Gesetze verfassungswidrig Zwei Länder stoppen Kennzeichen-Scan

Düsseldorf (RPO). Nach dem Urteil aus Karlsruhe haben Hessen und Schleswig-Holstein die automatische Erfassung von Autokennzeichen mit sofortiger Wirkung gestoppt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die umstrittenen Fahdungsmethoden am Dienstag für nichtig erklärt.

Wie unsere Kennzeichen gescannt werden
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Foto: ddp

Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) ordnete am Dienstag in Wiesbaden an, sämtliche Lesegeräte bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung nicht mehr zu verwenden. Bouffier sagte, er bedauere die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Sie erschwere die Kriminalitätsbekämpfung. Man müsse jetzt sehr genau prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen Kennzeichenlesegeräte zur Gefahrenabwehr eingesetzt werden können.

Schleswig-Holsteins Innenminister Lothar Hay (SPD) erklärte, bei dem Kennzeichenscanning bestehe "ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag". In seinem Land seien seit Beginn der Erprobung im vergangenen August nur 26 Verstöße gegen die Versicherungspflicht festgestellt worden, obwohl 131.000 Kennzeichen gescannt worden seien. Die automatische Kontrolle habe sich "als ungeeignetes Instrument zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erwiesen", sagte Hay.

Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass die automatische Erfassung von Autokennzeichen nur unter strengen Auflagen zulässig ist. Kennzeichen ohne Anlass, "ins Blaue hinein" und flächendeckend zu erfassen, sei unzulässig. Damit erklärten die Karlsruher Richter die in Hessen und Schleswig-Holstein praktizierte Kennzeichenerfassung für verfassungswidrig und nichtig.

Bayern erfasst Kennzeichen weiter

Bayern wird sein Polizeigesetz auch nach dem Urteil aus Karlsruhe nicht ändern. Autokennzeichen würden nach der bayerischen Regelung nur dann gespeichert, wenn sie vom Bundeskriminalamt oder im Schengen-Informationssystem zur Fahndung ausgeschrieben seien, erklärte Innenminister Joachim Herrmann am Dienstag in München. "Alle anderen Daten werden sofort und unwiederbringlich gelöscht." Das Fahndungsinstrument sei notwendig. Auch ein Mörder auf der Flucht sei damit im Freistaat gefasst worden.

Bayern werde allerdings vorerst keine Sonderkontrollen mehr durchführen, bei denen Kennzeichen auch mit anderen Polizeidaten abgeglichen würden. Nach dem Karlsruher Urteil sei zu prüfen, ob diese Polizeidaten konkreter beschrieben werden müssten, sagte Herrmann.

Auch Niedersachsen fühlt sich von der Karlsruher Rechtssprechung unberührt. "Wir sind in Niedersachsen von dem Urteil nicht betroffen, da wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Praxis schon längst umsetzen", sagte der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) der AP.

Zypries: Keine Auswirkungen

Die Karlsruher Entscheidung zur automatischen Erfassung von Autokennzeichen wird nach Auffassung von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries keinerlei Auswirkungen auf die Bundespolitik haben. "Weder hat sie Auswirkungen auf das BKA-Gesetz, noch hat sie Auswirkungen auf die Strafprozessordnung, so dass wir keinen Diskussionsbedarf auf Bundesebene haben", sagte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin.

Vor zwei Wochen hatte das Bundesverfassungsgericht bereits das nordrhein-westfälische Landesgesetz zu den Online-Durchsuchungen gekippt. Zypries sagte zu den Vorgaben der Karlsruher Richter für den Datenschutz in der Landesgesetzgebung: "Es geht um das Austarieren von Freiheit und Sicherheit. Und da hat das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort."

Die Landesgesetzgeber müssten nun ihre Gesetze überarbeiten, falls sie die Erfassung von Autokennzeichen nochmals in Angriff nehmen wollten. "Ansonsten reicht es ja, wenn sie die Norm streichen", sagte die Justizministerin.

Karlsruher Entscheidung begrüßt

Der ADAC hat das Karlsruher Urteil zur automatischen Kennzeichenerfassung begrüßt. Das Bundesverfassungsgericht habe die massiven Bedenken an der Massenüberwachung geteilt, teilte der Automobilclub am Dienstag mit. "Die Kontrollen werden zum Teil verdeckt, lückenlos und ohne jeden Anlass oder Verdacht durchgeführt", erklärte ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte die Länder auf, zügig für verfassungskonforme Rechtsgrundlagen zu sorgen. GdP-Chef Konrad Freiberg erklärte: "Die Polizei braucht moderne Fahndungsmittel auf einwandfreier Rechtsgrundlage." Er warf Sicherheitspolitikern vor, zunehmend handwerklich schlecht zu arbeiten. "Wieder einmal ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der letzten Jahre ignoriert worden."

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