Absurde Lust Unfall-Gaffer im Internet

Bonn/München (RPO). Ein immer größer werdender Kreis von Internetnutzern findet Gefallen daran, sich in bewegten Bildern absurde, gefährliche und nicht selten tödliche Autounfälle anzuschauen. Experten beobachten das Phänomen mit Sorge.

Extreme Unfälle und zerstörte Luxusautos
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Extreme Unfälle und zerstörte Luxusautos

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Wie sehr sich die Lust am Unfall-Video in den Vordergrund gespielt hat, zeigt schon die Nutzung der beliebten Internet-Suchmaschine Google. Wer dort den Begriff "Autounfälle" eingibt, gelangt nicht - wie noch vor einiger Zeit - zu Statistiken oder Berichten zum Verkehrsgeschehen. Vielmehr erscheinen an den ersten Stellen Hinweise auf "krasse Videos" von "extremen Unfällen", oder Videosammlungen über "Die verrücktesten und spektakulärsten Autounfälle".

Was in diesen Filmchen zu sehen ist, ist mal recht lustig, manchmal erstaunlich - und nicht selten auch ziemlich entsetzlich. Denn hier wird nicht der Blechrempler auf dem Supermarkt-Parkplatz wiedergegeben. Ein ordentliches Crash-Video muss allem Anschein nach zumindest ein Fahrzeug zeigen, das sich gleich mehrfach überschlägt. Gerne gezeigt werden auch brennende Karossen und Massenkarambolagen. Wie beliebt derartige Videos sind, verdeutlichen in Portalen wie youtube.com die Zähler unter den Filmchen - die zeigen an, wie oft das Video bereits angeschaut wurde. Vor allem bei den Unfallfilmen überschreiten die Zähler hier oft die Millionengrenze.

Kombination aus Komödie und Horror

Erklärungsversuche im Hinblick auf die Lust am Unfall-Schauen gibt es viele - wirkliche Erklärungen sind bisher jedoch noch nicht zu finden. "Man kann es vermutlich als eine recht simple Art des Nervenkitzels beschreiben", sagt Franz Schibalski, Verkehrspsychologe des ADAC in München. Denn manches Video bietet tatsächlich unterhaltsame Szenen - wenn beispielsweise ein Fahrzeug auf Glatteis seltsame Pirouetten fährt - in Kombination mit brutalsten Unfallszenen. Im Grunde kommt der Zuschauer in den kostenlosen Genuss einer Kombination aus Komödie und Horrorfilm.

Hinzu kommt der wichtige Faktor, dass tatsächlich alles real ist. "Der Betrachter weiß, dass es sich bei den Bildern nicht um Spezialeffekte wie in einem Hollywood-Film handelt - alles ist echt", so Bastian Roet, Verkehrssoziologe des Automobilclubs von Deutschland (AvD) in Frankfurt/Main. Gerade die eher lustigen Videos geben dem Zuschauer auch noch das gute Gefühl, dass da gerade jemand etwas ziemlich Blödes gemacht hat - so blöd, dass es einem selbst wohl nie passieren würde.

Gaffen ohne Gefahr

Nicht zu unterschätzen ist nach Meinung der Experten aber auch die grundsätzliche menschliche Neugier. Bastian Roet weist in diesem Zusammenhang auf die sogenannten "Gaffer" hin, die es an den Straßen bei jedem größeren Unfall gibt. "Dieses Gaffen ist als schlechtes Verhalten gebrandmarkt." Über das Internet würden vermutlich manche neugierige Menschen diese Lust am Zuschauen befriedigen - ohne sich bei jemandem dafür rechtfertigen zu müssen.

Auch Ute Hammer, Geschäftsführerin des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) in Bonn, geht davon aus, dass die Betrachter vor allem ihr Sensationsbedürfnis befriedigen wollen. Ob das Anschauen der Videos Auswirkungen auf das Verhalten im Verkehr hat, sei noch vollkommen unklar: "Ob es einen negativen Effekt hat, ist noch ebenso fraglich wie ein möglicher positiver Effekt auf den Betrachter." Allerdings verspürt Hammer beim Gedanken an das freudige Betrachten von Unfallvideos ein "gewisses Unbehagen".

Polizei nutzt Videos selbst

Franz Schibalski weist darauf hin, dass auch die Polizei teilweise bereits besonders drastische Unfallvideos nutzt, um junge Autofahrer wachzurütteln. "Wenn man solche Videos sieht, bekommt man teilweise schon eine Gänsehaut." Doch ob die grausigen Darstellungen wirklich den gewünschten Effekt haben, das wird gerade erst untersucht.

Manchmal geht es bei der Schau der demolierten Fahrzeuge im Internet aber auch gar nicht um den eigentlichen Zerstörungsvorgang. So zeigen Seiten wie www.wreckedexotics.com vor allem Fotos von Luxusautos wie Ferrari oder Lamborghini, die bei einem Zusammenstoß einiges von ihrem Wert eingebüßt haben. Wer solche Bilder anschaut, dem geht es nach Ansicht der Experten vor allem um einen Augenblick der Genugtuung oder Schadenfreude - zeigen doch solche Bilder, dass auch die Schönen und Reichen nicht immer wissen, was sie tun.

Beispiele für extreme Unfälle und zerstörte Luxusautos aus dem Internet sehen Sie hier.

(tmn)
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