Stufenheck-Limousine Nissan Sentra: Der Jetta aus Japan

Vancouver · Sie sehen zwar nicht gerade aus wie VW Golf oder Opel Astra. Doch als handliche Stufenheck-Limousinen sind Autos für die Kompaktklasse überall auf der Welt groß im Kommen. Nicht umsonst drängen mit CLA & Co selbst die deutschen Nobelhersteller in dieses Segment. Nissan kann darüber nur lachen. Mit dem nagelneuen Sentra sind die Japaner für den Run auf die Viertürer bestens gerüstet – beinahe zumindest.

Der Nissan Sentra
8 Bilder

Der Nissan Sentra

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Sie sehen zwar nicht gerade aus wie VW Golf oder Opel Astra. Doch als handliche Stufenheck-Limousinen sind Autos für die Kompaktklasse überall auf der Welt groß im Kommen. Nicht umsonst drängen mit CLA & Co selbst die deutschen Nobelhersteller in dieses Segment. Nissan kann darüber nur lachen. Mit dem nagelneuen Sentra sind die Japaner für den Run auf die Viertürer bestens gerüstet — beinahe zumindest.

Qashqai, Juke und Note — in Europa hat sich Nissan vor allem als Nonkonformist einen Namen gemacht und sich in den letzten Jahren bewusst aus den etablierten Segmenten zurückgezogen. Wo die Konkurrenz wie VW mit dem Golf auf Fünftürer mit Steilheck setzt, bieten die Japaner als pfiffige Alternative den Crossover Qashqai. Und statt einfach den Tiguan zu kopieren, haben sie mit dem Juke das erste SUV-Coupé im bürgerlichen Preisrahmen aufgelegt. Doch so innovativ sich die Marke beim Zuschnitt ihrer Modelle auch geben mag — sie kann auch konservativ. Denn dort, wo klassische Formen gefragt sind und die Kunden es gerne ein bisschen spießiger mögen, gibt es von Nissan natürlich auch ganz konventionelle Autos — zum Beispiel den nagelneuen Sentra.

Konkurrent für Corolla, Civic und A3

Entwickelt und gebaut vor allem für Nordamerika, tritt er in der Klasse der bezahlbaren Kompaktlimousinen gegen Autos wie den Toyota Corolla, den Honda Civic und nicht zuletzt gegen den VW Jetta an. Doch die Zahl der Wettbewerber wird weiter wachsen. Denn dieses Segment ist derart vielversprechend, dass von oben sogar Marken wie Mercedes mit dem CLA und Audi mit dem A3 Stufenheck hinein drängen. Und von unten kommen neue Konkurrenten wie die China-Marke Qoros mit dem gefälligen GQ3.

Obwohl in der Basisversion keine 16.000 US-Dollar teuer und damit umgerechnet billiger als bei uns jeder VW Polo, ist der 4,62 Meter lange Sentra kein Billigauto: Elegant und ziemlich modern gezeichnet, überrascht er vor allem innen mit ein paar modernen Features, die in dieser Klasse längst nicht alle zu bieten haben: Der Schlüssel zum Beispiel bleibt beim Aufschließen und Anlassen in der Hosentasche, Scheinwerfer und Rückleuchten haben mit LED-Einsätzen einen unverwechselbaren Look. Die Materialwahl ist für ein Auto in dieser Preisklasse mehr als ordentlich. Und natürlich sind auch zeitgemäße Extras wie ein Online-Navigationssystem mit Google-Suche und eine ordentliche Bluetooth-Verknüpfung für das Handy an Bord.

Das beste Argument für den Sentra ist allerdings sein üppiges Raumangebot. Obwohl der Wagen auf der neuen Plattform zugunsten von Gewicht und cW-Wert sogar etwas flacher und schmaler geworden ist, bietet er mehr als genug Raum auf allen Plätzen. Die Sitze dürften zwar etwas üppiger sein, und ein bisschen bessere Polster würden auch nicht schaden. Aber selbst wenn es sich vorne zwei große Erwachsene bequem machen, muss bei 2,70 Metern Radstand im Fond keiner die Füße einziehen. Und der Kofferraum ist mit seinen 428 Litern allemal groß genug für eine längere Reise. Nur muss man beim Einladen ein bisschen vorsichtig sein, weil Federn und Zugstangen nicht verkleidet wurden, sondern offen unterhalb der Hutablage laufen — aber irgendwie müssen die Japaner ja auf ihren Kampfpreis kommen.

13 Prozent sparsamer als sein Vorgänger

Zwar fahren sie in Nordamerika noch immer am liebsten ihre Pick-Ups und Geländewagen. Doch auch jenseits des Atlantiks ist "Fuel Economy" mittlerweile ein wichtiges Thema — vor allem in einer derart vom Preis diktierten Klasse wie den kompakten Limousinen. Deshalb hat auch Nissan beim Generationswechsel an vielen Schrauben gedreht, um den Durst des Sentra zu zügeln. Nicht umsonst ist der Wagen auf der neuen Plattform rund 75 Kilo leichter und deutlich windschlüpfiger geworden. Außerdem fährt er mit einem neuen 1,8-Liter-Motor und einer überarbeiteten CVT-Automatik vor. Und den Fahrer trainieren die Japaner mit einem detaillierten Bordcomputer, der jeden Kilometer kommentiert und einem zum leichten Gasfuß überreden will. Unter dem Strich bringt das zusammen einen Verbrauchsgewinn von 13 Prozent, freuen sich die Japaner und stellen zum Beispiel in der kanadischen Norm einen Mittelwert von 5,8 Litern in Aussicht. "Das macht den neuen Sentra zum sparsamsten Auto seiner Klasse", verspricht Nordamerika-Chef Al Castignetti.

Das stufenlose Getriebe bremst zwar nachhaltig den Vorwärtsdrang des mit seinen 96 kW/130 PS ansonsten ganz quirligen Vierzylinders, nervt vor allem auf Steigungsstrecken mit seinen hohen Drehzahlen und dem sägenden Sound. Und von der Eco-Taste lässt man besser die Finger, wenn man es auch nur ein bisschen eilig hat. Aber wer den Sentra mit sanftem Gasfuß bedient und ein bisschen vorausschauend fährt, braucht tatsächlich kaum mehr als sechs Liter und kommt mit einer Tankfüllung gut 800 Kilometer weit.

Gebaut für Amerika

Für Europa würde man sich den Wagen sicher etwas dynamischer wünschen und die Ingenieure dann auch gleich noch um eine straffere Fahrwerksabstimmung sowie eine direktere Lenkung bitten. Doch für die Straßen jenseits des Atlantiks ist der Wagen wie gemacht: Selbst in den Rocky Mountains oder im Hinterland von Vancouver sind die Highways und Byways schließlich so breit und gerade, dass man sogar auf den Passstraßen noch mit dem kleinen Finger lenken kann. Und wer interessiert sich schon fürs Spitzentempo, wenn man die meiste Zeit ohnehin den Tempomat auf 120 setzt und den lieben Gott einen guten Mann sein lässt. Hauptsache die 174 Newtonmeter Drehmoment reichen, um zwischendurch mal einen Truck zu überholen, ohne dass die gesamte Kraft in den Kettengliedern der Automatik verloren geht. Nicht umsonst gibt Nissan offiziell weder den Sprintwert noch die Höchstgeschwindigkeit an. Man muss sich deshalb schon auf die eigenen Instrumente verlassen und kommt am Ende auf knapp zehn Sekunden und knapp 190 km/h.

Groß und geräumig, elegant und vergleichsweise gut ausgestattet, günstig eingepreist aber nicht billig gemacht — so ist der Sentra in Amerika gut für den Wettbewerb mit Toyota Corolla und VW Jetta gerüstet. Und falls spätestens mit dem Mercedes CLA und dem Audi A3 Stufenheck auch dieser Trend irgendwann über den Atlantik zurückkommen sollte, ist damit zumindest die Basis für ein europäisches Modell schon mal gelegt: Ein neues Getriebe und statt des Benziners vielleicht auch noch einen Diesel eingebaut, und schon haben die Japaner neben all ihren Nonkonformisten plötzlich auch bei uns ein schmuckes Stufenheck für all jene Spießer im Programm, die plötzlich wieder mit dem Zeitgeist gehen.

(SP-X/anch/pst)
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