Entflechtung Vorbild für Deutschland? Putin sagt Benzin-Multis den Kampf an

Düsseldorf (RPO). Ähnlich wie in Deutschland leiden auch die Autofahrer in Russland unter den steigenden Benzinpreisen. Die Politiker hierzulande diskutieren diverse Modelle zur Benzinmarkt-Regulierung. In Russland treibt Ministerpräsident Wladimir Putin die Entflechtung des Kraftstoffmarkts voran. Ein Vorbild für Deutschland?

April 2011: Das kostet der Sprit im Ausland
Infos

April 2011: Das kostet der Sprit im Ausland

Infos
Foto: dapd

Wladimir Putin inszeniert sich gerne als Mann der Tat. Zusammen mit dem Wirtschaftsministerium möchte Russlands Ministerpräsident die hohen Spritpreise senken. Während die Politiker in Deutschland - nach österreichischem oder australischem Vorbild - den Benzinmarkt über die tägliche Festsetzung des Benzinpreises reglementieren und so für mehr Wettbewerb unter den Tankstellen sorgen wollen, wählen Putin und Co. einen anderen Weg: Sie wollen die Wertschöpfungskette der Ölwirtschaft aufweichen.

Nach Ansicht des russischen Wirtschaftsministeriums könne die Entkoppelung der Raffinerien von den Öl-Multis zu einer wettbewerbssteigernden Situation führen. Die Entscheidungsträger in Moskau sind der festen Überzeugung, dass es anschließend zu einer Entspannung der Benzinpreise an den russischen Zapfsäulen käme. Die russische Methode der Entflechtung des Kraftstoffmarktes. Ein Vorbild für Deutschland?

Renaissance des Entflechtungsgesetzes

Fakt ist, dass die Benzinpreise auch in Deutschland gestiegen sind. Fakt ist auch, dass das Bundeskartellamt in seinem am vorigen Donnerstag vorgestellten Untersuchungsbericht herausgefunden hat, dass die Spritpreise niedriger sein müssten. Seitdem diskutiert die schwarzgelbe Regierungskoalition Vorschläge, den Wettbewerb hierzulande zu verbessern. Neben dem von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) favorisierten australischen Modell erlebt auch das sogenannte Entflechtungsgesetz der FDP eine Renaissance.

Im vergangenen Jahr war der damalige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) mit seinem Vorstoß in der Koalition gescheitert, dem Kartellamt mehr Macht zu übertragen. Die Gesetzesvorlage sah die Möglichkeit vor, marktbeherrschende Unternehmen zu zerschlagen, notfalls auch ohne Nachweis des Marktmissbrauchs.

Wertschöpfungskette durchtrennen

Seit Monaten ruht die Initiative in den Aktenordnern. Womöglich nicht mehr lange. Innerhalb der FDP mehren sich die Stimmen, die in dem Entflechtungsgesetz ein geeignetes Mittel sehen, um die Wertschöpfungskette der Ölwirtschaft aufzubrechen. Die größten fünf Konzerne — BP/Aral, Shell, Esso, Total und Jet — nutzen ihre Vormachtstellung gegenüber mittelständischen und freien Tankstellen aus.

Von der Ölproduktion bis zur Raffinerie-Verarbeitung und dem Verkauf des tankreifen Kraftstoffs beherrschen sie alle Positionen der Wertschöpfungskette. Ein entsprechendes Entflechtungsgesetz könnte den undurchsichtigen Weg der Benzinpreis-Gestaltung aufdecken. Die freien Tankstellen sprechen in diesem Zusammenhang von einem "Diktat" der Ölkonzerne. "Unser Wettbewerber ist gleichzeitig unser Lieferant", drückt Stephan Zieger, Geschäftsführer des Bundesverbandes freier Tankstellen, die für seine Mitglieder missliche Lage aus.

Deutliche Worte von Haucap

Eine ähnliche Position bezieht der Autoclub Europa (ACE), der darauf drängt, das Entflechtungsgesetz zu verabschieden. Nur so könne es nach Ansicht des ACE zu einer Sicherung des Wettbewerbs kommen. Deutlichere Worte findet der Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap, gegenüber dem "Handelsblatt": "Um den Wettbewerb zu beleben, sind strukturelle Maßnahmen am besten geeignet", so der Ökonom.

Eine eigentumsrechtliche Entflechtung müsste es demnach nicht sein. Haucap: "Besser wäre es, dafür zu sorgen, dass kleine Anbieter wie die freien Tankstellen, Supermarkttankstellen und regionale Ketten sicheren Zugang zu Raffineriekapazitäten bekommen. Dafür wäre das geplante Entflechtungsgesetz sicherlich hilfreich."

Im nächsten Jahr stehen in Russland die Präsidentschaftswahlen an. Ministerpräsident Wladimir Putin hat bisher nicht ausgeschlossen, dann wieder anzutreten. Womöglich möchte er mit seiner Entflechtungs-Avance jetzt schon Sympathiepunkte sammeln. Wenn seine Ankündigung in die Tat umgesetzt würde, hätten beide Parteien etwas davon: Putin einen höheren Stimmenanteil bei der Präsidentschaftswahl und die Autofahrer niedrigere Benzinpreise.

(rpo)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort