Einstige Hauptstadt der US-Autoindustrie "Motor City" Detroit erwacht wieder zum Leben

Detroit (RPO). Wer die einstige Hauptstadt der US-Autoindustrie besucht, erwartet ein Freiluftmuseum des Niedergangs. Doch nach Jahren der schlechten Nachrichten über die Abwanderung der Bevölkerung aus Detroit, den Verfall des Stadtzentrums und Rettungspakete für die Autohersteller, erwacht die "Motor City" langsam wieder zum Leben.

Detroit - "Motorcity" kommt langsam wieder in Schwung
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US-Präsident Barack Obama dürfte sich den Ort seiner wahlkampfähnlichen Rede in dieser Woche mit Bedacht ausgesucht haben: Die Metropole Detroit war lange eines der größten Sorgenkinder der USA. Die Menschen wanderten ab, die Industrie lag brach, die Kriminalität ist hoch. Das alles aber soll sich ändern. Vor 13.000 Menschen kündigte Obama in seiner Rede an, mit dem Bau von Straßen und Brücken landesweit neue Stellen zu schaffen.

Auch der einstigen Hauptstadt der US-Autoindustrie soll das wieder auf die Beine helfen. Ein Anfang ist gemacht. Unternehmer und Kreative locken die niedrigen Mieten und der freie Raum in die Innenstadt, wo verfallene Häuser, Industrieruinen und Art-Deco-Hochhäuser stehen, aber wo auch weite, offene Straßen ohne viel Verkehr der Stadt einen Hauch von Freiheit geben.

Ein jüngstes Zeichen für den schleichenden Neuanfang in Detroit war die Eröffnung einer Jugendherberge im April - seit 15 Jahren hatte es in der Stadt keine mehr gegeben. Die Tausenden Menschen, die zur Eröffnung kamen, sahen es als Zeichen, dass die Stadt, die der Welt einst das Modell T, Motown und Techno geschenkt hatte, wieder auf dem Weg war, cool zu werden.

Ruinen-Tourismus

Das Viertel North Corktown, wo die Jugendherberge "Hostel Detroit" liegt, ist trotz vieler neuer Projekte und Bauten immer noch weit davon entfernt, ein urbanes Zentrum zu werden. In vielen Gegenden sieht man mehr offene Felder als Häuser, viele der noch stehenden Gebäude sind verlassen. Und einige dieser Ruinen sind sogar zu Touristenattraktionen geworden.

So wie die bekannteste Ruine der Stadt, die monumentale Michigan Central Station. Als sie 1913 eröffnet wurde, war sie das höchste Bahnhofsgebäude der Welt. Seit 1988 der letzte Zug dort einfuhr, war es dem Verfall preisgegeben. Am Abend verbreitet das Gebäude eine gespenstische Aura, trotz der Einsturzgefahr und Schildern mit Strafandrohungen klettern immer wieder Touristen über den Stacheldrahtzaun in die Ruine.

Erlaubt ist hingegen der Besuch der verlassenen Packard-Autofabrik, zumindest gibt es keine Schlösser, teilweise nicht einmal Wände, die den Besucher davon abhalten würden. Mehrere Straßenzüge lang erstreckt sich das Gerippe dieses Werks, in dem bis in die späten 1950er Jahre einer der luxuriösesten Wagen der Welt hergestellt wurde.

Dramatische Szenen

Doch die dramatischen Szenen des Niedergangs, die viele Teile Detroits dominieren, sind nicht alles. Viele Künstler haben sich den offenen Raum der Stadt zu eigen gemacht, so wie das Heidelberg Project, eine Kunstinitiative, die für ihre bunten Außeninstallationen bekannt ist. Auf einer leeren Grasfläche unweit der Packard-Fabrik haben sie Hunderte bunte Schuhe abgeladen, die einen Pfad formen, der zu einem alten, dreckigen Liegestuhl führt.

Im Zentrum pulsiert inzwischen das Nachtleben, heimische Bands geben Konzerte und Bars wie der Nancy Whiskey Pub haben trotz des Niedergangs von Detroit seit 120 Jahren ihre Türen nicht geschlossen. Hier reihen sich auch Kunstgalerien aneinander, eine von ihnen hat einzig die Stadt Detroit zum Thema.

Sie verkauft eine Ansichtskarte mit einem aktuellen Schwarz-Weiß-Foto der Michigan Central Station. Allerdings wurden darauf das wild wachsende Gras und die Bäume am Computer getrimmt, Fenster wieder eingesetzt und der Stacheldraht entfernt. Es sieht beinahe so aus, als wäre der Bahnhof bereit für neue Besucher.

(apd/nbe)
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