Irreführung statt Orientierungshilfe Die Tücken moderner Navigation

Chemnitz/München (RPO). Zu Weihnachten lagen sie zu tausenden unter den Gabentischen - Navigationsgeräte. Die mobilen Pfadfinder gelten bei Autofahrern als begehrtes Zubehör. Doch manch ein Autofahrer wird die Tücken der modernen Navigation bereits kennengelernt haben.

Fest oder mobil? Navigationsgeräte im Auto
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Fest oder mobil? Navigationsgeräte im Auto

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Foto: Volkswagen

"Bitte in 200 Metern rechts abbiegen!", tönt die Stimme aus dem Navigationssystem. "Dann sofort links halten!" Auf dem Weg zum Ziel in einer fremden Stadt sind Autofahrer für solche Hinweise dankbar. Doch mitunter schaffen sie eher Verwirrung, statt Orientierung: Wie weit sind "200 Meter"? In welche Straße will einen das System lotsen? Und was heißt überhaupt "links halten"? Obwohl die Anbieter die Nutzerfreundlichkeit ihrer Geräte permanent verbessern, stoßen diese immer wieder an Grenzen.

Einer aktuellen Umfrage des ADAC in München unter mehreren Tausend Autofahrern zufolge sind 70 Prozent der Nutzer nicht mit ihrem Navigationssystem zufrieden. Bemängelt wird vor allem, dass der Lotse in die Irre führt oder Software und Kartenmaterial veraltet sind. Dass sich Autofahrer immer wieder über ihr "Navi" ärgern, hängt aber auch mit ihrer Wahrnehmung und ihrem Orientierungsverhalten zusammen.

"Autofahrer haben ein bestimmtes Suchmuster im Kopf", erklärt Prof. Josef Krems, der am Institut für Psychologie der Technischen Universität Chemnitz im Bereich Verkehrspsychologie und Wahrnehmung forscht. "Das versuchen sie, in die Welt draußen umzusetzen." Kennen sie die Adresse ihres Ziels, hätten sie eine ungefähre räumliche Orientierung. Mit Hilfe von Zwischenzielen - so genannten Landmarks, die sie sich zuvor erschlossen haben - arbeiteten sie sich dann vor.

Diese "Bezugspunkte" - das kann zum Beispiel eine Tankstelle oder ein markanter hoher Turm entlang der Route sein - erleichtern das Zurechtfinden. "Autofahrer orientieren sich in erster Linie mit den Augen", erklärt Krems. Die Kartendarstellung der meisten Navigationsgeräte verwendet jedoch noch keine Landmarks. Sie zeigt meist nur das stilisierte Straßensystem auf dem Display an.

Ähnliche Probleme können sich bei der Sprachausgabe ergeben: Ist die Ansage zu abstrakt oder ungenau formuliert, ergibt sich Josef Krems zufolge eine "Konfliktsituation": "Der Fahrer ist verwirrt und muss sich vergewissern, ob er noch auf dem richtigen Weg ist." Weil ihn das unterwegs vom Verkehr ablenkt, erhöht sich das Unfallrisiko.

Diese Zusammenhänge kennen auch die Systemanbieter. Die Firma Navigon aus Hamburg etwa versucht, mit Hilfe so genannter Usability-Tests herauszufinden, wie die Routeninformationen bei den Nutzern ankommen. Informationen über ihre Bedürfnisse erhält die Firma nach Angaben von Produktmanager Jochen Katzer auch aus dem Support: "Es stellt sich schnell heraus, dass viele Leute die gleichen Probleme haben."

In Zukunft werden Navigationssysteme laut Katzer eine "realistischere Darstellung der Außenwelt" ermöglichen, die zugleich übersichtlich bleibt. Er denkt dabei zum Beispiel an echte Reliefkarten und fotorealistische Darstellungen der Umgebung - in der dann auch markante Wegpunkte zu erkennen sein dürften.

Nichts hält Katzer dagegen von Hinweisen wie "rechts abbiegen in die Schmitzstraße", da Straßenschilder aus dem Auto kaum zu erkennen sind. Außerdem sei es wichtig, sparsam mit der Sprache umzugehen: "Das System darf nur dann Kommandos geben, wenn es wirklich wichtig ist" - ansonsten müsse es "die Klappe halten". Auf den ersten Blick abstrakt erscheinende Entfernungsangaben wie "in 200 Metern" hält Katzer dagegen für kein Problem: "Der User gewöhnt sich eigentlich recht schnell daran, was 200 Meter sind."

Prof. Krems empfiehlt darüber hinaus, als "Backup" den Atlas ins Auto zu legen - falls das "Navi" einmal ausfallen oder mit der Routenführung völlig daneben liegen sollte. Auch Jochen Katzer von Navigon warnt davor, sich ganz auf die moderne Technik zu verlassen: "Man sollte sich nicht sklavisch dem System gegenüber verhalten. Es ist und bleibt ein Hilfsmittel, das auch mal falsch liegen kann."

(gms2)
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