50 Jahre Verkehrszentralregister Die Sünden der Deutschen

Hamburg (RPO). In den 50er Jahren dämmerte es den Deutschen, dass die Raserei auf den Autobahnen oder das wilde Parken so nicht weitergehen konnte. Nachdem bereits seit 1910 Daten in Berlin gesammelt wurden, nahm am 2. Januar 1958 die Verkehrssünderkartei in Flensburg ihre Arbeit auf.

Was die Flensburger Sünderkartei verrät
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Foto: ADAC

Mit Tempo 150 über die Landstraße rasen, bei Rot über die Kreuzung fahren, mit dem Handy am Steuer telefonieren - wer bei einem solchen Vergehen erwischt wird, landet seit 50 Jahren im Verkehrszentralregister (VZR) des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg und erhält die gefürchteten Punkte.

Bereits 1910 wurden Kraftfahrer beim Berliner Polizeipräsidium in der "Sammelstelle für Nachrichten über Führer von Kraftfahrzeugen" registriert. Eingetragen wurden Versagungen, Entziehungen und Wiedererteilungen von Führerscheinen.

Straßen sollten sicherer werden

Im Juli 1957 wurde per Gesetz beschlossen, das VZR am Kraftfahrt-Bundesamt einzurichten. "Die Straßen sollten sicherer werden", erklärt Stephan Elsner vom KBA. Es habe immer mehr Fahrzeuge auf deutschen Straßen gegeben, aber auch immer mehr Unfälle und Verkehrstote. Während 1939 erst 3,7 Millionen Kraftfahrzeuge durch Deutschland rollten, waren es 1958 knapp sieben Millionen. Zugleich nahmen laut Statistischem Bundesamt die tödlichen Unfälle zu: 1938 wurden rund 4500 Verkehrstote gezählt, 1956 waren es 14.811.

Anfänglich wurde lediglich registriert, wer schwere Verkehrsstraftaten begangen hatte und den Führerschein hatte abgeben müssen. Später wurden auch andere Ordnungswidrigkeiten registriert, aber ohne Abstufungen nach der Schwere der Tat.

Das änderte sich erst mit dem heute noch gültigen Mehrfach-Punkte-System, das am 1. Mai 1975 eingeführt wurde. Danach können ohne Folgen sieben Punkte gesammelt werden. Beim achten Punkt gibt es eine gebührenpflichtige Verwarnung, beim 14. wird ein Aufbauseminar fällig, und beim 18. ist für mindestens sechs Monate der Führerschein weg. Wer ihn wiederhaben will, muss zum "Idiotentest". "Mit dieser Abstufung wollte man das System gerechter machen", sagt Elsner.

Männer die größeren Verkehrssünder

Anfang 2007 waren rund 8,4 Millionen der fast 55 Millionen Führerscheininhaber in der Verkehrssünderdatei geführt - so viele wie noch nie. "Das könnte daran liegen, dass der Verkehr immer dichter wird", vermutet Elsner. Es könnte aber auch an zunehmenden Kontrollen oder neu aufgenommenen Delikten liegen.

Ein genauer Blick in die Statistik zeigt: Männer sind die größeren Verkehrssünder. Knapp 80 Prozent der im Januar 2007 in Flensburg eingetragenen Personen sind männlich. Bei den Vergehen liegt die Raserei vorn. Geschwindigkeits-Übertretungen machen rund 59 Prozent der Einträge aus, dabei kommen Frauen ebenso häufig vor wie Männer. Beim Fahren unter Alkoholeinfluss führen die Männer mit 14,7 Prozent gegenüber den Frauen mit rund 6,1 Prozent. Autofahrerinnen verletzen hingegen häufiger als Männer die Vorfahrtsregeln (17,4 zu 11,5 Prozent).

Lässt sich ein Verkehrssünder keine weiteren Verstöße zu Schulden kommen, verfallen die Punkte. Seit Ende der 90er Jahre können sie auch aktiv abgebaut werden - mit der Teilnahme an Schulungen, Gruppengesprächen oder einer Fahrprobe. Insgesamt bleiben zwei Drittel der Verkehrssünder im harmlosen Bereich bis sieben Punkte, nicht einmal ein Prozent musste tatsächlich seinen Führerschein abgeben.

10,7 Millionen Blatt Papier

Die eigenen Punkte sind kein Geheimnis - das Kraftfahrtbundesamt gibt seit 1999 kostenlos Auskunft über den Punktestand. Eine falsche Vorstellung hatte einst ein bayerischer Verkehrsteilnehmer, der sich auf den Weg nach Flensburg machte, um seine Punkte abzuholen. Er war empört, als er lediglich ein Stück Papier in die Hand bekam, das Auskunft über seinen Kontostand gab.

1999 wurden die Bußgeldentscheidungen erstmals digital gespeichert. Auch wenn das digitale System seither zunehmend ausgebaut wurde, werden manche Mitteilungen noch als Papierakte geführt. Insgesamt stehen nach Angaben des KBA in Flensburg in rund 500 Metern Regalwand schätzungsweise 10,7 Millionen Blatt mit einem Gewicht von rund 50 Tonnen.

(ap)
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