Manipulationsskandal ADAC — Justiz prüft, Autobauer schämen sich

In den Skandal um erfundene Zahlen beim ADAC schaltet sich nun auch die Münchner Staatsanwaltschaft ein. Die Autobauer winden sich. Schon bei der Preisverleihung des "Gelben Engels" wären die Manager am liebsten, "im Boden versunken." Volkswagen stampft eine ganze Werbekampagne ein.

"Wut auf den gelben Giganten"
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Foto: dpa, Federico Gambarini

Der Skandal um den ADAC und die gefälschten Zahlen beim Autopreis "Gelber Engel" lässt auch an Tag drei die Branche beben. Über Jahre war der Autoverband eng verbundener Ansprechpartner. Nun erweist er sich für Autobauer als wenig werbetaugliches Umfeld. Auf gleich mehreren Ebenen sind die Auswirkungen der Profilierungsnöte von Kommunikationschef Ramstetter zu spüren.

Justiz: Wegen der Medienberichterstattung hat sich die Münchner Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Bislang eine reine Formalität. Man prüfe, ob Straftatbestände berührt sein könnten oder nicht, teilte die Behörde mit. Von der Einleitung eines Verfahrens sei die Behörde aber "meilenweit" entfernt.

Austritte: "Bild" schrieb am Dienstagmorgen auf ihrer Titelseite von einer "Austrittswelle", Hunderte Mitglieder hätten beim ADAC gekündigt. Der Verband selbst will das nicht bestätigen. "Es sind definitiv noch keine Bilanzen möglich," sagte ein Sprecher. Selbst wenn sich die Zahlen bestätigen sollten: Ob man bei einer Mitgliederzahl von 19 Millionen bei ein paar hundert Austritten von einer Welle sprechen kann, sei dahingestellt.

Zweifel an Tests: Nach den Manipulationen des ADAC gerät die Glaubwürdigkeit der Vergleichstests generell in Schräglage. Auto-Experte Stefan Bratzel fordert, in Zukunft alle Daten offen zu legen. Dies habe der ADAC systematisch nicht gemacht. Bei Vergleichstests zwischen verschiedenen Automodellen müssten Hersteller und Käufer die Möglichkeit haben, Ergebnisse zu hinterfragen. Auch Helmut Becker vom Münchner Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation äußerte Zweifel, ob es bei Vergleichstests immer mit rechten Dingen zugehe. "Ich sehe die Gefahr, dass auch Vergleichstests getürkt worden sind", sagt der Wissenschaftler und fordert, alle Preise in dieser Branche auf den Prüfstand zu stellen.

Debatte um Awards: Auch die Sinnhaftigkeit von Autopreisen steht infrage. Awards gehören aus Sicht von Matthias Braun, Chef des ADAC-Konkurrenten AvD, nicht zu den Aufgaben eines Automobilclubs. "Wir wollen uns auf das konzentrieren, was für unsere Mitglieder Vorteile hat", sagte Braun unserer Redaktion. Andere Fachleute aus der Branche äußern noch tiefer reichende Zweifel: "Wie unabhängig können Leser-Awards sein, wenn die ausgezeichneten Hersteller bereits Anzeigenkunden sind oder als neue Anzeigenkunden interessant sind?", gibt Sven Lilienström vom Seniorensiegel aus Kaarst zu bedenken.

Scham bei den Autobauern: Den Besuch an die Preisverleihung des "Gelben Engel" haben zahlreiche Auto-Manager als peinliche Angelegenheit in Erinnerung. "Wir haben uns alle peinlich berührt angeschaut und wären am liebsten im Boden versunken", zitiert die Süddeutsche Zeitung einen Gast. Geschäftsführer Karl Obermair hatte vor 400 hochkarätigen Gästen Fragen nach den Manipulationsvorwürfen abgeblockt und noch Scherze darüber gemacht. Nun bezeichnet VW die Angelegenheit als "beschämende Sache."

Volkswagen hadert: Den Preis des "Gelben Engel" erhalten zu haben, erweist sich für Volkswagen als Bumerang. Eine Serie mit geplanten Werbeanzeigen wurde laut Süddeutsche zurückgezogen. Stattdessen denkt man im Konzern aktuell darüber nach, den Preis zurückzugeben.

Alle auf Distanz: Neben Volkswagen fordern auch Ford, Daimler und BMW vom Automobilclub eine umfassende Aufklärung des Vorfalls. "Wir haben die Vorgänge rund um die Stimmenauszählung beim Gelben Engel enttäuscht zur Kenntnis genommen und begrüßen die vom ADAC angekündigte lückenlose und transparente Aufklärung", erklärte Ford-Chef Bernhard Mattes.

Politik erhöht den Druck: Am Dienstag legte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) via Bild-Zeitung nach: "Es muss radikal aufgeklärt werden. Alle Vorgänge der Vergangenheit müssen offengelegt werden." Der ADAC solle sich künftig auf seine Kernkompetenz besinnen. "Mehr um den einzelnen Autofahrer kümmern, weniger Show und Glitzer - der ADAC ist doch nicht Hollywood!"

Der ADAC will sich stellen: ADAC-Präsident Peter Meyer lehnte einen Rücktritt ausdrücklich ab.
"Wenn der Wind von vorne kommt, muss man das auch mal aushalten können. In diesem Fall bin ich auch der Garant für die Aufklärung in der Sache", sagte Meyer der "Bild"-Zeitung. ADAC-Präsident Meyer warnte davor, die Glaubwürdigkeit des gesamten Autoclubs infrage zu stellen. Er schloss zugleich aus, dass bei den Ergebnissen anderer Tests - beispielsweise von Autobahnraststätten oder Kindersitzen - geschummelt wurde.

mit Agenturmaterial

(pst)
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