Frankreich Mysteriöse Tempomat-Pannen bei Renault

Paris (rpo). Eine mysteriöse Pannenserie mit Tempomaten sucht seit einiger Zeit den Automobilhersteller Renault in seinem Heimatmarkt Frankreich heim. Dort sollen sich bisher rund 30 Fahrer gemeldet haben, deren Tempomate unterwegs ein Eigenleben entwickelten. Ein Software- oder Technikproblem konnte Renault bisher nicht feststellen.

Die mehr als 30 Fahrer, die sich bei Renault meldeten, konnten ein einmal eingestelltes Tempo mit keinem Pedal mehr beeinflussen und erlitten zumeist mehr oder weniger schlimme Unfälle. Ein Fehler im System sei schlichtweg nicht möglich, versichert Renault. Und doch scheint es seltsam, dass so viele Franzosen mit der modernen Fahrzeugelektronik nicht zurechtkommen sollen.

Der krasseste Fall ereignete sich im Oktober auf der Autobahn zwischen Bourges und Clermont-Ferrand. Der 29-jährige Hicham Dequiedt schreckte die Öffentlichkeit mit der Schilderung einer Höllenfahrt auf. Der Tempomat seines Renault VelSatis sei auf 130 Stundenkilometer eingestellt gewesen, erzählte Dequiedt. Als er beim Überholen eines Lastwagens Gas gab, habe eine Selbstbeschleunigung eingesetzt. "Ich war bei 190 Stundenkilometern und konnte nichts machen." Mehr als 150 Kilometer raste er über die Autobahn. Gendarmen berieten ihn telefonisch, bis er endlich den Motor abwürgen konnte.

"Sehr unwahrscheinlich", kommentierte der scheidende Renault-Chef Louis Schweitzer lakonisch. Doch der VelSatis war erst der Anfang. Ein Renault Scénic in Lille, ein Clio in Bordeaux folgten, erst am vergangenen Wochenende gab es wieder einen Fall mit einem Scénic in Colmar. "Ich habe auf die Bremse getreten, aber nichts passierte. Ich habe sogar nach unten geguckt, um sicher zu gehen, dass ich auf das richtige Pedal trete", berichtete die bei Bordeaux verunglückte 40-jährige Handelsvertreterin Christine Moutier. "Menschliches Versagen", beharrte Renault - und die ersten Fernsehberichte über Tempomat-Opfer waren von einem spöttischen Unterton durchzogen.

Renault verschickt Broschüren

Dabei ist technisches Versagen nicht so unwahrscheinlich wie der Hersteller versichert. Antony Anderson, ein britischer Experte, untersucht seit Jahren Tempomat-Zwischenfälle, vor allem die plötzliche Beschleunigung. Ein Fahrzeugmotor, der Hitze und Vibrationen erzeuge, sei keine gute Umgebung für hochsensible Elektronik, gibt der Ingenieur zu bedenken.

Dennoch bleibt Renault zunächst bei seiner Theorie von Bedienungsfehlern. So verschickt das Unternehmen in diesen Tagen 600.000 Broschüren an seine Kunden mit Tempomat-Fahrzeugen, um ganz sicher zu gehen, dass sie die Technik richtig anwenden. Ein Krisenstab aus 40 Ingenieuren untersucht seit Oktober sämtliche Aspekte des Problems. Dass so viele Renaults von dem Phänomen betroffen sind, liegt offenbar an dem hohen Anteil von Fahrzeugen mit Tempomat, die diese Firma ausliefert: etwa 40 Prozent im Vergleich zu 20 Prozent beim Konkurrenten Peugeot.

Opfer wehren sich

Der Krisenstab bestätigte in einer ersten Stellungnahme im März die Reaktion Schweitzers; demnach gibt es kein Versagen des Systems. "Die einzige festgestellte Fehlerquelle ist eine Verwechslung der Pedale in gewissen Situationen", erklärte Renault. Die Unfallfahrer wehren sich: Der Tischler Jacky Custodio, der seinen Wagen an der Maut-Station von Senlis bei Paris nur durch Auffahren auf ein anderes Fahrzeug bremsen konnte, hat einen Verband der Tempomat-Opfer gegründet. Christine Moutier hat Renault verklagt.

Die Firma ist damit in einem Dilemma: Auf Dauer kann der Autobauer seine Kommunikation kaum darauf aufbauen, seine Kunden als unfähig zu bezeichnen. Eine technische Panne einzuräumen, könnte aber eine Massenpanik auslösen. Doch eine dritte Lösung ist schon in Sicht. Nach Presseberichten hat sich das Verkehrsministerium eingeschaltet und das Betrugsdezernat sowie die Spionageabwehr DST beauftragt, einem Anfangsverdacht auf Sabotage nachzugehen: Dunkelmänner könnten es darauf abgesehen haben, den Renault-Konzern in Misskredit zu bringen.

(afp)
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