Kompakt-Renner im Vergleich Golf GTI gegen Focus RS: Wer ist besser?

Düsseldorf (RP). Der eine ist die Rennmaschine im Gentleman-Dress. Der andere der Tourenwagen im Muskel-Outfit. Unser Vergleich zwischen den kompakten Kraftsportlern Golf GTI und dem Ford Focus RS.

Golf GTI und Focus RS im Kräftecheck
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Golf GTI und Focus RS im Kräftecheck

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Der Golf GTI war in den 80er der Traum der großen Brüder. Schnell, hart, sportlich — und mit Preisen, die ihn zum Greifen nah erscheinen ließen. Ein Porsche für Normalos sozusagen. Heute ist der GTI ein Renngolf im Schafspelz. Maximale Power — minimales Aufsehen.

Das absolute Gegenteil: Der Focus RS von Ford. Brachiale Kraft, brachiales Auftreten. Was im Golf steckt, verraten ein winziger GTI-Schriftzug, zwei Auspuffrohre und dünne rote Linien am Kühlergrill. Was im Focus steckt, ist gar nicht versteckt. Riesiger Heckspoiler, ausgestellte Kotflügel und Carbon-Optik, als würde er sagen wollen: "Ich bin eine Rennsemmel."

Potentester Ford-Motor

Wer sonst einen Kleinwagen fährt, dessen PS-Zahl er erst im Fahrzeugschein nachgucken muss, für den ist die Fahrt mit dem Ford Focus RS ein Ausflug in eine neue Welt. Eine giftgrüne Welt, die mit 305 Pferdestärken auf den Vorderachsen beginnt und dem üppigen Heckspoiler am anderen Ende aufhört. Der Aufkleber "Mit Winterreifen nur 240" mutet an wie eine Eintrittskarte in die Achterbahn des automobilen Freizeitparks. Und wirklich, eine Fahrt, angetrieben vom potentesten Motor, den Ford in Europa vom Band lässt, treibt den Fahrer im Minutenwechsel zwischen ungläubigem Stauen und peinlicher Berührtheit.

Dieses Auto ist ein Leistungsprotz in der Größe eines Kompaktwagens. Es ist diese Kombination aus dem Fahrgestell eines Einkaufsflitzers mit dem Herz eines Rennwagens, die das Fahrerlebnis mit dem Focus RS ausmacht. Der für leistungsstarke Sportwagen ungewöhnliche Frontantrieb schafft es, die 19-Zoll-Räder des "Kleinen" mit voller Wucht auf die Straße zu drücken. Bei durchgetretenem Gaspedal hat man das Gefühl, im startenden Flieger zu sitzen.

Das Lenkrad verzichtet bei der Beschleunigung trotzdem auf unangenehmes Zerren in den Unterarmen. Das Sechs-Gang-Getriebe schaltet erfrischend leicht in die oberen Regionen, im unteren Drehzahlbereich ermutigt der Wagen sogar zur Schaltfaulheit. Es braucht jedoch einige Zeit, das sensible Gaspedal in den Griff zu bekommen und Anfahren auf dem Supermarkt-Parkplatz und Beschleunigen auf der Autobahn zu unterscheiden.

Golf deutlich zahmer

Der Golf ist deutlich zahmer, kein Wunder, denn er hat fast 100 PS weniger. Dennoch vermittelt er ein ausgesprochen sportliches Fahrgefühl. Die Kraft ist nicht so brachial wie im Ford, aber beim Ampelrstart lässt auch der GTI andere locker zurück. Per Knopfdruck kann der GTI-Pilot die Härte des Fahrwerks variieren. Steht der Schalter auf Komfort, fährt der Golf butterweich wie ein Familienpassat.

Ein Druck auf den Sport-Knopf, und schon fühlt sich der GTI wie ein un-gefederter Cart an. Vergleicht man die beiden Tiefflieger mit alkoholischen Getränken, dann ist der GTI ein Cocktail. Dort verschleiern Zucker und süße Säfte den harten Alkohol. Der Rausch kommt versteckt. Der Focus wäre im Getränkevergleich pur wie klarer Korn.

Um die Wirkung des Tourenwagen-Flairs zu verstärken lenken die Ford-Ingenieure ausgewählte Motorengeräusche in den Innenraum des Wagens. Und der Fünf-Zylinder-Turbo-Motor hat es wahrlich in sich: Mit 5,9 Sekunden von Null auf 100 km/h und 263 km/h Höchstgeschwindigkeit liegt der RS nur minimal unter den Werten eines Porsche Cayman.

Der leise Auftritt des Wolfsburgers setzt sich im Innenraum fort. Er ist kein Krawallbruder wie der Kölner. Er ist bei normaler Fahrweise ruhig wie jeder herkömmliche Normalo-Golf. Und zur magischen 100-km/h-Marke braucht der GTI nur eine Sekunde länger als der Focus RS.

Ingenieur-Spielerei

Der Ford kommt daher wie ein Pentium-IV-Prozessor in einem Commodore-64-Gehäuse. Die Ingenieur-Spielerei, eine Rennmaschine in einen Kompaktwagen zu packen, stößt nach anfänglicher Begeisterung an unangenehme Grenzen. Nicht zuletzt bei jeder Bodenwelle, die der RS ungefiltert hart in die Recaro-Sportsitze weitergibt.

Das Interieur wirkt im direkten Vergleich mit dem Golf billig. Der auf wenige hundert Exemplare limitierte Ford bleibt ein Spielzeug, ein Leckerbissen für Tuning-Freunde. Aber: Wo bekommt man schon ein PS zum schlappen Preis von 111 Euro. So betrachtet ist der RS ein Schnäppchen. Beim 80-PS-Basis-Focus kostet eine Pferdestärke 194 Euro.

Der Golf lässt zwar den Nachbarn nicht aufschrecken — aber er wird ihn nachhaltig neidisch machen. Sein Innenleben hat gehobenes Niveau. Seine Fahrleistungen sind beachtlich. Gutes Understatement — das gelingt dem GTI.

(RP)
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