Paukenschlag vor 40 Jahren Ford Taunus: Erfolg mit dicker Nase

Düsseldorf (RPO). Sie waren Zwillinge. Der Ford Taunus und der auf dem englischen Markt verkaufte baugleiche Cortina präsentierten sich von 1970 bis 1982 in fast einheitlichen, amerikanisch üppigen Formen. Ford schlug vor 40 Jahren ein neues Erfolgskapitel in der Mittelklasse auf.

40 Jahre Ford Taunus
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In Deutschland markierte der Taunus gerade den Höhepunkt einer über 30-jährigen Erfolgsgeschichte, in Großbritannien war der Cortina seit fast einer Dekade die unangefochtene Nummer eins auf dem Automobilmarkt, da verfügte die amerikanische Konzernzentrale die Fusion der europäischen Ford-Mittelklasse.

So präsentierten sich die neuen Zwillinge Taunus und Cortina 1970 in fast einheitlichen, aber amerikanisch üppigen Formen. Gemeinsam sollten sie mit Motoren von mageren 1,3 Liter bis gewaltigen 4,1 Liter Hubraum die Verkaufscharts in über 50 Ländern auf allen Kontinenten erobern. Legendäres Erkennungszeichen wurde eine dicke Blechfalte in Grill und Motorhaube, eine Nase, die der amerikanische Ford-Präsident Semon "Bunkie" Knudsen zum Ende seiner nur 19 Monate währenden Amtszeit den Designern ins Lastenheft diktierte.

Dabei kennzeichnete die ersten Prototypen der maßgeblich im englischen Dagenham entwickelten Mittelklasse noch eine betont schlichte Linienführung — ganz im Stil des erfolgreichen Cortina II. Doch dann forderte die Konzernzentrale in Detroit einen Einheits-Ford für Europa und die ganze Welt — fast wie heute.

Rückkehr zum Hinterradantrieb

Allein der nordamerikanische Heimatmarkt ging modellpolitisch vorerst weiter einen eigenen Weg. "American way" auf europäisch bedeutete für die neuen Volumenmodelle Rückkehr zum traditionellen Hinterradantrieb — die bisherigen Taunus 12 M und 15 M setzten bereits auf modernen Vorderradantrieb — und ein sportlich-kraftvolles Design mit langer Motorhaube sowie kurzem Heck nach dem Konzept von Ford Mustang und Capri. Die Idee der erfolgreichen Sportcoupés sollte auf die Familienklasse übertragen werden. Dazu gehörte eine breite Motorenpalette, die mit dem Taunus sogar erstmals repräsentative Sechszylinder-Motoren in die europäische Mittelklasse brachte.

Ein Erfolgsrezept, mit dem sich Ford sogar gegen die innovativen "Autos des Jahres 1970" durchsetzte, den avantgardistischen Titelträger Citroen GS mit Hydropneumatik und den zweitplatzierten VW K70, der den Frontantrieb ins VW-Programm einführte. Zugleich sollten die ebenfalls neuen, aber konservativen und zugleich biederen Opel Ascona und Vauxhall Viva bekämpft werden. Tatsächlich schien die Strategie aufzugehen.

Donnernder Paukenschlag

Im Herbst 1970 setzte der Taunus in Medien und Öffentlichkeit einen donnernden Paukenschlag, ähnlich wie gut ein Jahr zuvor der Capri. Und in Großbritannien ersetzte der Cortina MK III mit fast gleicher Karosserie, aber modischem Coke-Bottle-Schwung im Heck auf ähnliche spektakuläre Weise den Bestseller Cortina MK II und zugleich den größeren Corsair. Bis zu sechs Monate Lieferzeit kündeten anfänglich von einem enormen Erfolg der sportlichen und stattlichen Mittelklasse. Insgesamt vier Karosserien (Taunus/Cortina als zwei- und viertürige Limousine sowie als Kombi und dazu ein Taunus Coupé) und 63 Ausstattungsversionen ergaben einen Mittelklasse-Baukasten mit bis dahin nie da gewesener Ausstattungsvielfalt.

Dann kam die Ernüchterung: Die simple Technik mit schwächlicher, aber relativ durstiger 40 kW/55 PS-Einstiegsmotorisierung, dazu die zwar sportliche, aber wenig komfortable Fahrwerksabstimmung, die geringe Geräuschdämmung und vor allem die mangelhafte Qualitätskontrolle sorgten für negative Schlagzeilen in der Presse und Enttäuschung bei den Kunden. Probleme, die Taunus und Cortina gleichermaßen betrafen, wie sich besonders deutlich auf den Märkten der damaligen Freihandelszone Efta (Irland, Portugal, Schweiz, Österreich und Skandinavien) zeigte, wo Cortina und Taunus miteinander konkurrierten.

60-Punkte-Programm

Ford handelte rasch. Schon Anfang 1971 besserte ein "60-Punkte-Programm" Qualität und Fahrkomfort ein wenig nach, rechtzeitig zum Start der außereuropäischen Karriere des designierten Weltautos. So ganz abgestellt wurden die Mängel zwar erst mit der Neuauflage von Taunus/Cortina im Jahr 1976, den globalen Siegeszug bremsten sie aber nicht. In Korea setzte sich der Cortina an die Spitze der Verkaufscharts — unter dem Markenzeichen von Hyundai. In Australien und Neuseeland wurde der Cortina Flottenfahrzeug Nummer eins — nicht zuletzt dank der 4,1-Liter-Sechszylinder. Auch in Südafrika garantierten üppig dimensionierte Sechszylinder den ganz großen Erfolg als Familien- und Firmenauto.

Anders der deutsche Taunus, der in Argentinien mit amerikanischen Vierzylindern bis Mitte der achtziger Jahre stolze Absatzzahlen feierte, zu einer Zeit als in Europa längst der Sierra die Ford-Mittelklasse bestimmte. Die rauen Zweiliter-Vierzylinder aus amerikanischen Compacts befeuerten in Großbritannien auch die luxuriösen Executive-Modelle des Cortina, allerdings nur bis zum Modellwechsel im Jahr 1976. Dann wurde unter dem durchsetzungsfähigen Ford-Chef Bob A. Lutz Deutschland zum europäischen Schlüsselmarkt.

Einheitliches Kleid

Mit der Folge, dass Taunus II und Cortina MK IV von Chefdesigner Uwe Bahnsen ein einheitliches Kleid erhielten mit klaren Linien, großen Fensterflächen und prestigeträchtigen 2,0- und 2,3-Liter großen Sechszylindern in den Topversionen. Wie zuvor mit dem Granada gelang Ford mit den neuen Sechszylinder-Taunus/Cortina auf vielen Märkten der Aufstieg in die Businessclass. Vier Jahre später war die Ford-Mittelklasse technisch endgültig von gestern. Ihrem Erfolg tat dies jedoch noch immer keinen Abbruch. So genügte eine Auffrischung mit höherem Dachaufbau, neuer Fahrwerksabstimmung und verbrauchsoptimierten Motoren, um die Oldies fit für die Achtziger zu machen.

Erst im Juli 1982 hieß es endgültig: It´s time, to say goodbye. Für die Briten ein Schock, den sie erst nach Jahren überwanden. Denn wie in Elton Johns Hit "Made in England" besungen, war ein Cortina damals so britisch wie rote Telefonhäuschen oder Doppeldecker-Busse.

Sierra eine Zumutung

Der neue fünftürige Sierra im futuristischen Aerodynamikdesign war 1982 zu viel Zumutung für die konservativen Briten — und sogar für nicht wenige deutsche Ford-Fahrer. Und dennoch zeigte sich die Marke mit der Pflaume vorerst lernresistent. Auch Granada und Granada Turnier sollten 1984 einem weniger erfolgreichen Vertreter des Avantgardismus, dem Scorpio, weichen. Erst mit der zweiten Mondeo-Generation fand Ford Europa endgültig zurück in die einstige Erfolgsspur von Taunus und Cortina. Die zeitgeistigen TC-Modelle (interne Bezeichnung für Taunus/Cortina) genießen derweil als rare Youngtimer einen besonderen Kultstatus bei Szenetreffen.

(SP-X)
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