Umweltzonen in deutschen Städten Was die blaue Plakette bringen soll

Berlin · Das Bundesumweltministerium will mit einer blauen Plakette Kommunen ermöglichen, Fahrverbotszonen für alte Diesel-Autos einzurichten. 13 Millionen Fahrzeuge könnten betroffen sein, Verkehrspolitiker lehnen den Plan ab. Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.

 Auf einer Anzeige wird Feinstaub-Alarm für die Umweltzone Stuttgart angezeigt. Damit deutsche Städte sauberer werden, soll es nun eine vierte Umweltplakette geben.

Auf einer Anzeige wird Feinstaub-Alarm für die Umweltzone Stuttgart angezeigt. Damit deutsche Städte sauberer werden, soll es nun eine vierte Umweltplakette geben.

Foto: dpa, mut

In deutschen Städten muss die Luft sauberer werden. Außer im Saarland und in Mecklenburg-Vorpommern wurden zuletzt in jedem Bundesland wiederholt zu hohe Schadstoffwerte gemessen. Neben der Feinstaubbelastung betrifft das vor allem überschrittene Grenzwerte für Stickstoffdioxid, das zumeist von alten Diesel-Fahrzeugen ausgestoßen wird. Deshalb wollen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und ihre Amtskollegen der Länder eine blaue Umweltplakette einführen. Autos, die nicht die Anforderungen der Plakette erfüllen, droht künftig an bestimmten Stellen ein Fahrverbot.

Die Umweltminister der Länder haben Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) den Auftrag erteilt, eine neue Plakette für Fahrzeuge mit wenig Stickoxid-Ausstoß einzuführen. Geplant ist, neben der grünen, gelben und roten Plakette künftig auch eine blaue einzuführen. Sie soll Autos kennzeichnen, die nur wenig Stickstoffdioxid ausstoßen — also beispielsweise die Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Ist das geschehen, können Kommunen neben den bestehenden Umweltzonen bestimmte Bereiche festlegen, in denen nur Autos mit einer blauen Plakette fahren dürfen. Für alle anderen besteht dort ein Fahrverbot. Voraussichtlich werden diese neuen Zonen jedoch räumlich deutlich kleiner sein, als bisherige Umweltzonen. Eine Pflicht, bestimmte Verbotszonen einzurichten, wird es nicht geben. Die Kommunen können selbst entscheiden, ob und ab wann sie das tun.

Die Umweltminister versprechen sich von Fahrverbotszonen für Autos mit schlechten Abgaswerten eine deutliche Verbesserung der Luftqualität. Die bisherige Plaketten-Regelung zielte darauf ab, die Feinstaubbelastung zu senken. Jetzt geht es darum, den Anteil an Stickstoffdioxid (NOx) in der Luft zu reduzieren. Stickoxide sind gesundheitsschädlich und können Erkrankungen der Atemwege (Asthma, Bronchitis) oder des Herz-Kreislaufsystems auslösen. 2015 wurden jedoch an 60 Prozent aller Messstationen in Deutschland überschrittene Grenzwerte festgestellt.

Klar ist, dass ältere Dieselfahrzeuge (Pkw und Nutzfahrzeuge wie Lkw) für den meisten NOx-Ausstoß verantwortlich sind. Ihnen droht also künftig ein Fahrverbot in den neuen Zonen der Städte und Gemeinden. Eine blaue Plakette erhalten den Plänen zufolge Diesel-Fahrzeuge hingegen nur dann, wenn sie die Abgasnorm Euro 6 erfüllen (maximal 80 Milligramm NOx je Kilometer). Das trifft in Deutschland jedoch nur auf rund 500.000 Diesel-Autos zu. Mehr als 13 Millionen Diesel-Fahrzeuge haben einen höheren Ausstoß.

Für Benziner und Elektrofahrzeuge soll sich nichts ändern. Jeder Benziner, der derzeit schon eine grüne Plakette hat, würde automatisch eine blaue Plakette erhalten. Außerdem gilt: Wer eine blaue Plakette hat, darf jede bestehende Umweltzone befahren. Niemand benötigt also zwei Plaketten an der Windschutzscheibe. Zudem wird es laut Bundesumweltministerium längere Übergangsfristen und Ausnahmen geben, um soziale Härtefälle zu vermeiden.

Wer einen Blick in die Statistiken des Umweltbundesamtes wirft, findet rund 90 Städte, in denen mancherorts der NOx-Grenzwert in der Vergangenheit zu hoch war. Besonders betroffen davon sind Großstädte wie Berlin, Bremen, Dresden, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Kiel, Köln, Mannheim, München, Nürnberg, Stuttgart und Wiesbaden. In Baden-Württemberg wurden in insgesamt 23 Städten erhöhte Grenzwerte gemessen, in Hessen waren zehn Kommunen betroffen, in NRW insgesamt 31, in Rheinland-Pfalz Koblenz, Ludwigshafen und Mainz.

Die EU schreibt einen jährlichen Durchschnittswert von höchstens 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft vor, diesen Wert dürfen die Städte nicht überschreiten. Weil das in der Vergangenheit jedoch zu oft der Fall war, ist ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet worden. Voraussetzung für Fahrverbote bleibt dennoch, dass die Kommunen tatsächlich solche neuen Zonen für blaue Plaketten einführen wollen.

Ob es mehr Kontrollen der Fahrverbotszonen und Plaketten geben wird, ist nach Angaben des Bundesumweltministeriums den Kommunen überlassen. Bisher gilt: Wer durch eine Umweltzone fährt und keine grüne Plakette hat, muss mit 80 Euro Bußgeld rechnen.

Bundesumweltministerin Hendricks will noch in diesem Jahr eine entsprechende Verordnung verabschieden, der aber auch der Bundesrat zustimmen muss. Die rechtlichen Voraussetzungen wären damit gegeben. Die Umsetzung liegt dann bei den Kommunen, 2017 könnten bereits erste Zonen kommen.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat der Idee für eine blaue Plakette und Fahrverbote eine Absage erteilt. Der "Bild am Sonntag" sagte Dobrindt, die Pläne seien "vollkommen unausgegoren und mobilitätsfeindlich." Das Ergebnis wäre ein faktisches Einfahrtverbot für Dieselfahrzeuge, so der CSU-Politiker. Eine solche Regelung werde er nicht akzeptieren.

(jd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort