Lesen, Trommeln, Simsen Was Fahrer so am Steuer treiben

Düsseldorf (RP). Zu viele Trucker lenken sich am Steuer von der Fahrt ab und werden zur Gefahr. Weil es in der Gesetzgebung eine Lücke gibt, ist das nicht immer verboten. Eine mögliche Lösung scheiterte nun am Einspruch von Juristen.

Was Lkw-Fahrer am Steuer treiben
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Foto: Land Baden-Württemberg

Zeitung lesen, Fußnägel schneiden, mit Schlagzeugstöcken trommeln, Faxe schicken, E-Mails beantworten, Fernsehen gucken, Briefe schreiben. Das alles passiert täglich. Auf der Autobahn bei Tempo 80. Am Steuer eines Lkw. Beobachtet von der Polizei in Baden-Württemberg, die extra dafür ein Wohnmobil mit Kameras ausrüsten ließ.

Bilder, bei dessen Anblick sogar Lobbyisten vor Wut kochen: "Diesen Irren muss der Führerschein entzogen werden", sagt Marcus Hover, Sprecher des Verbandes Güterkraftverkehr und Logistik Nordrhein. Er habe keine Ahnung, was in den Köpfen von Menschen vorgehe, die einen 40 Tonner lenken und "so einen Unsinn anstellen".

Doch mehr als beobachten ist oft nicht möglich. Weil die gesetzliche Grundlage fehlt, um zu handeln. Denn die Straßenverkehrsordnung erlaubt es erst dann einzugreifen, wenn andere Autofahrer nachweisbar gefährdet oder behindert werden. Überspitzt gesagt heißt das: Am Steuer können sich Trucker fast jedes Laster erlauben, bis sie in Schlangenlinien fahren, keinen Abstand halten oder einen Unfall bauen - der eindeutige Nachweis einer Gefährdung.

Und in NRW ist die Zahl der Lkw-Crashs vergangenes Jahr im Vergleich zu 2005 um fünf Prozent auf 23729 gestiegen: 165 Menschen starben dabei, 1577 wurden schwer, 6520 leicht verletzt. Zu den Hauptursachen zählten zu geringer Abstand und zu hohe Geschwindigkeit. Daran war nicht immer ein anderweitig beschäftigter Fahrer schuld. Doch im Nachhinein lässt sich das nur schwer sagen. Und welcher Trucker würde zugeben, dass seine Hände und Augen ganz woanders waren-nur nicht am Steuer und auf die Straße gerichtet?

Dabei besteht schon jetzt die grundsätzliche Pflicht, nicht den Verkehr zu gefährden oder sich selbst die Sicht zu versperren. Dem Innenministerium NRW reicht das, um Fahrer, die eine Gefahr darstellen, zumindest zu ermahnen. Doch mehr als Verwarnungsgeld ab 20Euro aufwärts ist nicht drin.

Das Land Baden-Württemberg dagegen möchte mehr. Vor allem möchte es prophylaktisch und vorab gegen offensichtlich unaufmerksame Lkw-Fahrer vorgehen, noch bevor sie einen Unfall bauen. Das sei schon vergangenes Jahr so auf Bund- und Länder-Ebene abgestimmt worden, heißt es aus Baden-Württemberg. Und im Prinzip seien sich auch alle einig gewesen. Aber nur im Prinzip. Und bevor das Bundesjustiz- und das Bundesverkehrsministerium den Vorstoß Baden-Württembergs aushebelten.

Das Land wollte alles, was nichts mit dem Fahren zu tun hat und die Aufmerksamkeit des Fahrers ablenkt, verbieten. Doch das verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot im Grundgesetz, das den Staat zur hinreichend genauen Formulierung seiner Gesetze verpflichtet, heißt es aus den Bundesministerien. Und beim Landesvorstoß wäre eben nicht klar, was bestraft wird und was nicht. Wie steht es mit dem Einschalten des Radios, dem Anzünden einer Zigarette? Nichts davon hat mit dem Verkehr zu tun-alles kann den Fahrer ablenken.

"Wir arbeiten an einer geeigneten Formulierung", heißt es aus den Bundesministerien. Eine Liste mit "erlaubt" und "verboten" werde es aber nicht geben. Und "sogar Naseputzen zu verbieten, kann nicht der Weg sein", findet auch Hover.

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