Knochenjob Fernfahrer "Wir sind nur noch die Idioten"

Berlin · Überfüllte Parkplätze, Stress, immer mehr Arbeit und wenig Anerkennung - so sieht der Alltag vieler Fernfahrer heute aus. Das muss sich aus Sicht von Experten ändern, damit das Nachwuchsproblem gelöst wird.

A45: Schwerer Lkw-Unfall sorgt für Vollsperrung
5 Bilder

A45: Schwerer Lkw-Unfall sorgt für Vollsperrung

5 Bilder

Das Gefühl von Abenteuer und Freiheit erleben, so wie einst Manfred Krug als Fernfahrer in der Serie "Auf Achse" - davon träumen viele Brummifahrer. Doch die Realität sieht anders aus. Gegängelt von Fahrtenschreibern, Ruhezeiten, Kostendruck und Billig-Konkurrenz aus Osteuropa arbeiten viele im Dauerstress. Trotzdem würde sich immerhin noch mehr als jeder zweite Fahrer erneut für seinen Beruf entscheiden, ergab eine in Berlin vorgestellte Studie der Hochschule Heilbronn.

Doch die Branche hat ein Nachwuchsproblem: 40 Prozent der Fahrer sind 50 Jahre und älter und gehen in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Die Zahl der Auszubildenden kann diese Lücke nicht füllen. Die Arbeitsbedingungen, Bezahlung, aber auch die Anerkennung müsste sich verbessern, zeigte die Studie. Unzufrieden sind demnach besonders die Fahrer im internationalen Fernverkehr, die im Schnitt fast 63 Stunden pro Woche arbeiten.

Einer von ihnen ist der Niedersachse Hans-Dieter B.. Seit 42 Jahren ist er auf Achse. Lange hat sich der heute 63-Jährige gefühlt wie "der kleine Pilot in der großen weiten Welt". "Man war noch was und hat gutes Geld verdient", erinnert er sich. Doch heute ist die Arbeit für ihn nur noch eine Last. "Wir sind doch nur noch die Idioten, die die Autofahrer dabei hindern, ihre Freiheit auszuleben. Man ist doch nichts mehr wert", glaubt er.

Essen zu teuer

Er lebe längst "aus der Kiste", denn das Essen in den Raststätten könne er sich einfach nicht mehr leisten. "2,80 Euro für einen Pappbecher Kaffee sind einfach nicht drin", sagt er. Nur mit Glück erreiche er oft gute Raststätten in der gesetzlichen Fahrzeit oder ergattere dort einen Parkplatz. Nicht selten müsse er seine Ruhepausen auf einsamen Rastplätzen verbringen. "Drei Mal wurde ich dort schon überfallen", erzählt der Fernfahrer.

Bis zu drei Wochen am Stück ist er oft unterwegs. "Meine Ehefrau hat dafür Verständnis und unsere Kinder sind zum Teil sogar unterwegs entstanden", erzählt der Fahrer. Doch in anderen Familien sähe das ganz anders aus. "Mich hält nur noch bei der Stange, dass ich ab und zu alte Kollegen auf der Straße treffe und der Chef weit weg ist. Ich bin eben kein Hund an der Leine", sagt er.

Der Fahrer beobachtet, dass immer mehr Kollegen aus Polen und anderen Ländern Osteuropas unterwegs sind. "Es wird der Tag kommen, an dem nur noch jeder zweite Arbeitsplatz von einem Deutschen besetzt ist", prophezeit auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, Karlheinz Schmidt.

Schulungen aus eigener Tasche

Für den Bundesvorsitzenden der Kraftfahrergewerkschaft, Wilhelm Schnieders, liegen die Gründe für den Fahrermangel auf der Hand: "Schlechte Arbeitsbedingungen, geringe Löhne und die fehlende gesellschaftliche Anerkennung des Fahrerberufs". Auch die Kosten für den Führerschein seien zu hoch. Hinzu komme, dass die Fahrer, die etwa zwischen 1500 und 2500 Euro brutto verdienen, oft auch diverse Nachschulungen und Tests aus eigener Tasche zahlen müssen, sagt Hans-Dieter B..

Karlheinz Schmidt fordert, dass die Fahrer ein angemesseneres Arbeitsumfeld bekommen. Das fange schon bei den Parkplätzen an, die nur unzureichend vorhanden seien. Und an den Rampen der Händler passiere es, dass den Fahrern statt einer Toilette ein Busch gezeigt wird. "Das ist einer mitteleuropäischen Zivilisation nicht würdig."

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort