Druck auf Daimler-Chef Dieter Zetsche Mercedes hofft auf die neue E-Klasse

Stuttgart · Noch nie wurde ein Auto bei einer Modellpflege so grundlegend renoviert wie jetzt die E-Klasse von Mercedes.Der Aufwand zeigt, wie groß der Innovationswettbewerb unter den Herstellern geworden ist.

2013: Update für Mercedes E-Klasse Coupe und Cabrio
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In knapp zwei Wochen steht die neue E-Klasse bei den Händlern. Der Druck auf Daimler-Chef Dieter Zetsche ist groß: Mit keinem anderen Modell verdient der Konzern mehr Geld als mit diesem Dienstwagen-Klassiker. Der Business-Benz ist Zetsches wichtigster Mercedes.

Das aktuelle Modell läuft seit dreieinhalb Jahren vom Band. Zuletzt mehr schlecht als recht: 2012 fand die E-Klasse nur noch 300.000 Käufer. Entsprechend brach der Mercedes-Gewinn um 15 Prozent ein. BMW verkaufte den konkurrierenden "5-er" im selben Jahr 360.000-mal. Die Bayern und Audi präsentieren ihren Aktionären schon seit Jahren bessere Bilanzen als Daimler. Auch deshalb wurde Zetsches Vertrag kürzlich nur um drei statt der erwarteten fünf Jahre verlängert. Floppt jetzt auch noch die neue E-Klasse, wird es für den Schnauzbart-Mann eng.

"Der Vorverkauf läuft sensationell"

Aber danach sieht es nicht aus. Seit Anfang März nimmt Daimler Bestellungen für das Oberklasse-Modell entgegen. "Der Vorverkauf läuft sensationell", sagt ein Daimler-Sprecher auf Anfrage, belegt das aber nicht mit Zahlen. Die Bänder in Sindelfingen seien "komplett ausgelastet". In Sindelfingen steht Zetsches größtes Pkw-Werk. 3400 Mitarbeiter bauen dort seit Anfang März die neue E-Klasse zusammen.

Wobei es sich bei der "neuen E-Klasse" genau genommen um eine Auffrischung des aktuellen E-Klasse-Modells handelt, wie sie bei Großserien-Autos zur Hälfte des meist sechs- bis achtjährigen Produktionszeitraumes üblich ist. Bei der E-Klasse fiel das sogenannte Facelift diesmal aber so aufwändig aus, dass Mercedes einen neuen Rekord setzt. Die optische und technische Runderneuerung soll knapp eine Milliarde Euro gekostet haben. Soviel kostet sonst die Entwicklung eines komplett neuen Modells.

Mercedes gibt der Branche mit dem Super-Facelift der E-Klasse also auch einen neuen Takt vor. "Die Modell- und Entwicklungszyklen in er Autoindustrie werden immer kürzer", sagt Stefan Bratzel vom "Center of Automotive Management" in Bergisch Gladbach, "künftig werden Premiumhersteller den Beispiel folgen und auch bei einem Facelift Innovationskraft beweisen müssen."

Apples Sprachsteuerung Siri

Ein Grund für den Zwang der Branche, immer schneller neu wirkende Autos auf die Räder zu stellen, ist die wachsende Ausstattung mit Infotainment-Elektronik wie Internet-Relais und Smartphone-Schnittstellen. Die Elektronik-Branche kann wegen ihrer geringeren Entwicklungskosten viel öfter neue Erfindungen anbieten als Autohersteller. Wer ein neues Auto kauft, will aber trotzdem alle aktuellen Assistenzsysteme und die passende Schnittstelle für das neueste iPhone an Bord haben. Deshalb weicht die geliftete E-Klasse jetzt automatisch dem Gegenverkehr aus und versteht Apples Sprachsteuerung Siri. Eine Stereokamera löst eine Fußgänger-Notbremsfunktion aus. Insgesamt verfügt die E-Klasse jetzt über elf neue und optimierte Assistenzsysteme, von denen die meisten eigentlich für künftige S-Klasse-Generationen entwickelt wurden.

Noch teuerer als die neue Bordelektronik war für Daimler die optische Modellpflege, denn jedes anders geformte Blech setzt neue Pressen voraus. Das markante Vier-Augen-Gesicht der bisherigen E-Klasse verschwindet. Von den diamantenförmigen Doppelscheinwerfern verabschiedet Mercedes sich ebenso wie von den pausbäckigen hinteren Radläufen. Dafür wird das Heck bulliger. Die neue Front mit LED-Technik wirkt moderner, außerdem kommen zwei unterschiedliche Kühlergrill-Designs zum Einsatz. Die Motorhaube wird kantiger, die gesamte Linienführung gewinnt an Dynamik.

Genaue Zahlen hält Daimler geheim

Neben dem hektischer gewordenen Zeitgeist wird Daimler auch von einer veränderten Käuferstruktur zu mehr Tempo gezwungen: Gerade bei der Nobelmarke wächst der Anteil der Verkäufe an Leasing- und Mietwagenflotten enorm — genaue Zahlen hält Daimler geheim. Flotten tauschen ihre Fahrzeuge nach drei Jahren aus. Diesem Rhythmus passt Daimler sich offenbar an. In drei Jahren soll die nächste E-Klasse zu den Händlern kommen.

(RP/sgo/csi)
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