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Allzeithoch bei den Spritpreisen Die Suche nach dem günstigen Benzin

Düsseldorf · Der Benzinpreis steigt und steigt. Millionen Deutsche sind jeden Tag auf der Suche nach einer Tankstelle, die Diesel oder Super vergleichsweise preiswert anbietet. Dabei nehmen sie Umwege in Kauf – die am Ende nur dazu führen, dass sie noch mehr Sprit verfahren. Ein Erfahrungsbericht.

RP-Mitarbeiter Christian Spolders auf der Suche nach dem günstigen Benzin.

RP-Mitarbeiter Christian Spolders auf der Suche nach dem günstigen Benzin.

Foto: Andreas Endermann

Der Benzinpreis steigt und steigt. Millionen Deutsche sind jeden Tag auf der Suche nach einer Tankstelle, die Diesel oder Super vergleichsweise preiswert anbietet. Dabei nehmen sie Umwege in Kauf — die am Ende nur dazu führen, dass sie noch mehr Sprit verfahren. Ein Erfahrungsbericht.

Die Suche nach der günstigsten Tankstelle beginnt am Frühstückstisch. In einem TV-Interview rät Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, doch zu den freien Anbietern zu fahren — die wären am preiswertesten. Ein heißer Tipp. Hilfreicher ist vermutlich die Applikation für das Mobiltelefon der Internetseite www.clevertanken.de. Die kostet 1,59 Euro, soll aber helfen, binnen Sekunden die günstigste Tankstelle in der Umgebung zu finden. Na dann.

Die Jagd geht gleich los, denn der Tank des Fiestas (Baujahr 2001, Verbrauch sieben Liter pro 100 Kilometer) ist so gut wie leer. Die leuchtende, orangefarbene Reservelampe warnt. Erfahrungswerte besagen aber, dass so noch 60 Kilometer drin sind. Bis zur günstigen Tankstelle in Düsseldorf sind es nur 679 Meter. Um 6.44 Uhr hat ein freier Anbieter in Bilk durchgegeben, dass man bei ihm einen Liter Super für 1,67 Euro bekommt. Hört sich gut an. Zumal es in diesen Tagen so scheint, als wären all die Tankwarte, die Super für unter 1,70 anbieten, wie vom Erdboden verschluckt.

Lieber Geheimtipp

Tatsächlich kostet der Liter hier nur 1,67. Wer er ist, will der Tankwart in der Zeitung nicht lesen. Denn er hat Angst. Angst vor zu viel Kundschaft. "In meiner Nachbarschaft sind mehrere Ölriesen", sagt er. "Wenn sich bei mir Schlangen bilden, drücken die anderen ihre Preise und machen mich platt." Lieber bleibt er ein Geheimtipp — der aber immer bei den günstigsten Anbietern in der App zu finden ist.

Günstiger als in Düsseldorf soll der Sprit noch in Krefeld sein: 1,65. Einen Versuch ist es wert, schließlich sind es bis dort nicht einmal 30 Auto-Minuten. Aus dem Augenwinkel blitzt am Rasthof Geismühle die Zahlenkombination 1-7-3 auf. Also bitte. Nur Amateure und Verzweifelte tanken an der Autobahn. Sind aber erst 20 von 60 Kilometern auf Reserve abgespult. Passt schon.

Auf der Anzeige bei Markant in der Krefelder Neue Ritterstraße steht statt 1,65 aber 1,69 Euro. "Der Eintrag in der App ist veraltet", murmelt die Aushilfe. "Von gestern Abend." Stimmt, den Hinweis übersieht man leicht im Display. Warum das nicht aktualisiert wird? "Keinen Plan. Damit haben wir nichts zu tun." Tatsächlich gibt es bei clevertanken.de Anbieter, die ihre Preise stündlich durchgeben, und welche, die hin und wieder von Privatpersonen gemeldet werden — und darum häufig überholt sind. Jeder kann mitmachen und sagen, wo wieviel gezahlt wird. Die ganze Welt sieht, was Benzin in Deutschland kostet.

Nach der Enttäuschung in Krefeld geht es weiter nach Mönchengladbach. Im näheren Umkreis soll es hier das Paradies für Autofahrer geben: 1,64. Das hört sich zu schön an, um wahr zu sein. Ist es auch. Der Preis ist von vor zwei Tagen. Auf der Anzeige der "B57" (benannt nach der Straße, an der die Tankstelle liegt) steht 1,66 — immer noch besser als in Düsseldorf und Krefeld.

Was die großen fünf übrig lassen

Und die Gladbacher scheinen zu wissen, was sie an dieser Tankstelle haben. Alle verfügbaren Zapfhähne stecken in Autos, die Kunden lächeln zufrieden. "Hier gibt es immer den billigsten Sprit", sagt einer. "Schon seit Jahren." Genauer gesagt: seit zwölf Jahren. Da haben Günther und Susanne Lay die stillgelegte Anlage übernommen. Beliefert werden sie — wie fast alle freien Tankstellen — von dem, was die großen fünf Ölkonzerne (BP/Aral, Esso, Jet, Shell und Total) auf dem Weltmarkt übrig lassen.

Den Ärger vieler Kunden ob der ständig steigenden Preise kann das Paar verstehen. "Wir fahren ja auch Auto", sagt Susanne Lay. "Aber die Leute reagieren mittlerweile viel abgebrühter als früher. Da gingen die ja schon ab wie ein Zäpfchen, wenn der Sprit zwei Pfennig teurer wurde." Die Schlangen vor seinen vier Zapfsäulen schaut sich Günther Lay wohlwollend an. Denn die Masse macht bei ihm den Umsatz. Der 55-Jährige hat eine Gewinnspanne von etwa einem Cent pro Liter. Bei den großen Ketten ist es mindestens das Zehnfache.

Preiswerter scheint es — so der letzte Stand auf dem Handy-Display — in der näheren Umgebung nicht zu gehen. Und bei einer Ersparnis von nur einem Cent pro Liter (bei einer Tankfüllung von 30,64 Litern macht das nur 30 Cent aus) war der 57,4 Kilometer lange Umweg vom Ausgangspunkt bis zum billigsten Benzin ein totales Verlustgeschäft von umgerechnet 6,67 Euro.

Es kommt aber noch schlimmer. "Sie haben Pech", sagt Susanne Lay, nachdem sie die Kreditkarte mit 51,14 Euro belastet hat. "Mein Mann hat im Internet gesehen, dass die Konkurrenz in der Nachbarschaft gerade mit dem Preis runtergangen ist." In den nächsten Minuten wird auch sie um zwei Cent billiger: 1,64. Das wäre eine weitere Ersparnis von 60 Cent. Die Jagd nach der günstigsten Tankstelle — sie ist ein Kampf gegen Windmühlen.

(RP/sgo)
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