Radikales Design Wie keil ist das denn? 50 Jahre Lamborghini Countach

Düsseldorf · Der Lamborghini Countach feierte sein Debüt vor 50 Jahren - spektakulär wie eine Ufo-Landung. So ein Auto hatte die Welt noch nicht gesehen. Die extreme Keilform veränderte das Bild des Sportwagens für immer.

 Wie mag das Bild hier wohl klingen? Genau - Vroooaaam!

Wie mag das Bild hier wohl klingen? Genau - Vroooaaam!

Foto: dpa-tmn/Guizzardi Umberto

Sein Name war Programm. Denn Countach - „Kun-tatsch“ - steht im Dialekt der Piemontesen für den Ausruf des atemlosen Erstaunens. Und genau so hat die PS-Welt reagiert, als Designer Marcello Gandini auf dem Genfer Salon im Frühjahr 1971 das Tuch vom Countach LP500 zog:

Ein Sportwagen wie ein Keil, nicht mit dem Stift gezeichnet, sondern mit groben Schnitten und scharfen Kanten aus dem Blech gehauen - mit Türen, die wie Scheren öffneten. Einer, der - egal aus welcher Perspektive - so ganz anders war als alles, was bis dahin über die Überholspur gejagt ist.

Kein Wunder, dass sich der Countach mit seinem V12 im Heck auf Anhieb in die Herzen der Schnellfahrer gebohrt und es als Poster in viele Jugendzimmer jener Zeit schaffte.

 Macht hoch die Tür...: Nach oben schwingende Türen gehören zum Markenzeichen des Countach.

Macht hoch die Tür...: Nach oben schwingende Türen gehören zum Markenzeichen des Countach.

Foto: dpa-tmn/Guizzardi Umberto

Staunen statt Stier Das Auto wurde zwar am Stand von Gandinis Firma Bertone enthüllt, doch die Firma dahinter war keine geringere als Lamborghini. Die hatte mit dem Miura zu dieser Zeit den vielleicht schönsten Sportwagen der Ära im Programm und diesen gerade frisch modernisiert.

Doch plante man aber bereits die Nachfolge und hatte dafür Gandini engagiert. Der brach radikal mit den alten Traditionen, führte nicht nur ein neues Styling ein, sondern machte selbst beim Namen eine Ausnahme: Statt wieder einen berühmten Stier zu ehren, schaute er den Nachbarn auf den Mund und übernahm die erstaunte Lautmalerei.

Der Seriensportler startete erst Jahre später Angesichts der begeisterten Reaktionen aus Genf war es kein Wunder, dass Lamborghini mit Anfragen und Blankoschecks überhäuft wurde und eiligst in die Serienentwicklung einstieg. Allerdings dauerte es noch mehr als zwei Jahre, bis im Herbst 1973 auf dem Pariser Salon das 275 kW/376 PS starke Serienmodell Countach LP400 präsentiert wurde. Das wurde ab Frühjahr 1974 in mehreren Evolutionsstufen bis 1990 gebaut . Zu stolzen Preisen übrigens - schließlich kostete der Wagen bei seiner Premiere 99 800 D-Mark.

 Kubismus im „Kun-tatsch“: Gut, die Optik im Bauklötzchendesign ist Geschmacksache, aber für die Pedalerie braucht man besser schlanke Füße

Kubismus im „Kun-tatsch“: Gut, die Optik im Bauklötzchendesign ist Geschmacksache, aber für die Pedalerie braucht man besser schlanke Füße

Foto: dpa-tmn/Guizzardi Umberto

„Der Countach war provokant und polarisierend, er brachte die Menschen zum Lächeln und zum Starren“, sagt der aktuelle Lamborghini-Designchef Mitja Borkert in der Rückschau. „Und er hat in seiner radikalen, kompromisslosen Art alle unsere Autos danach geprägt.“ Glaubt man Alessandro Farmeschi, der als Service-Chef in Sant’Agata auch die Oldtimer-Abteilung Polo Storico verantwortet, gilt das weit über die Marke hinaus: „Der Countach war stilbildend für alle Supersportwagen, die nach ihm kamen.“

Im Ufo von gestern durchs Italien von heute Die Serienentwicklung mag ein wenig gedauert haben. Doch kaum war der Countach auf der Straße, kannte er kein Halten mehr - und daran hat sich bis heute nichts geändert. Nicht nur, dass er noch immer aussieht, als käme er von einem anderen Stern. Sondern auch das Fahrgefühl ist galaktisch wie eh und je.

Mittlerweile mögen die 335 kW/455 PS des Zwölfzylinders in diesem silbernen Sonderling aus der 25th Anniversary Edition, die sich Lamborghini zum ersten runden Jubiläum der Firma geschenkt hatte, zwar nicht mehr ganz so spektakulär sein. Und auch Tempo 300 Spitze erreichen heute schon überzüchtete Mittelklasse-Modelle. Aber wenn im Heck der 5,2 Liter große Zwölfzylinder entflammt und die Fuhre mit 500 Nm dem Horizont entgegenschleudert, ist das Spektakel unerreicht.

 „Posterboy“: Nicht wenige Jugendliche dürften den Lamborghini Countach als Poster an der Wand gehabt haben - oder im Auto-Quartett.

„Posterboy“: Nicht wenige Jugendliche dürften den Lamborghini Countach als Poster an der Wand gehabt haben - oder im Auto-Quartett.

Foto: dpa-tmn/Guizzardi Umberto

Haben die nach heutigen Maßstäben viel zu kleinen Reifchen ihre breiten Laufflächen erst einmal aufgewärmt, können die Kurven ruhig kommen. Gierig schießt der Countach dann durch die Berge der Emilia Romagna und lehrt die vielen Prototypen aus Maranello und Sant’Agata, die hier mit politisch korrektem Plug-in-Hybrid den Weg in die Zukunft suchen, einmal mehr das Fürchten.

Wenig Platz im Inneren Bei aller Begeisterung: Der Countach ist aber kein Auto ohne Fehl und Tadel. Für den Fahrer kann er schon zu Beginn eine schwere Prüfung sein: Das Einsteigen erfordert eine gewisse Gelenkigkeit, wenn man sich über den endlos breiten Schweller hinweg und unter der guillotinengleichen Tür hindurch in den nur 1,07 Meter hohen Flachmann fädelt. Der Fußraum ist klein, der Kopf passt kaum unters Dach. Ach ja, und wirklich etwas sehen kann der Fahrer übrigens auch nicht: Die Frontscheibe bietet nicht viel mehr Ausblick als der Schlitz eines Briefkastens.

Zur Seite kann man sich in der Enge kaum drehen. Und weil es das Periskop im Dach nur bei den ersten 157 Exemplaren gegeben hat, ist der Blick nach hinten in diesem Auto vom Motor versperrt. Aber hey: Was draußen vorbeizieht, verschwimmt ohnehin in Schlieren. Und wer braucht schon Rücksicht, wenn er in einer Rakete auf Rädern sitzt?

 Flache Flunder: Der kaum mehr als einen Meter hohe Lamborghini Countach begründete die Ära der Supersportwagen.

Flache Flunder: Der kaum mehr als einen Meter hohe Lamborghini Countach begründete die Ära der Supersportwagen.

Foto: dpa-tmn/Automobili Lamborghini

Vom Countach zu den Hypercars Zumindest damals konnte dem Countach ohnehin kein anderes Auto gefährlich werden. Ein Design so radikal wie lange nicht mehr, Fahrleistungen von einem anderen Stern und eine Langzeitwirkung, die bis heute anhält. Für Oldtimer-Experte Frank Wilke vom Marktbeobachter Classic-Analytics macht ihn das zu einer der ganz wenigen Ikonen in der bunten Autowelt. Und auf jeden Fall zum Begründer des Segments der Supersportwagen.

Bis Autos wie der Porsche 918, der McLaren P1 oder natürlich der Bugatti Veyron die Klasse der Hypercars definiert haben, markierte die vom Countach geschaffene Fahrzeuggattung die einsame Spitze der PS-Skala, sortiert Wilke ein.

Doch bei aller Begeisterung hatte der Countach immer auch ein etwas halbseidenes Image: „Weil Lamborghini sich anders als Ferrari damals nicht im Rennsport engagiert hat, haben viele Neider und Kritiker dem Countach die nötige Finesse und Ernsthaftigkeit abgesprochen“, sagt Wilke.

 Kraft wie ein Stier: Der Zwölfzylinder stellt dem Lamborghini in diesem Countach-Modell 455 Pferdestärken parat.

Kraft wie ein Stier: Der Zwölfzylinder stellt dem Lamborghini in diesem Countach-Modell 455 Pferdestärken parat.

Foto: dpa-tmn/Guizzardi Umberto

Und dass der Wagen bisweilen im Rotlichtmilieu auftauchte, hat seinem Image auch nur bedingt geholfen. „Vermeintlich echte Connaisseure haben immer ein wenig die Nase gerümpft und den Countach als Auto für Angeber abgetan: Eine Art Corvette für Superreiche.“

Eines der teuersten Lamborghini-Modelle Im Ringen um Anerkennung hat das Lamborghini damals sicher gewurmt, vor allem im ewigen Kampf mit Ferrari. Und so, wie die Designlinie des Countach bis heute in jedem Lamborghini fortlebt, hängt der Marke bisweilen auch noch sein Image nach.

„Doch der Wertschätzung für den Countach hat der Ruf als Bad-Boy in der Rückschau sicher nicht geschadet“, sagt Wilke und zitiert stolze Preise: Spitzenmodelle wechselten den Besitzer schon mal für 800.000 Euro oder mehr. Und unter 250.000 Euro sei kaum ein Countach zu haben.

 Rein und los? Nun ja, das „rein“ kann hier je nach Statur des Fahrers etwas länger dauern als dann das „los“.

Rein und los? Nun ja, das „rein“ kann hier je nach Statur des Fahrers etwas länger dauern als dann das „los“.

Foto: dpa-tmn/Guizzardi Umberto

Auch wenn die Preise laut Wilke gerade wieder ein wenig sinken, zählt er zu den teuersten Lamborghini-Modellen - und ist trotzdem ein Schnäppchen. Zumindest, wenn man ihn mit dem Erstling vergleicht, den sich ein Schweizer Sammler in Sant’Agata hat rekonstruieren lassen, nachdem das vor 50 Jahren in Genf enthüllte Original bei Crashtests im Rahmen der Entwicklung geopfert wurde. Denn auch wenn Hersteller und Kunde Stillschweigen vereinbart haben, braucht es bei 25 000 Stunden Arbeitszeit nicht viel Fantasie sich einen hohen ein-, vielleicht sogar zweistelligen Millionenbetrag zusammen zu rechnen.

Countach der 2020er Weil dieses Unikat unverkäuflich ist und ein Oldtimer nicht für jeden in Frage kommt, hat Lamborghini ein Herz für Countach-Fans bewiesen. Denn vor ein paar Monaten beim Concours d'Elegance in Pebble Beach raunte wieder ein vielstimmiges „Kun-tatsch“ über den feinen Rasen, als Markenchef Stephan Winkelmann das Tuch von einem neuen Countach zog.

 Wo würden Sie am liebsten einsteigen? Neuauflage, Jubiläums-Renner oder Urmodell (von links nach rechts)?

Wo würden Sie am liebsten einsteigen? Neuauflage, Jubiläums-Renner oder Urmodell (von links nach rechts)?

Foto: dpa-tmn/Guizzardi Umberto

Wie damals in einer strengen Keilform gezeichnet, mit dem modernsten V12 der Marke als Mild-Hybrid aber mittlerweile 599 kW/814 PS stark und bis zu 355 km/h schnell, soll der 2022 in Serie gehen. Billig wird allerdings auch diese Hommage nicht: Der neue Countach kostet schon laut Liste mindestens zwei Millionen Euro.

Und weil alle 121 Exemplare bereits vor dem Start verkauft sind, wird man wohl ein bisschen was drauflegen müssen, wenn man einen anderen Vorbesteller herauskaufen will.

(csr/dpa)
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