E-Renner Sportler zunehmend unter Strom

In Zeiten strengerer CO2-Grenzwerte führt kein Weg mehr an der Elektrifizierung vorbei. Trotzdem setzen die Autohersteller weiterhin auf Power.

 ILLUSTRATION - Zum Themendienst-Bericht von Thomas Geiger vom 29. Januar 2019: Was ist wichtig für die Winterwäsche? Auf jeden Fall eine saubere Frontscheibe für einen klaren Durchblick.

ILLUSTRATION - Zum Themendienst-Bericht von Thomas Geiger vom 29. Januar 2019: Was ist wichtig für die Winterwäsche? Auf jeden Fall eine saubere Frontscheibe für einen klaren Durchblick.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Von 0 auf 100 in 2,8 Sekunden – sticht! Und der „Supertrumpf“ hat eine Höchstgeschwindigkeit von 330 km/h. Wer früher beim Autoquartett solche Karten in der Hand hielt, war schon fast sicherer Sieger. Doch die Zeiten haben sich geändert. Weil Klimasorgen, EU-Grenzwerte und mit ihnen Millionenstrafen zunehmend Druck ausüben, zeigen selbst Raser bisweilen Reue.

Und die Vollgasfraktion denkt um: Nicht nur die Sportwagenhersteller selbst beginnen schrittweise mit der Elektrifizierung ihrer Tiefflieger, sondern auch die Sportabteilungen drehen ihren Modellen zusehends mit elektrischer Unterstützung den Benzinhahn zu.

Dabei bewegen sie sich auf einem schmalen Grat, sagt Jan Burgard vom Strategieberater Berylls in München: Auf der einen Seite werde die Rolle der Werkstuner als Stimmungsmacher immer wichtiger. Denn während sich die Mutterhäuser einen vernünftigen Anstrich geben und auf die Emissionen achten, können sie weiterhin Emotionen liefern, die dann auf den gesamten Markenverbund abstrahlen.

Weil die Stückzahlen klein sind, hält sich der negative Einfluss auf den Flottenverbrauch in Grenzen. „Und weil die Zahlungsbereitschaft der Kunden tendenziell größer ist, können sich die Hersteller den technischen Aufwand genau wie die Ausreißer in der Statistik gut bezahlen lassen“, sagt der Experte. Doch auf der anderen Seite müssen auch sie ihren Beitrag zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks leisten und zugleich die gestiegenen Umweltansprüche einiger Kunden erfüllen: „Effizienz ist zu einem Hygienefaktor geworden. Wer Gas gibt, will kein notorisch schlechtes Gewissen mehr haben.“

Für den Mercedes-Ableger AMG, die M GmbH von BMW und für Audi Sport gibt es nicht einfach nur ein „Weiter so“. „Wir stehen unter Strom und elektrifizieren schrittweise unser ganzes Portfolio,“ sagt deshalb Oliver Hoffmann. Er ist einer der beiden neuen Chefs bei Audi Sport und hat auf der IAA in Frankfurt (bis 22. September) gerade den 441 kW/600 PS starken RS7 enthüllt, mit dem in seiner Flotte der Mild-Hybrid-Einzug hält. Dort unterstützt ein Elektromotor beim Anfahren und Beschleunigen. Das soll vor allem den Alltagsverbrauch senken, selbst
wenn der RS7 im Endeffekt
also keinen Meter elektrisch fahren kann. Doch das sei
nur der Anfang, sagt Hoffmann.

Während er die Mild-Hybrid-Technik weiter ausrollen will, bestätigt er für das kommende Jahr den eng mit dem Porsche Taycan verwandten E-Tron GT als erstes rein elektrisches Auto bei Audi Sport, stellt mittelfristig Plug-in-Hybriden in Aussicht und will auch den Nachfolger des R8 unter Strom setzen. „Wir überlegen gerade intensiv, wie unser nächster Supersportwagen aussehen wird. Die Elektrifizierung spielt dabei eine wesentliche Rolle.“

Auch die BMW M GmbH bereitet sich auf die Zeit des Strippenziehens vor und legt bald dicke Stromkabel ins Auto. Ihre aktuellste Neuheit, der M8, erreicht seine 305 km/h Spitzentempo zwar noch mit einem konventionellen V8-Turbo von 460 kW/625 PS und die einzigen E-Motoren an Bord bewegen Sitze, Spiegel, Fenster oder Scheibenwischer.

Doch auf der IAA drehte sich im Rampenlicht schon die Vision M Next, die optisch an den seligen M1 erinnert und technisch in die Zukunft weist. Schließlich wird das Coupé angetrieben von einem Plug-in-Paket mit einem aufgeladenen Vierzylinder, je einem E-Motor pro Achse, einer Systemleistung von 441 kW/600 PS und einer rein elektrischen Reichweite von 100 Kilometern.

Natürlich ist das nur eine Studie, doch lässt der M-Chef Markus Flasch keinen Zweifel an der Richtung: „Wir arbeiten derzeit intensiv an der Elektrifizierung künftiger M-Modelle und suchen zum Beispiel nach passenden Hybrid-Lösungen, die unseren Kunden einen echten Mehrwert an Effizienz und Fahrdynamik bieten.“

Sein Kollege Tobias Moers vom Mercedes-Ableger AMG sieht das nicht anders. Nicht nur, dass er gerade versucht, mit dem Project One zumindest in einer millionenschweren Kleinserie Formel-1-Technik auf die Straße zu bringen – samt deren Hybrid-Modul. Sondern auch die anderen Modelle werden schrittweise elektrifiziert: Genau wie beim Audi RS7 ist zumindest der elektrische Starter-Generator bei den 53er-Modellen etwa im neuen GLE mittlerweile Standard und wird über kurz oder lang auch in den anderen Baureihen Einzug halten. Ab 2021, so hat es Moers kürzlich in einem Interview bestätigt, soll jedes neue Modell in irgendeiner Weise elektrifiziert sein.

Obwohl sie nicht auf Großserientechnik zurückgreifen und für kleine Stückzahlen einen großen Entwicklungsaufwand treiben müssen, ändern auch die reinen Sportwagenhersteller ihre Antriebsstrategie: Egal ob McLaren oder Aston Martin, Lamborghini oder Ferrari – sie alle elektrifizieren schrittweise ihre Leistungsstarken Verbrenner und nehmen Rasern so peu à peu die Reue.

Das beginnt beim elektrischen Startergenerator wie im gerade enthüllten Lamborghini Sián, der die Leistung des 6,5 Liter großen V12-Motors auf 602 kW/819 PS steigert und das radikale Coupé zum bislang stärksten Auto in der Firmengeschichte macht. Und reicht bis hin zum rein elektrischen Antrieb, den die beiden britischen Vollgasmarken jeweils für die nächsten Jahre angekündigt haben.

 Hilft beim Anfahren und Beschleunigen: der zusätzliche E-Motor im Audi RS7

Hilft beim Anfahren und Beschleunigen: der zusätzliche E-Motor im Audi RS7

Foto: dpa-tmn/Audi AG

Doch puristische PS-Junkies können beruhigt sein und wohl weiter nach guter alter Sitte Gas geben. Diesen konservativen Optimismus schürt ausgerechnet Porsche-Chef Oliver Blume, der mit der Premiere des Taycan als erstem voll elektrischen Modell der Marke gerade wie kein anderer Sportwagenchef unter Strom steht. Denn bei der Präsentation des Akku-Autos hat er versprochen, dass es bei Porsche immer auch einen Platz für reine Verbrenner in Sportwagen wie dem 911 geben wird.

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