Experte nennt Gründe für hohen Spritpreis Zahlen wir bald 1,70 Euro für Benzin?

Düsseldorf · Die Autofahrer müssen nach dem teuersten Tankjahr aller Zeiten weiter tief in die Tasche greifen: Die Benzinpreise erreichten neue Rekordwerte. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Rainer Wiek vom Hamburger Energie-Informationsdienst EID, warum der Sprit so teuer ist und ob wir bald 1,70 Euro pro Liter zahlen.

2012: Was treibt den Spritpreis nach oben?
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2012: Was treibt den Spritpreis nach oben?

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Foto: ADAC

Herr Wiek, warum zahlen Autofahrer derzeit Rekord-Spritpreise?

Wiek: Rohöl wird auf dem Weltmarkt zu hohen Preisen gehandelt. Die Nachfrage ist ungebrochen. Und der Preis an der Tankstelle richtet sich nun mal zum großen Teil nach diesem Rohstoff. Seit 2008 steigt der Rohölpreis stetig. Vor knapp vier Jahren lag er bei 40 Dollar pro Barrel, 2011 fiel er zum ersten Mal im Jahresdurchschnitt nicht unter die 100-Dollar-Grenze. Wir müssen uns auf dauerhaft hohe Preise einstellen.

Knacken wir noch diese Woche die 1,70-Euro-Marke?

Wiek: Ich gebe keine Prognosen bezüglich des Spritpreises ab. Das habe ich mir abgewöhnt. Fakt aber ist: Der Markt ist momentan sehr aufgeregt. Und ein aufgeregter Markt deutet auf steigende Benzinpreise hin. Möglich ist alles.

Welche Faktoren treiben den Benzinpreis hoch?

Wiek: Neben dem Rohölpreis ist der schwache Euro ein Grund für den Höhenflug. Auf dem Weltmarkt wird Öl in Dollar gehandelt. Ist der Euro im Verhältnis zum Dollar schwach, steigen bei uns die Importkosten. 2008 hatten wir ein viel stärkeren Euro. Deswegen sind in diesem Jahr die Preise an den Zapfsäulen auch höher.

Welche Rolle spielt der Konflikt mit dem Iran?

Wiek: Die Situation trifft auch uns. Sie ist angespannt und könnte sich verschärfen. Die These, Deutschland beziehe doch nur rund fünf Prozent iranisches Öl und das meiste aus Russland, ist ein Trugschluss: Ist weniger Öl aus dem Iran auf dem Markt, wird das auch Auswirkungen auf russisches Öl haben - die Preise werden steigen, weil die Nachfrage steigt. Der Iran ist einer der weltweit größten Förderer mit den höchsten Öl-Reserven. Sollte sich der Konflikt verschärfen, werden auch wir die Auswirkungen an der Zapfsäule spüren.

Die der europäischen Finanz-Krise spüren wir seit langem.

Wiek: Faktisch mag die Schuldenkrise in Europa da sein. Nur interessiert das einen Händler in Asien nicht wirklich. Die Welt zeigt sich in diesem Punkt unbeeindruckt, wenn es um die Preise für Rohöl geht. Ein weiterer Faktor sind die Händler in unserer globalen Wirtschaftswelt. Sie fluten derzeit die Märkte mit Geld und investieren besonders in Rohstoffe wie Öl. In diesem Bereich wird mit viel Geld spekuliert.

Funktioniert unser Tankstellenwettbewerb?

Wiek: Im Verhältnis gesehen haben wir sogar sehr gute Preise. Die vielen Preisbewegungen an den Zapfsäulen sind ein Zeichen, dass der Markt intakt ist, mehr noch: In meinen Augen ist es ein sinnvoller Mechanismus, wenn die Preise stetig schwanken. Denn damit reagieren die Konzerne auf das Tankverhalten der Autofahrer.

Bei diesen Spritpreisen reibt sich der Bundesfinanzminister die Hände.

Wiek: Natürlich. Über die Mehrwertsteuer verdient der Staat viel Geld. Die Rechnung ist einfach: Je höher der Spritpreis desto höher sind auch die fiskalen Einnahmen. Eine Sache dürfen wir aber nicht vergessen: In anderen Ländern sind die Steuern auf Kraftstoff bei weitem nicht so hoch wie bei uns. Vor Steuern sind wir in Deutschland europaweit mit am günstigsten.

Hat die Einführung des Biosprits E10 den Markt verändert?

Wiek: Ich wundere mich täglich über den deutschen Autofahrer. Der sonst so preissensible Verbraucher fährt kilometerlange Umwege, um eine Tankstelle zu finden, die den Sprit einen Cent günstiger anbietet. Die Annahme, der Deutsche schaue insbesondere beim Auto auf sein Geld, wurde durch E10 konterkariert. Der Kunde bezahlt seit Monaten freiwillig drei Cent mehr für das alte Super Benzin, obwohl neun von zehn Autos den Biosprit tanken könnten.

Sinkt der Spritpreis, wenn mehr E-Autos auf den Straßen fahren?

Wiek: Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert bis 2020 eine Million E-Autos in Deutschland. Bei über 40 Millionen zugelassenen Pkw wären dies nur 2,5 Prozent. Es ist zu vermuten, dass die Auswirkungen auf den Benzinpreis gleich null wären.

(nbe)
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