Wenn der Motor streikt Beim Oldtimer wird die Ersatzteiljagd schwierig

München/Köln · Wirtschaftsexperten spekulieren gern, Oldtimer seien eine Geldanlage. Damit sie es bleiben, sind gelegentlich Zusatzinvestitionen in Ersatzteile fällig. Deren Beschaffung artet manchmal zu einer Odyssee aus - doch die Lage ist alles andere als hoffnungslos.

Die Oldtimer-Schau in Pebble Beach
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Die Oldtimer-Schau in Pebble Beach

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Foto: dpa, Thomas Geiger

Der Motor läuft nicht rund und die Lichtmaschine ist defekt. Ganz zu schweigen von dem durchgerosteten Kotflügel. Am besten weg mit dem alten Teil, ein neues muss her. So stellen sich häufig die Alltagsprobleme eines Young- oder Oldtimerbesitzers dar, egal ob er Ente oder Ponton-Mercedes fährt. Karosseriebleche und Ausstattungsteile für die Generation Ü30 von Autos und Motorrädern zu besorgen, ist oft eine große aber auch unterhaltsame Herausforderung.

Ob Renault 4, VW Käfer oder Opel Kadett - über Jahrzehnte liefen nicht nur diese Baureihen in großen Stückzahlen vom Band: Die Oldtimerszene dreht sich um etwa 130 unterschiedliche Marken. Je nach Modell, Herkunftsland und Epoche des Klassikers sowie Art des gesuchten Ersatzteils gestaltet sich die Suche unterschiedlich.

Im Internet finden sich neben zahlreichen Fan-Foren oft auf den gängigen Autoteile-Portalen auch für Oldtimer passende Ersatzteile. Die Anbieter sind zumeist Zwischenhändler für spezialisierte Lieferanten. Aber sie sind nicht immer die beste Quelle, wie Hobby-Restaurator und Sachbuchautor Heinrich Niemeier berichtet: "Im letzten Jahr habe ich dreimal einen Bremssattel über Online-Portale bestellt, und er konnte nie geliefert werden." Ist ein Teil einmal im System erfasst, wird es zwar auf dem entsprechenden Portal angezeigt, aber nicht zwingend als Lagerware geführt, erfuhr er auf Nachfrage.

Bei Teilen für Fahrzeuge nicht mehr existenter Marken verspricht die Offline-Suche oft mehr Erfolg: Aufschluss über Reparaturmöglichkeiten exotischer wie gängiger Modelle geben Zeitschriften wie "Oldtimer Markt" und "Oldtimer Praxis", "Auto Bild Klassik" oder "Motor Klassik". Sie bieten Kniffe beim Schrauben und Teilebörsen für Ersatzteil-Selbstversorger.

Neue Einnahmequelle für Autohersteller

Daneben haben viele Automobilhersteller die Ersatzteilversorgung durch eigene Klassik-Abteilungen nicht nur zur Pflege des Kulturguts, sondern auch als neue Einnahmequelle entdeckt. Volkswagen Classic Parts lagert nach eigenen Angaben bis zu 60 000 Originalteile, Porsche Classic rund 35 000 und Opel Classic Parts über 19 000. Als mindestens ebenso verlässliche Anlaufstelle für Ratsuchende bieten sich Marken-Clubs an, von denen manche sogar eigene Ersatzteillager betreiben.

Mehr als 300 Oldtimer-, Youngtimer- und Marken-Clubs verzeichnet allein der ADAC und verweist auf deren Experten. "Die Liebhaber einer bestimmten Baureihe wissen oft ganz genau, wo was am günstigsten zu bekommen ist," empfiehlt Johann König von der ADAC Oldtimer-Sektion. "Die jeweiligen Typreferenten klären die wichtigen Fragen vorab: Gibt es noch Originalteile bei Hobbybastlern, gibt es das gesuchte als Neuteil oder baut es jemand nach?"

Günter Lehmann ist Ersatzteilspezialist beim Verein Mercedes-Benz Interessen-Gemeinschaft (MBIG). "Über die 50 000 lieferbaren Originalersatzteile von Mercedes-Benz Classic hinaus können wir noch auf rund 3000 weitere verweisen, die in den offiziellen Mercedes-Preislisten nicht mehr geführt werden", berichtet er. Die rund 2500 MBIG-Mitglieder legen laut Lehmann besonderen Wert auf Qualität von Ersatzteilen. "Unsere Messlatte ist die Qualität der Originalbaujahre. Bei heutigen Nachfertigungen, auch von Mercedes-Benz, wird diese leider häufig nicht erreicht."

Die Qualitätsunterschiede zwischen originalen und nachgefertigten Teilen machen sich in Materialbeschaffenheit, Oberflächengüte und vor allem bei der Passgenauigkeit bemerkbar. Unabhängige Oldtimer-Sachverständige des Gutachter-Netzwerks Classic Data oder von Prüfstellen wie Dekra oder TÜV wissen um die Problematik.

"Repro-Teile aus asiatischen Ländern sind zwar günstiger, haben aber oft eine geringere Haltbarkeit oder Belastbarkeit", erläutert Norbert Schroeder, Oldtimer-Sachverständiger beim TÜV Rheinland. "Ein Oldtimer, der zu einem Großteil aus mäßig nachgefertigten Ersatzteilen besteht, erhält - auch wenn er handwerklich sehr gut aufgebaut wurde - eine schlechtere Einschätzung als ein mit Originalsubstanz wiederhergestellter." Bei sicherheitsrelevanten Teilen wie Achselementen oder Lenkungsteilen rät Schroeder bei der Auswahl von Nachbauteilen zu besonderer Sorgfalt.

Nofalls wird selbst gebastelt

Ist ein Stück überhaupt nicht mehr aufzutreiben, wissen sich Experten trotzdem zu helfen und produzieren im Notfall selbst. "Einen Differentialbolzen für die Hinterachsüberholung des Mercedes W 112 gibt's nicht - den muss ich eben anfertigen", sagt Günter Lehmann. Manuell hergestellte Teile sind allerdings meist erheblich teurer als Industrieware.

Finden sich gleich mehrere Anbieter eines Teils, können die Preisunterschiede immens sein. Auf Märkten und Messen Angebote zu vergleichen, ist daher für jeden Hobbyschrauber eine sportliche Herausforderung. Knatternde Motoren, ölgetränkte Kisten mit Altmetall und Benzingespräche am Imbissstand machen die Recherche zum Erlebnis. Im Netzwerk von Profis und Amateuren findet reger Austausch statt.

"Was Sie auf der Veterama nicht finden, brauchen Sie nicht", sagt Winfried A. Seidel über Europas größten Oldtimer-Teilemarkt in Mannheim und in diesem Jahr erstmals auf dem Hockenheimring. "Wir müssen die, die eine Lichtmaschine brauchen, mit jenen zusammenbringen, die eine nutzlos im Keller haben", überlegten sich die beiden Oldtimer-Sammler und Gründerväter der Veterama, Seidel und Walter Metz, im Jahr 1975. Mittlerweile müssen Besucher 26 Kilometer Wegstrecke in Kauf nehmen, wenn sie die Stände aller 4000 Aussteller ablaufen wollen. Die Veterama findet zweimal pro Jahr statt, jedes Mal kommen um die 50 000 Oldtimerbesitzer und Schrauber.

Jahr für Jahr avancieren weitere Autobaureihen zu Youngtimern oder bereichern als über 30-Jährige den Oldtimer-Bestand. Der Ersatzteilmarkt wächst. Die gezielte Suche ist sicher nicht einfach. Aber was wäre das rostigste Hobby der Welt ohne diese unterhaltsame und kommunikative Beschäftigung?

(dpa/anch)
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