Versuch in Israel E-Auto-Projekt katastrophal gescheitert

Tel Aviv · Dem Elektroauto gehört die Zukunft. auch wenn die derzeitigen Zulassungszahlen noch anderes vermuten lassen. Ein Pilotprojekt in Israel sollte weltweit als Vorbild dienen. Jetzt ist allerdings katastrophal gescheitert. Was kann man daraus lernen?

 Eine der Batterie-Tauschstationen von Better Place.

Eine der Batterie-Tauschstationen von Better Place.

Foto: dpa, jwh mda lof

Der israelische Unternehmer Schai Agassi wollte die Welt verändern. Seine Firma Better Place sollte weltweit als Modell für einen umweltfreundlichen Umstieg auf Elektroautos dienen - so lautete der kühne Plan. Rund 800 Millionen Dollar hatte der ehemalige SAP-Manager bei Investoren in Israel und im Ausland eingesammelt.

Doch im Mai 2013 kam der Zusammenbruch - eine der teuersten Pleiten in der Start-up-Geschichte. Heute stehen Agassi und andere Führungsmitglieder sogar wegen Missmanagements vor Gericht.

Was war passiert? Warum scheiterte das so vielversprechende Projekt? Und lassen sich daraus Lehren ziehen für die Einführung von E-Autos in anderen Ländern? Immerhin hat etwa die deutsche Regierung als Ziel vorgegeben, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straßen zu bringen, bis 2030 sogar sechs Millionen.

Nach der Gründung 2007 startete Better Place in Israel, Dänemark und Australien. Israel ist etwa so groß wie Hessen und hat gut acht Millionen Einwohner - nur ein Zehntel der Bevölkerung Deutschlands. Als kleines Land galt der jüdische Staat als ideales Modell für den Umstieg auf E-Autos. Better Place wollte ein Netz zum Austausch von Batterien etablieren und so gemeinsam mit Renault E-Autos vermarkten.

Danny Weinstock war fünf Jahre lang leitender Elektro-Ingenieur bei Better Place Israel. Von 2008 bis 2013 erlebte er alle Höhen und Tiefen des Unternehmens hautnah mit. Rückblickend sieht er mehrere Gründe für das Scheitern des ehrgeizigen Projekts. "E-Autos haben bis heute ein Problem mit der Reichweite", sagt Weinstock, dessen Doktorarbeit sich mit Solarenergie befasst. "Zumindest solange, bis die Deutschen und die Japaner bessere Batterien entwickeln."

Für dieses Problem habe es damals mehrere Lösungsmöglichkeiten gegeben: Better Place hätte E-Autos entweder als reine "City Cars" oder Hybrid-Fahrzeuge mit einem kleinen Verbrennungsmotor als Backup anbieten können, meint er. "Doch Schai Agassi sagte: Bei mir kommt nicht ein Tropfen Benzin ins Haus. Das war für ihn eine Grundsatzfrage."

Für das Aufladen der E-Batterien habe es zwei Optionen gegeben - entweder schnelles Laden innerhalb von fünf Minuten oder ein kompletter Austausch der Batterien an Ladestationen, sagte Weinstock. Mit der zweiten Option habe Better Place "die schlechteste Lösungsmöglichkeit gewählt, und deswegen ist das Unternehmen letztlich gescheitert", meint er.

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In ganz Israel seien 40 Ladestationen gebaut worden, die jeweils gut zwei Millionen Euro kosteten, in denen die Batterien der E-Autos nach rund 160 Kilometern automatisch ausgetauscht wurden - ohne dass der Fahrer aussteigen musste. Die Batterien, die Better Place seinen Kunden als Teil eines Service-Pakets zur Verfügung stellte, hätten rund 10.000 Euro pro Stück gekostet. Daher habe das Unternehmen nur wenige Batterien gekauft und der Verschleiß sei groß gewesen. "Wie heißt es so schön, wer arm ist, zahlt mehr."

"Ein weiteres großes Problem: Nur ein Autobauer war bereit zur Zusammenarbeit mit Better Place - und auch nur mit einem Modell", sagt Weinstock. Daher hätten Kunden überhaupt keine Auswahl gehabt. In Israel wurden nur rund tausend E-Fahrzeuge des französischen Partners Renault gekauft. Das Ziel, bis 2016 in Israel und Dänemark 100.000 E-Autos zu verkaufen, erwies sich als illusorisch.

Agassi sei zwar sehr charismatisch und mitreißend gewesen, habe aber alle Warnungen ignoriert, sagt Weinstock. Er habe sich "in einer Liga mit (Apple-Mitgründer) Steve Jobs gesehen".

Amit Mor, Professor für Energiewirtschaft an der Hochschule IDC in Herzlija, sieht vor allem ein schlechtes Geschäftsmodell als Grund für den Zusammenbruch von Better Place. "Es war einfach nicht wasserdicht", sagte er.

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Zum einen seien die damals sehr hohen Kosten für die Batterien nicht ausreichend bedacht worden. "Außerdem war das E-Auto für Kunden nicht deutlich billiger als ein herkömmliches Auto", erklärt Mor. Die Verkaufsprognosen seien viel zu optimistisch gewesen.

Dennoch sieht Mor E-Autos als das Zukunftsmodell, auch in Israel. Man müsse sich aber auf einen allmählichen Prozess einstellen. In den kommenden Jahrzehnten rechne er damit, dass weltweit bis zu 20 Prozent der Fahrzeuge elektisch angetrieben werden.

In Israel gebe es gegenwärtig 2,5 Millionen Autos, bis 2035 werde mit 3,5 Millionen gerechnet. "Die Hälfte davon wird voraussichtlich mithilfe erneuerbarer Energie angetrieben werden", sagt Mor.

Agassi sei ein Visionär und seiner Zeit voraus gewesen. "Er war ein Pionier, und der Markt war noch nicht bereit dafür", sagt der Experte. "Aber die Richtung, in die er gegangen ist, ist immer noch die richtige."

(dpa/csr)
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