Neoplan Starliner "Individual" Die wahrscheinlich längste Limousine der Welt

Düsseldorf · Mercedes S-Klasse? Audi A8? 7er BMW? Oder eine Stretch-Limo? Darüber kann kann Heinz Kiess beim Bus-Bauer Neoplan nur lachen. Denn er ist verantwortlich für die wahrscheinlich längste Limousine der Welt.

Neoplan-Luxus-Bus: Die wahrscheinlich längste Limousine der Welt
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Foto: SP-X/Benjamin Bessinger

Billiges Kunstleder auf den Sitzen, ranzige Vorhänge vor den Fenstern, auf dem Fußboden abgetretenes Linoleum und in der Luft ein muffiger Duft — wer jemals mit dem Bus in die Schule gefahren ist, bekommt solche Erinnerungen nicht mehr aus dem Kopf. Es sei denn, er kennt Heinz Kiess.

Denn der Mann leitet das Produktmanagement bei der VW-Tochter Neoplan, die mit ihren betont vornehmen Reisefahrzeugen so etwas wie der Bentley der Branche sein will. Und weil deren normale Flotte allem scharfen Design und aller gehobenen Ausstattung zum Trotz wahrscheinlich noch immer nicht reicht, um die alten Vorurteile zu tilgen, fährt er zum Imagewandel gerne mal einen mit einem Starliner aus der Individual-Abteilung des Münchner Herstellers vor.

Genau wie die Werkstuner von Mercedes, Audi oder BMW hat auch Neoplan ein Team von Spezialisten, das für die ganz individuellen Kundenwünsche zuständig ist. Zwar bekommen die Schreiner und Sattler, Elektroniker und Innenausbauer des Individual-Teams im Schnitt nur etwa sechs der zuletzt 600 Neoplan-Busse pro Jahr in die Hände. Doch weil sich der Preis durch ihre Arbeit schnell mal verdreifacht, ist das trotzdem ein lohnendes Geschäft.

Von einem Schulbus weit entfernt

Dafür wird dann aber auch einiges geboten: Binnen sechs Wochen werden die 14 Meter langen und fast 4 Meter hohen Reisebusse weitgehend in Handarbeit mit reichlich Lack und Leder und noch mehr Hightech zu echten Luxuslinern umgebaut, die Kiess nicht umsonst die "längsten Limousinen der Welt" nennt.

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Denn mit dem Schulbus von einst haben diese Suiten auf Rädern bis auf die Fahrzeuggattung nicht mehr viel gemein. Und sie befördern auch keine Pennäler, sondern Präsidenten, Wirtschaftsbosse, Monarchen oder Millionäre, plaudert er aus dem Nähkästchen.

Wie vielfältig die Möglichkeiten der Umbauer sind, demonstriert Kiess mit seinem fast noch dezenten Vorführfahrzeug: Statt üblicherweise 54 Plätze hat dieser Bus nur noch 36 Sitze mit einer Beinfreiheit wie in der Business-Class. Statt mit Stoff sind die Sessel mit dunklem Leder bezogen und blau vernäht.

Es gibt eine schillernde Ambiente-Beleuchtung, auf dem Boden liegt Echtholzparkett, alle Ablagen sind mit Stoff verkleidet, und im Heck lockt eine Lounge mit geschwungener Sitzgruppe, großem Marmortisch, klimatisierten Weinregalen und Designerschränken für die passenden Gläser in den Seitenwänden.

Doch der ganze Stolz des Produktmanagers ist die Küchenzeile im Mittelblock, die es beinahe mit einem Restaurant oder zumindest mit einem Luxusappartement aufnehmen kann: Geschirrspüler, Ceran-Kochfeld, Espresso-Vollautomat, Grill und Heißluftherd — Hunger muss hier keiner haben.

Sogar das Klo ist einen Blick wert

Und weil wohl am Ende trotzdem nie ein Koch mitfahren wird, hat sich Neoplan für professionelles Catering gerüstet: In die Einbauschränke passen die maßgeschneiderten Atlas-Boxen aus dem Flugzeug und ganz vorn in den Designermöbeln steckt der originale Ofen aus einem Airbus: "So können wir mühelos das gleiche Catering nutzen wie die Lufthansa", erläutert der Manager.

Danach zeigt er seinen Gästen stolz sogar den Ort, den man sonst in der Regel nur alleine besucht: die Toilette im Souterrain. Bei den meisten Bussen eine ebenso schmierige wie enge Stube, die man nur im höchsten Notfall aufsucht, ist der Sanitärbereich hier eine kleine Wellness-Oase mit Keramikmöbeln, Designerschränken, Schminkkommode und fließend warmem Wasser — auch da steht der Starliner einem Airbus in nichts nach.

Selbst der Fahrer kommt bei den Umbauten nicht zu kurz: Er sitzt auf einem Komfortsessel und blickt auf ein Ambiente aus Lack und Leder, in dem selbst die Karbon-Leisten wie im Sportwagen nicht fehlen — auch wenn sein Auto natürlich nicht ganz so dynamisch ist wie die Fahrzeuge von AMG & Co.

Doch so ganz chancenlos wäre er im Autoquartett trotzdem nicht: Immerhin steckt im Heck des Busses ein 12,6 Liter großer Sechszylinder, der 505 PS leistet und gewaltige 2.300 Nm auf die Straße bringt: "Alles über 500 PS zählt zur Porsche-Liga unter den Busmotoren", prahlt Kiess.

Der Bus, mit dem der Leister des Produktmarketings in der Regel auf Promotionstour geht, ihn bei Messen als Ausstellungsfahrzeug auffährt oder als Anschauungsobjekt mit zu potentiellen Kunden nimmt, ist noch vergleichsweise zahm und züchtig ausgestattet.

50.000 für die Küche

Zwar stecken auch in seinem Vorführwagen schon netto 200.000 Euro Umbaukosten drin, von denen allein 50.000 Euro in die Einbauküche geflossen sind. Doch weil er diesen Bus bisweilen auch an den Konzernvorstand in Wolfsburg ausleihen muss, hat sich Kiess bei der Konfiguration die ärgsten Extravaganzen verkniffen.

Aber es sind nicht nur Unternehmen wie der VW-Konzern oder Reisebüros mit besonders exquisiten Programmen, die das Individual-Team auf Trapp halten. "Im Gegenteil", sagt Kiess und erzählt von arabischen Ölscheichs und russischen Oligarchen, osteuropäischen Staatspräsidenten und natürlich den Spitzenclubs des europäischen Fußballs, die zu seinen Kunden zählen.

Hier mal eine Massageliege, dort mal ein Konferenzabteil wie eine rollende Regierungszentrale, den Sternenhimmel an der Decke oder Tropenhölzer auf dem Boden, Schlafkabinen oder Badezimmer wie in First-Class-Flugzeugen — da konkurriert Kiess' Truppe nicht mehr mit den Individualisierungssparten der Autohersteller, sondern sieht sich eher in der Welt der Yachtbauer.

Das gilt allerdings auch für die Preise: "Denn wo es den normalen Starliner sonst für gut 450.000 Euro gibt, kommt man dann schon mal auf 1,5 Millionen Euro", räumt der Manager ein.

Natürlich haben die Spezialisten bei all ihren Umbauten immer auch die Sicherheit im Sinn, achten auf Flammschutz, Crashverhalten und Fahrstabilität, weshalb sich zum Beispiel Whirlpools und Wasserbetten zumindest im fahrenden Bus von selbst verbieten. Doch wann immer die Sicherheit nicht tangiert ist, gibt es für die Ausbauten bei der längsten Limousinen der Welt nur ein Motto, sagt Kiess: "Geht nicht, gibt's nicht."

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