Neuer Klimaschutzplan Niederlande führen tagsüber Tempo 100 auf Autobahnen ein

Den Haag · Auf den Autobahnen im Nachbarland gilt tagsüber bald eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 Stundenkilometern. Grund ist ein rasch zusammengeschusterter Klimaschutzplan der Regierung, der Stickstoffemissionen einsparen soll.

 Derlei Schilder dürfte man in den Niederlanden bald häufiger sehen.

Derlei Schilder dürfte man in den Niederlanden bald häufiger sehen.

Foto: dpa/Jens Büttner

Im Mai dieses Jahres fällte der niederländische Staatsrat eine wegweisende Entscheidung. Die aktuelle Stickstoffpolitik verstoße gegen die Richtlinien des europäischen Naturschutzgesetzes, da der immense Stickstoffüberschuss die Artenvielfalt beeinträchtige. Es war eine Rüge für das regierende Vier-Parteien-Bündnis. Die Ansagen des Staatsrats haben in den Niederlanden Gewicht. Er ist einerseits das höchste Beratungsgremium der Regierung und andererseits das höchste Verwaltungsgericht des Landes. Kurzum: Was der Staatsrat sagt, ist ernst zu nehmen.

Das Kabinett sollte konkrete Maßnahmen zur Reduzierung des Stickstoffausstoßes entwickeln. Herausgekommen ist nun nach hitzigen Debatten ein neues Tempolimit auf Autobahnen, wie niederländische Medien übereinstimmend berichten. Zwischen 6 und 19 Uhr dürfen dort nur noch 100 Stundenkilometer gefahren werden. Nachts bleibt wie bisher ein Tempolimit von 120 beziehungsweise 130 Stundenkilometern bestehen.

Der Verband der niederländischen Autohändler kritisierte das Tempolimit. Der Anteil des Verkehrs auf den Schnellstraßen am Schadstoffausstoß sei eigentlich gering, erklärte ein Sprecher. Besser wären Abwrackprämien für umweltbelastende, alte Autos. Die Umweltorganisation Milieudefensie sprach hingegen von einer guten Nachricht für Natur und Gesundheit. „Diese Maßnahmen sorgen dafür, dass weniger Stickstoffoxid eingeatmet wird“, sagte ein Sprecher.

Wegen der Stickstoffkrise lagen in den Niederlanden zuletzt rund 18.000 Bauprojekte still. Auch deswegen rief der Staatsrat nach neuen Maßregeln. Ministerpräsident Mark Rutte ging am Dienstagabend nicht auf die konkreten Pläne ein. Aus Kreisen seiner Partei hieß es jedoch, dass die Regierung mit den neuen Maßnahmen die Stickstoff­emissionen so weit reduzieren könnte, dass sie ihr Ziel, im nächsten Jahr rund 75.000 Wohnungen zu bauen, noch erreichen könne.

Der neue Stickstoffplan sieht Medienberichten zufolge zudem vor, Rindern enzymreiches Futter zu geben, wodurch etwa Kühe weniger Ammoniak abgeben. Dabei wollten Teile der Regierung härtere Regeln für die Landwirte eigentlich vermeiden. Denn nachdem von den niederländischen Landwirten sogar schon die Halbierung ihres Tierbestandes gefordert wurde, kam es sowohl landesweit als auch örtlich zu heftigen Protesten.

Weiter will das Kabinett nun prüfen, inwieweit Naturschutzgebiete zugunsten des Artenschutzes verändert oder verlagert werden könnten. Ein Aufkauf-Programm für alte, umweltschädliche Autos wurde dagegen gestrichen. Ein solches System würde im Verhältnis zu den Kosten zu wenig bringen, hieß es.

Insbesondere das neue Tempolimit ist für die Regierungspartei VVD von Ministerpräsident Rutte ein schwer zu schluckender Kompromiss. Die Partei präsentierte sich in der Vergangenheit als sehr autofreundlich.

Ministerpräsident Rutte betonte am Dienstagabend, dass es sich um einen kurzfristigen Stickstoffplan handele und dass nach diesem Paket noch viel zu tun bleibe. Bis Dezember sollte eine größere Ausarbeitung auf den Weg gebracht werden. Rob Jetten, Chef der linksliberalen Regierungspartei D66, spricht von einem „Paket mit sinnvollen Maßnahmen in der Kürze der Zeit“. Am Donnerstag wird das Parlament erneut über die Stickstoffkrise diskutieren.

In NRW hält man von strikten Tempolimits zugunsten des Klimas übrigens wenig. „Viel wichtiger für den Klimaschutz sind Investitionen in  neue Antriebstechnologien wie E-Mobilität, Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe und elektrisch startende Flugzeuge“, teilte das Verkehrsministerium mit. „Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, brauchen wir ein besseres Angebot im ÖPNV. Die Leute steigen nur um, wenn das Angebot attraktiv ist.“

Ein Vorstoß der Grünen, bundesweit ein generelles Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen einzuführen, war im Oktober im Bundestag gescheitert.

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