Auto Öko-Reifen sollen Umwelt entlasten

Abgelöstes Mikroplastik von Reifen landet tonnenweise in der Kanalisation. Filter in Straßengullis und biologisch abbaubaren Reifen könnten helfen.

 Nicht nur Abgase, sondern auch Reifenabrieb belastet die Umwelt. Um Kanalisationen vom abgelösten Mikroplastik zu schützen, können spezielle Filtersysteme eingesetzt werden.

Nicht nur Abgase, sondern auch Reifenabrieb belastet die Umwelt. Um Kanalisationen vom abgelösten Mikroplastik zu schützen, können spezielle Filtersysteme eingesetzt werden.

Foto: Funke Kunststoffe

Daniel Venghaus gehört zu den vorausschauenden Autofahrern. „Abruptes Anfahren und Bremsen versuche ich zu vermeiden“, sagt der 35-Jährige. Mit seinem Fahrstil minimiert er nicht nur die Unfallgefahr, er schont auch die Reifen seines VW Busses. Das kommt der Umwelt zugute.

Denn Kfz-Reifen hinterlassen bedenkliche Rückstände: Unzählige Gummiteilchen durch Profilabrieb. Teils sind die mikroskopisch klein. Doch in der Masse stellen sie ein großes Problem für die Umwelt dar, genauso wie Abgase. Denn auch wenn Reifen von Autos und Lastwagen einen robusten Eindruck machen: Im Alter und durch die Benutzung über zehntausende von Kilometern nutzen sie sich ab und erodieren. Die abgelösten Gummi-Teilchen landen tonnenweise in der Umwelt.

 Continental forscht an einem Reifen aus dem Wurzelsaft des Löwenzahns.

Continental forscht an einem Reifen aus dem Wurzelsaft des Löwenzahns.

Foto: Continental/DIETER SIEG WWW.BLUESTUDIO

Allein in Deutschland fallen laut Umweltbundesamt jedes Jahr 600.000 Tonnen Altreifen an, deren Entsorgung aufwendig ist. Das Recyclingverfahren kann aufgrund der Materialien nur von Spezialfirmen erledigt werden.

Hinzu kommen die bedenklichen Rückstände auf der Fahrbahn. Laut einer Studie der Weltnaturschutzunion IUCN sind Autoreifen für über ein Viertel des Mikroplastiks in den Weltmeeren verantwortlich. Das Umweltbundesamt schätzt, dass allein auf deutschen Straßen pro Jahr rund 110.000 Tonnen Reifenabrieb entstehen. Daniel Venghaus ist Wissenschaftler an der Technischen Universität (TU) Berlin. Dort untersucht man in mehreren Forschungsprojekten das genaue Ausmaß des Gummiabriebs im Straßenverkehr. Beteiligt sind unter anderem der Reifenhersteller Continental, der Volkswagen-Konzern und Unternehmen aus der Analyse- und Messtechnik. Venghaus fährt regelmäßig mit dem VW Bus seines Instituts in die Clayallee. Auf der Magistrale im Berliner Südwesten sind jeden Tag 30.000 Kraftfahrzeuge unterwegs. In den Straßengullis haben die TU-Forscher verschiedene Filtersysteme installiert. Sie sollen den Straßendreck auffangen, bevor er in die Gewässer gelangt.

 Der Innolet-Straßenablauffilter kommt in Kanalisationen zum Einsatz.

Der Innolet-Straßenablauffilter kommt in Kanalisationen zum Einsatz.

Foto: Funke Kunststoffe

Getestet werden zwei Systeme der Firma Funke Kunststoffe sowie des Straßenkanal-Herstellers MeierGuss. Erste Untersuchungen sind vielversprechend: „Im Laborbetrieb konnten wir über beide Systeme erfolgreich Plastikpartikel aus Niederschlagswasser herausfiltern“, sagt TU-Forscher Venghaus. Konkrete Ergebnisse sollen im Frühjahr vorliegen.

Auch die Reifenhersteller haben das Problem erkannt. Continental beispielsweise forscht an einem Reifen aus Löwenzahn, der die Rohstoffgewinnung nachhaltiger machen soll. Die Pflanze ist recht anspruchslos und kann auch in der nördlichen Hemisphäre angebaut werden. Ihre Wurzel enthält Latexsaft – einen Hauptbestandteil der Pneus. „So ist die Kautschukproduktion in der Nähe unserer Reifenfabriken denkbar. Und die viel kürzeren Transportwege würden den CO2-Ausstoß reduzieren“ , erklärt Continental. Denn bislang sind die Reifen-Hersteller weitgehend auf den Kautschukbaum in den weit entfernten Tropen angewiesen.

Im Dezember eröffnete Continental in Mecklenburg-Vorpommern ein Versuchslabor, um den Anbau von Löwenzahnkautschuk weiter zu erproben. Bei positiven Ergebnissen soll der Rohstoff in einigen Jahren in der Serienproduktion eingesetzt werden. Geforscht wird von den Reifen-Herstellern zudem auf dem Gebiet biologisch abbaubarer Materialien. So stellte Michelin die Studie „Visionary Concept“ vor, einen Konzeptreifen, der ohne Luft rollt. Die Lauffläche soll die gleichen Qualitäten und Fahreigenschaften wie die von konventionellen Reifen haben.

Zudem soll der Pneu auf Naturkautschuk und anderen kunststofffreien Materialien basieren und zu 100 Prozent recycelbar sein. Doch bis zur möglichen Serienreife wird es auch hier noch einige Jahre dauern.

Die Filtersysteme für Straßengullis, die von der TU Berlin getestet werden, wären im Prinzip schon jetzt einsetzbar. Doch eine flächendeckende Installation wäre sehr teuer. Ein Straßenablauffilter der Firma Funke kostet circa 1500 Euro. Zudem empfiehlt das Unternehmen, den Filtereinsatz – ein Granulat aus Tonmaterialien, das Tropföle, Schwermetalle und eben Mikroplastik auffängt – jährlich zu wechseln. Sinnvoll wäre daher wohl vorerst eine Konzentration der Filter auf Hauptverkehrsstraßen.

„Die Filter könnten beim Herausfiltern von Mikroplastik eine gute Sache sein, aber sie werden wohl nur eine Teillösung sein“, meint TU-Forscher Daniel Venghaus. Der Eintrag von Reifenabrieb in die Straßenabflüsse könne aber auch auf andere Weise minimiert werden – etwa über verbesserte Techniken der städtischen Straßenreinigungen. Denkbar wäre etwa, die Kehrmaschinen mit verbesserten Auffangsystemen auszurüsten. Zudem könnte eine Optimierung der Verkehrsführung den Reifenabrieb reduzieren – etwa durch intelligente Ampelschaltungen (Grüne Welle) oder geschickte Straßenführungen.

Darüber hinaus kann jeder Autofahrer selbst etwas gegen die Umweltverschmutzung durch Profilabrieb tun: indem man stets vorausschauend fährt und starke Brems- und Anfahrmanöver vermeidet.

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