätzchen neues Leben einzuhauchen. „Meist geht es dabei um durchgesessene Sitze“, erzählt der Restaurateur. Besonders freut es ihn, wenn seine Kunden seine Hingabe zu altem Blech teilen. „Manche der Autos, die ich hier habe, sind über 80 Jahre alt – und viele von ihnen sind sehr gut erhalten.“

Günter Glahns Arbeitsbereich sieht eher aus wie ein Atelier. Auf dem Tisch steht eine Nähmaschine, im Hintergrund baumeln Farb-Muster wie im Möbelhaus. Eine Kollektion von Druckknöpfen, Reißverschlüssen und Spezialschrauben lagert säuberlich sortiert in einzelnen Schubladen. Und dann dieser Duft: Leder in allen Farben und Formen. Richtig gepflegt können diese Materialien sehr lange halten.

Der gelernte Autosattler weiß aber auch, dass selbst die hochwertigsten Oldies irgendwann verfallen – vor allem dann, wenn ihre Besitzer unbedacht mit ihnen umgehen, sie in der prallen Sonne parken oder über frisch gestreute Straßen jagen wie einen neuzeitlichen Pick-up-Truck. Mal sind es kaputte Sonnenblenden, ein anderes Mal Risse im Armaturenbrett oder Flecken auf dem Sitz.

Bestehendes retten statt wegwerfen: Das ist nicht nur Glahns Philosophie, sondern eine Grund-Annahme der Oldtimer-Pflege. Viele Arbeiten können die Besitzer selbst erledigen. So empfiehlt der Automobilclub AvD, Türgummis und Dichtungen regelmäßig mit schonendem Pflegemittel zu behandeln. Generell sollten alte Autos nicht zu lange in der Sonne stehen, damit die betagten Stoff- und Lederbezüge nicht ausbleichen. Bei der Reinigung sollte man immer behutsam und mit möglichst wenig Druck vorgehen. Und Putzmittel immer erst an einer verdeckten Stelle prüfen.

Auch Zierteile aus Chrom, Aluminium, Messing oder Edelstahl sollten regelmäßig mit einschlägigen Pflegemitteln behandelt werden. Bei Oberflächen, die bereits in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist jedoch besondere Vorsicht geboten: So könnten Chrom-Schichten, die sich bereits lösen, im schlimmsten Fall komplett zerstört werden. „Bei Politur und Pflege mit möglichst geringem Druck arbeiten“, rät deshalb der Automobilverband. „Schimmert das Chrom bereits gelblich, hilft meist nur noch ein Gang zum Galvanisier-Betrieb.“

All das kann schnell teuer werden. „Viele denken, ein Auto bestehe nur aus zwei Sitzen“, meint Oldie-Experte Günter Glahn. „Wenn ich ihnen dann erzähle, dass ich mehrere Monate an ihrem Auto arbeite, fallen sie aus allen Wolken.“ Allein die Restauration eines einzelnen Sitzes könne bis zu 1600 Euro kosten. Die Kosten für eine komplette Innenausstattung (inklusive Verdeck) beliefen sich bei ihm auf 8000 bis 35.000 Euro.

Im Gegensatz zu heutigen Fahrzeugen, in denen vorwiegend leichte Kunstfasern verbaut sind, kamen bei Oldtimern diverse Naturmaterialien zum Einsatz. Für die Reinigung der ledernen Sitzbezüge und Verkleidungen empfiehlt der Experte spezielle Lederseife und Ledercreme, schonend per Bauwolltuch aufgetragen.

Laut Kraftfahrtbundesamt sind in Deutschland knapp 475.000 Oldtimer zugelassen, also Autos, die älter als 30 Jahre sind. Zum Vergleich: 2010 waren es gerade einmal 188.000 Exemplare. Diejenigen von ihnen, die mit einem H-Kennzeichen unterwegs sind, genießen dabei zahlreiche Vorteile: So beträgt die jährliche Kfz-Steuer pauschal 191 Euro, unabhängig von der Emissionsklasse. Auch dürfen Autos mit H-Kennzeichen in Umweltzonen fahren, selbst wenn sie die zugelassenen Abgaswerte überschreiten. Der Grund: Historische Fahrzeuge gelten als Kulturgut, das vom Staat als erhaltenswert erachtet wird.

Wer ein H-Kennzeichen bekommen möchte, darf es beim Restaurieren aber nicht übertreiben. „Das Fahrzeug muss originalgetreu sein“, erklärt Vincenzo Lucà, Sprecher des Tüv Süd. Zeitgenössische Änderungen seien durchaus erlaubt, also etwa Sportsitze oder Rad-Reifen-Kombinationen, die es zur damaligen Zeit bereits gab. „Eine Klimaanlage oder ein neues Radio einzubauen, wäre dagegen keine gute Idee“, warnt Lucà. Natürlich dürfe jeder mit seinem Auto machen, was er will. „Aber dann muss man in Kauf nehmen, kein H-Kennzeichen zu bekommen.“ Schließlich gehe es um ein erhaltenswertes Kulturgut – da müsse die Optik stimmen. Die richtige – also originalgetreue – Innenausstattung könne sogar zu einer deutlichen Wertsteigerung führen.

Autosattler Günther Glahn möbelt in seiner Werkstatt in Schallstadt bei Freiburg Oldtimer wieder auf. Vor seiner Tür parkt ein BMW 321, Baujahr 1938.

Autosattler Günther Glahn möbelt in seiner Werkstatt in Schallstadt bei Freiburg Oldtimer wieder auf. Vor seiner Tür parkt ein BMW 321, Baujahr 1938.

Foto: Steve Przybilla

Doch was, wenn die historischen Materialien nicht mehr verfügbar sind? Und die Original-Sitzbezüge hoffnungslos zerschlissen? „Dann versuchen wir sie trotzdem zu retten“, sagt Autosattler Glahn. Im Notfall könne man auch neues Leder auf Alt trimmen und mit künstlichen Flecken versehen. „Wir arbeiten sogar Schmutz in die Nähte ein, damit die Sitze möglichst originalgetreu aussehen“, verrät Glahn. Doch auch dabei gilt das eiserne Motto: Bloß nicht übertreiben. „Das Gesamtbild zählt.“

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