Interview TÜV: Alte Autos jährlich prüfen
Düsseldorf (RP). Professor Dr. Bruno Braun ist seit 1993 Vorstandsvorsitzender des TÜV Rheinland. Im Interview mit unserer Redaktion fordert der Auto-Experte ältere Fahrzeuge jährlich zur Hauptuntersuchung vorfahren zu lassen. Zudem stellt Braun steigende TÜV-Gebühren in Aussicht. Vorwürfe, der TÜV wolle mit diesen Vorhaben lediglich Kasse machen, weist er entschieden zurück.

Hitliste der unzuverlässigsten Autos
Die Autos auf den deutschen Straßen sind im schnitt fast acht Jahre alt und fahren zwölf Jahre lang. Reicht es da, alle zwei Jahre zur Hauptuntersuchung vorzufahren?
Das hohe Durchschnittsalter der Autos entwickelt sich zunehmend zum Sicherheitsrisiko, weil so auch immer mehr Fahrzeuge mit zum Teil schwerwiegenden Mängeln unterwegs sind. In Lettland — um ein Land der EU zu nennen - müssen Autos schon jetzt jedes Jahr zur Hauptuntersuchung. Darüber lohnt es sich, auch in Deutschland nachdenken. Sicher nicht für Neuwagen, aber ab einem Alter von sieben Jahren würde es schon Sinn machen, um das Sicherheitsrisiko zu vermindern.
Aber das ist wieder mit Kosten für den Autofahrer verbunden?
Sicherheit im Straßenverkehr ist ein hohes Gut, da sehe ich eher den volkswirtschaftlichen Nutzen. Die Hauptuntersuchung kostet heute 48 Euro. Ein Preis, der sich in den vergangenen zehn Jahren übrigens nicht geändert hat.
Der Preis muss erhöht werden?
Ab Januar 2008 soll der Preis um drei bis vier Euro steigen. Einen entsprechenden Antrag muss die Bundesregierung genehmigen, aber eine maßvolle Steigerung ist absolut angebracht.
Viele werden denken, dass der TÜV da Kasse machen möchte...
Umgekehrt sollten Sie auch sehen, dass ein niedriger Preis und der Kostendruck dazu führen können, dass nachlässiger geprüft wird, um mehr Autos am Tag prüfen zu können und der Prüfer so auf seinen Umsatz kommt. Daneben gilt für den TÜV Rheinland: Der gesamte Bereich Mobilität und Auto macht mittlerweile noch zwölf Prozent unseres Geschäfts aus. Qualitätssicherung und Anlagenprüfung sind bereits größere Faktoren für uns, neben einigen neuen Bereichen.
Und die wären?
Beispielsweise die Prüfung der Qualität von Lebensmitteln. Also wo kommen Lebensmittel tatsächlich her und wie sieht die gesamte Produktionskette aus? Von der Belastung mit Pestiziden bis hin zu ethischen und sozialen Fragen in der Produktion reichen die Prüfungen. Ein TÜV Rheinland-Zertifikat gibt dem Käufer und dem Händler Sicherheit — weil dafür die Herkunft eines Produktes lückenlos dokumentiert sein muss. Wir können das leisten, weil wir mittlerweile in 60 Ländern vertreten sind und die Hälfte unserer Mitarbeiter im Ausland tätig ist. Ein anderes aktuelles Thema ist Internet Security. Wir prüfen, wie gut Unternehmen gegen Hacker und Online-Spionage abgesichert sind. Dazu kommt die Qualitätssicherung von Produkten im Ausland, beispielsweise in China. Die Rückruf-Aktionen von gesundheitsgefährdendem Spielzeug, das dort produziert wurde, zeigen, dass es dafür eine Notwendigkeit gibt.
Gehört dazu auch die Prüfung von Kraftwerken?
Ja, auch die Prüfung von Kraftwerksanlagen. Was sagen Sie zu den Vorfällen in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel?
Ein Mitarbeiter von uns gehört zur Expertenkommission, die sich mit den jüngsten Vorfällen beschäftigt hat, darum weiß ich ganz gut, was passiert ist. Die Informationspolitik des Betreibers, Vattenfall, war nicht gut. Aber sehr viel schlimmer ist in meinen Augen, wie die Vorfälle politisch und populistisch missbraucht worden sind. Zu keiner Zeit war die Reaktorsicherheit bedroht. Und wären es Kohlekraftwerke gewesen, hätte sich außer den Experten kaum jemand für die Vorfälle interessiert. Aber weil es sich um Kernkraftwerke handelt, wurde die Angst geschürt.
Sie sind ein Befürworter der Kernkraft?
Mit konventionellen Kraftwerken wird das EU-Ziel nicht zu schaffen sein, die CO2-Emission bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren. Auch nicht mit Solartechnik oder Windkraft. Es ist gut und richtig, diese Entwicklung weiterzutreiben. Außerdem sind wir weit davon entfernt, dass solche Technologien wirtschaftlich sind. Solange das so ist, bin ich ein Befürworter der Kernkraft, die den hohen deutschen Sicherheitsstandards entspricht. Deshalb ist die Entscheidung falsch, in Deutschland aus der Atomkraft auszusteigen.
Es führt kein Weg an Atomkraft vorbei?
Aus meiner Sicht nicht. Deshalb sage ich auch, wer da mit den Ängsten der Bevölkerung spielt und ihnen einen problemlosen Ausstieg vorgaukelt, handelt nicht im Interesse der Menschen. Heute gilt: Mit regenerativen Energien alleine ist unser Lebensstandard nicht zu halten. Umgekehrt muss man sich auch fragen, was wir global erreichen würden. Deutschland ist für drei Prozent der weltweiten CO2-Emission verantwortlich. Wir werden das Klima nicht alleine retten.
Also macht es keinen Sinn, den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Doch, das ist sinnvoll und wichtig. Wir können Vorbild sein für China oder Indien und als reiches Land unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Wir dürfen nur nicht so tun, als ob wir alleine den Klimawandel aufhalten könnten. Davon abgesehen, dass wir mit dem Verzicht auf Kernkraft die Chance verspielen, für technisch sichere Systeme im Ausland zu sorgen. Das wäre auch ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Faktor. Wir haben keine Rohstoffe, die wir verkaufen können. Wir müssen unser Wissen verkaufen.
Woher kommen die Vorbehalte gegenüber der Kernkraft oder Technik im Allgemeinen?
Weil die wenigsten wissen, wie die Dinge, die sie tagtäglich benutzen, funktionieren. Wir müssten schon im Kindergarten anfangen, Mädchen und Jungen für Technik und Naturwissenschaften zu begeistern und das dann in der Schule weiterführen. Da müssen wir uns auch als Ingenieure an die eigene Nase fassen und lernen, technische Zusammenhänge besser und verständlicher zu vermitteln. Wenn wir Kinder für Technik interessieren können, würden wir langfristig auch dem Problem des Fachkräftemangels begegnen.
Und was muss sich kurzfristig ändern?
Mit dem Hochschulfreiheitsgesetz in NRW ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht worden, wenn es konsequent umgesetzt wird. Die Universitäten brauchen mehr Freiheit. Und ich unterstütze die Exzellenz-Initiative. Ich weiß, dass das nicht überall gut ankommt. Aber wir brauchen Eliten. Wir sollten uns davon verabschieden, dass alle Menschen gleiches erreichen können. Alle sollen die gleiche Chance haben, aber eine Gleichheit im Ergebnis führt uns in die Mittelmäßigkeit. Jeder sollte die Möglichkeit haben, das für ihn beste zu erreichen. Die herausragenden Köpfe und Universitäten müssen auch besonders gefördert werden. Denn unser Kapital ist Wissen und Intelligenz.
Das Gespräch führten: Sven Gösmann, Ludwig Jovanovic, Martin Kessler.