Hintergrund zum Abgas-Skandal Das sind die Tricks der Autohersteller

Düsseldorf · In elf Millionen VW-Autos weltweit ist eine Software zur Manipulation von Abgaswerten eingesetzt worden. Was in diesen Tagen für großes Aufsehen sorgt, ist tatsächlich gängige Praxis. Wir haben mit einem Experten über die Tricks der Autohersteller bei Spritverbrauch und Rollwiderstand gesprochen.

Nach Volkswagen Abgas-Skandal: Das sind die Tricks der Autohersteller
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Ob ein Verbraucher ein Auto kauft, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Natürlich müssen ihm Design und Ausstattung gefallen, und der Kaufpreis muss stimmen. Aber es gibt auch Details, die für eine Kaufentschiedung maßgeblich sind. Darunter fällt etwa, dass ein Wagen den gängigen gesetzlichen Vorgaben entspricht - wie etwa den zugelassenen Abgasemissionen und natürlich der Spritverbrauch eines Wagens.

Eben diese beiden Punkte allerdings sind es auch, die für den Hersteller mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden sind. Ein umweltfreundlicheres Auto bedeutet in der Regel eine teurere oder sogar neue Produktionskette. So hätte VW zusätzlich 100 Euro pro Wagen investieren müssen, um die Modelle tatsächlich emissionsarm zu machen. Und beim Spritverbrauch gilt für die meisten Verbraucher ohnehin nur eine Devise: umso weniger desto besser.

"Um günstig produzieren, und in den Hochglanzmagazinen dennoch traumhafte Werte angeben zu können, lassen sich die Autohersteller in der Folge so einiges einfallen", sagt Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik beim Verkehrsclub Deutschland (VCD). "Für uns ist das eigentlich gar nichts Neues, es hat nur sehr lange gedauert, bis dieser Betrug in der Öffentlichkeit aufgefallen ist."

Am meisten gepfuscht wird beim sogenannten Rollwiderstand. Er wird durch verschiedene Faktoren wie dem Verhalten der Reifen, dem Luftwiderstand und dem Bremsverhalten des Wagens definiert, und bestimmt am Ende unter anderem den Spritverbrauch eines Wagens. "Allerdings ist es so, dass für diese Tests keine Serienwagen benutzt werden, sondern ein Vorproduktionsmodell, das quasi als Synonym für die gesamte Fahrzeugfamilie steht", erklärt der Experte. Was Müller-Görnert damit meint ist, dass für die Labortests Autos benutzt werden, die keine Seitenspiegel haben, deren Karosserieritzen mit Klebeband abgeklebt werden und deren Reifen maximal aufgepumpt sind um eine möglichst geringe Haftung auf der Straße zu erzeugen. "Das entspricht aber natürlich nicht im entferntesten den realen Bedingungen eines echten Wagens. Oftmals wird sogar der Bremsbelag reduziert, um den Widerstand des Autos zu verringern. Das wäre in der Realität natürlich sogar lebensgefährlich."

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"Goldener Wagen" wird so ein präpariertes Fahrzeug unter Experten auch genannt. Auf einer geraden Strecke mit minimaler Neigung, die 30 Kilometer lang ist - dem Rollenprüfstand also - kommt er mit Bestnote durch. "Um den Spritverbrauch noch weiter zu senken, wird übrigens auch oft die Lichtmaschiene an die Batterie gehängt. Auch so eine Sache, die auf der Straße nicht möglich wäre, in einem Test von höchstens einer halben Stunde, schafft die Batterie das aber."

Heraus kommt ein Auto, das einen extrem niedrigen Luftwiderstand sowie einen niedrigen Kraftstoffverbrauch hat - das mit dem Serienwagen aus dem Katalog allerdings auch nicht viel gemeinsam hat. "Aus diesem Grund sind wir auch für eine unabhängige Nachkontrolle der Fahrzeuge auf Straßenverhältnissen. Denn nur so lässt sich heraus finden, ob ein Auto wirklich hält, was es verspricht", sagt Referent Müller-Görnert.

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Ihn aufdecken oder sich vor dem Betrug schützen kann sich der Verbraucher selbst nicht. Gerade weil die meisten Autoprogramme inzwischen darauf getrimmt sind, die verschiedenen Testergebnisse des Autos zu manipulieren - also nicht nur bei den Emissionen. "Viele Motorsteuerungen erkennen, ob ein Auto auf dem Rollenprüfstand ist oder nicht. Das geht etwa durch die GPS-Koordinaten. Oder weil das Programm registriert, wenn Abstandsmesser und Airbag ausgeschaltet werden. Für die Motorsteuerung bedeutet das: Ab jetzt müssen geschönte Werte ausgegeben werden", so Müller-Görnert.

Der Verbraucher selbst bekommt davon nichts mit. Es bedeutet aber auch, dass es in den meisten Fällen keinen Sinn macht tief in die eigenen Tasche zu greifen und einen speziellen Tüv-Test machen zu lassen. "VW ist ja kein Einzelfall. Im vergangenen Jahren sind durch die unabhängige internationale Prüfgesellschaft International Council on Clean Transportation auch noch andere Autohersteller abgestraft worden. Das Hauptproblem liegt jedoch darin, dass die Abweichung vom Laborwert beim Rollprüfstand vom nachträglich gemachten Straßentest in Europa bei über 40 Prozent liegt", weiß Müller-Görnert. "In den USA liegt er dagegen nur im einstelligen Bereich."

Weil das insbesondere für die ausgestoßenen Stickoxide gilt, fordert der VCD eine Prüfung der Serienwagen durch das Bundesumweltamt. "Eigentlich fällt dieses Thema genau in ihren Bereich. Und man muss auch sehen, Prüfstellen wie der ADAC oder die Dekra sind letztlich auch nur Kunden der Autoindustrie, die gegenseitige um solche Prüfaufträge konkurrieren - und ihren Auftraggeber letztlich nur ungern schlecht dastehen lassen wollen."

(ham)
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