Bio-Fuels Biosprit für mehr Klimafreundlichkeit

Elektroautos gehört die Zukunft, doch was ist mit den Millionen Alt-Verbrennern? Sie sollen bald umweltfreundlicher fahren. Das geht mit einer speziellen Technik.

  Das finnische Unternehmen Neste ist der nach eigenen Angaben weltgrößte Hersteller von erneuerbarem Diesel.

Das finnische Unternehmen Neste ist der nach eigenen Angaben weltgrößte Hersteller von erneuerbarem Diesel.

Foto: Neste

Spritsparen ist nicht die Stärke von SUV. Doch Andreas Deul fährt seine Mercedes G-Klasse mit gutem Gewissen: Er betankt den Diesel-V6 mit HVO100, einem Spezial-Kraftstoff aus erneuerbaren Bio-Rohstoffen. „Damit fährt der Wagen mit einem Zehntel seiner ursprünglichen CO2-Emissionen“, sagt Deul von der Wirtz Energie + Mineralöl GmbH. Der Betrieb aus Ratingen glaubt, eine Lösung gefunden zu haben, um Verbrennerautos fast klimaneu-
tral zu bewegen: mit synthetischen Biokraftstoffen. Dabei wird ein fester oder gasförmiger und im Idealfall regenerativer Energieträger in einem Spezial-Verfahren in flüssigen Sprit umgewandelt. Der Bedarf wäre riesig. Die 48,5 Millionen Pkw in Deutschland sind größtenteils Verbrenner. Zwar will die Bundesregierung bis 2030 insgesamt 15 Millionen Elektroautos auf die Straße bringen. Doch selbst wenn sie das erreicht, wären die meisten Pkw noch mit Benzin oder Diesel unterwegs.

Herkömmlicher Biosprit wie Super E5/E10 oder B7-Diesel leisten bereits einen Beitrag zur CO2-Ersparnis. Bei diesen Spritsorten werden Pflanzenöle nur beigemischt. Die Ökobilanz ist jedoch umstritten, weil jährlich Millionen Tonnen Energiepflanzen verbraucht werden. Die Alternative: synthetisch hergestellte Biokraftstoffe. Diese könnten eine klimaneutrale Alternative zu fossilem Sprit und eine Ergänzung zur Elektromobilität sein, befand eine Studie des Instituts für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Nutzung mit Millionen von Bestandsfahrzeugen ermögliche einen „kurzfristigen und effektiven Beitrag“ zu weniger Treibhausgasemissionen.

Ein Beispiel ist HVO100 auf Basis hydrierten Pflanzenöls. Für die Herstellung würden nur nachhaltige Rohstoffe eingesetzt, versichert Andreas Deul von der Firma Wirtz: Infrage kämen pflanzliche Abfälle wie Speisefette, Grünalgen und sogar Plastikmüll. Das Problem: Öffentliche Tankstellen dürfen Sorten wie HVO100 nicht in Deutschland anbieten. Das untersagt die zehnte Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV). Danach darf Biodiesel nur in den Verkehr gelangen, wenn er den Anforderungen nach DIN EN 14214 genügt. HVO100 verbrennt zwar viel sauberer als normaler Diesel, zählt aber zu den pa-
raffinischen Diesel-Kraftstoffen der DIN EN 15940.

Im Rahmen seines Klimaschutz-Sofortprogramms will Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) diese in die BImSchV aufnehmen lassen. Doch zuständig ist das Bundesumweltministe-
rium (BMUV). Das lehnt die Aufnahme von DIN EN 15940 ab. Zwar könne nachhaltiges HVO im Vergleich zu fossilem Diesel viele CO2-Emissionen vermeiden, erklärt ein BMUV-Sprecher. HVO sei aber nicht zwangsläufig nachhaltig: Zumindest früher sei das Produkt auch aus Palmöl hergestellt worden, mit all den bekannten Umweltauswirkungen. Allerdings hat die EU angekündigt, bis 2030 aus der Palm-
öl-Förderung auszusteigen.

Andreas Deul betankt sein Auto mit einem Spezial-Kraftstoff aus erneuerbaren Bio-Rohstoffen

Andreas Deul betankt sein Auto mit einem Spezial-Kraftstoff aus erneuerbaren Bio-Rohstoffen

Foto: Wirtz Energie + Mineralöl GmbH

Mit seinen „FuelMotion“-Produkten garantiert das Unternehmen Wirtz einen synthetischen und palmöl-
freien HVO100. Das Bundesumweltministerium müsse
seine „Blockadehaltung“ daher aufgeben, fordert Andreas Deul. Der Vorteil von HVO-Kraftstoffen ist, dass sie sofort getankt werden können. „Unser erneuerbarer Diesel kann unmittelbar verwendet werden, ohne dass Fahrzeugumrüstungen notwendig sind“, sagt Jörg Hübeler vom finnischen Unternehmen Neste: Der Sprit sei vollständig kompatibel mit allen modernen Dieselmotoren und der bestehenden Tankinfrastruktur. Neste ist der nach eigenen Angaben weltgrößte Hersteller von erneuerbarem Diesel und setzt ebenfalls auf ein auf HVO basierendes Produkt. Dabei werde das hydrierte Pflanzenöl zu 100 Prozent aus erneuerbaren Rohstoffen wie Altspeiseöl und tierischem Fett aus Abfällen der Lebensmittelindustrie hergestellt. Auch Neste verspricht eine CO2-Reduktion um bis zu 90 Prozent.

Schon aktuell leisteten biomassebasierte Treibstoffe den größten Beitrag, um den Treibhausgas-Ausstoß im Verkehr zu mindern, sagt Christoph Arndt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der Experte für Verbrennungstechnik beobachtet, dass innovative Biokraftstoffe, die etwa aus Reststoffen der Landwirtschaft wie Stroh hergestellt werden, immer bedeutender würden. Notwendig sei daher ein „Markthochlauf für fortschrittliche Biokraftstoffe“. Um dies zu erreichen, hat sich ein breites Bündnis aus dem Verkehrs- und Logistiksektor formiert, darunter der Zen-
tralverband Deutsches Kraftfahrzeugewerbe, der Bundesverband Spedition und Logistik und der ADAC.

Fast alle Fahrzeughersteller hätten ihre Dieselmotoren für HVO100 freigegeben – teils rückwirkend für Bestandsfahrzeuge, heißt es in einem Positionspapier: „Die Beschränkung der Freigabe von HVO in Deutschland auf die Beimischung zu konventionellem Diesel ist damit nicht mehr gerechtfertigt.“ Die meisten EU-Mitgliedstaaten und die USA erlaubten längst den Verkauf von HVO100.

Doch ob Speisefette, Stroh oder Futtermittelpflanzen: Reichen die Rohstoffe überhaupt aus, um den Wunder-Sprit breit an den Tankstellen auszurollen? Laut DLR beträgt der Bedarf an nachhaltigen Kraftstoffen in Deutschland mehrere Millionen Tonnen im Jahr, um bis 2045 eine Klimaneutralität zu erreichen – für die gesamte EU seien sogar mehrere zehn Millionen Tonnen nötig. Um diese Quoten zu erreichen, führe daher mittelfristig kein Weg um strombasierte E-Fuels auf Basis von Wind- und Sonnenenergie vorbei.

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