Sorge vor Motorrad-Unfällen am Feiertag „Biker sollten sich immer ihrer Verletzlichkeit bewusst sein“

Düsseldorf · An Christi Himmelfahrt gab es vergangenes Jahr die meisten Motorradunfälle. Auch in dieser Saison verzeichnete die Polizei schon etliche Tote und Verletzte. Was Motorradfahrer bei ihrer Fahrt beherzigen sollten.

 Ein Unfall mit Motorradbeteiligung auf der A57 bei Sonsbeck in diesem Jahr.

Ein Unfall mit Motorradbeteiligung auf der A57 bei Sonsbeck in diesem Jahr.

Foto: Guido Schulmann

Alljährlich häufen sich an den ersten warmen Tagen des Jahres die Motorradunfälle. Entsprechend traurig liest sich die Bilanz allein des vergangenen, sommerlichen Sonntags: Bundesweit verzeichnete die Polizei acht Tote bei schweren Unfällen mit Motorrad-Beteiligung, auch in NRW kam es dabei zu mehreren Kollisionen. So verletzten sich in Radevormwald drei Motorradfahrer schwer, als sie einem abbiegenden Traktor ausweichen mussten. Und mit Christi Himmelfahrt am Donnerstag steht das nächste lange Wochenende vor der Tür. Im vergangenen Jahr belegte der Feiertag bundesweit laut Statistischem Bundesamt einen unrühmlichen Spitzenplatz bei der Zahl der Motorradunfälle. Die Polizei mahnt daher, vorsichtig in die Saison zu starten. Neben dem gefährlichen Elan nach der Winterpause erhöhen in diesem Jahr aber noch andere Faktoren das Unfallrisiko.

 So hat es in 2020 einen deutlichen Zuwachs bei den Leichtkrafträdern gegeben. Die Zahl der Neuzulassungen in diesem Segment stieg laut Industrie-Verband Motorrad um 93 Prozent. Hauptfaktor dafür ist sicherlich, dass seit vergangenem Jahr Roller und Motorräder bis 125 Kubikzentimeter Hubraum mit einem Pkw-Führerschein gefahren werden dürfen. Vorausgesetzt, der Inhaber ist mindestens 25 Jahre alt, hat den Führerschein schon fünf Jahre und absolviert einige theoretische und praktische Stunden in der Fahrschule. Eine Prüfung ist nicht notwendig. „Solche Maschinen sind natürlich finanziell eher erschwinglich“, sagt Michael Lenzen, Vorsitzender des Bundesverbands der Motorradfahrer, „und viele Menschen haben sich während der Pandemie damit vielleicht einen lange gehegten Traum verwirklicht.“

 Allerdings fehlt diesen Menschen etwas Entscheidendes: nämlich Fahrpraxis. Um die teils komplexen Zusammenhänge beim Motorradfahren zu verinnerlichen, brauche es aber viel Erfahrung, sagt Lenzen. Er befürchtet daher, dass die Unfallzahlen auf lange Sicht steigen werden, auch wenn sie momentan leicht rückläufig sind. Allerdings wachsen die Zulassungszahlen nicht nur dieser „kleinen“ Maschinen, sondern über alle Klassen hinweg. Im vergangenen Jahr betrug die Zunahme rund 32 Prozent, absolut waren fast 218.000 Motorräder und Roller neu auf deutschen Straßen unterwegs. Lenzen sieht neben der möglicherweise gestiegenen Kauflust noch einen anderen Corona-Effekt: Langstrecken-Touren seien fast alle weggefallen, an deren Stelle seien mehr Tages- und Feierabend-Trips getreten. Das gelte aber für alle Fahrzeuge, so dass die Straßen generell voller seien. Heißt: Der Sonntagsausflug in die Nachbarschaft ist zumindest potenziell unfallträchtiger geworden.

 Laut Lenzen haben aber auch die Alleinunfälle bei Motorradfahrern zugenommen. Zum einen beherrschten manche aus bereits genannten Gründen ihr Fahrzeug nicht, andererseits gebe es heute mehr ablenkende Faktoren. Navis, Handys oder andere technische Spielereien werden teils während der Fahrt bedient. „Das passiert zwar auch Autofahrern“, sagt Lenzen, „doch ein Motorrad hat keine Knautschzone. Biker sollten sich daher immer ihrer Verletzlichkeit bewusst sein.“ Und lieber anhalten, um eine Adresse einzugeben. Überhaupt sei Technik nicht zwangsläufig hilfreich, wenn es um Unfallvermeidung gehe. Lenzen ist beispielsweise besorgt, ob die Entwicklung des autonomen Fahrens beim Auto das Motorrad als Verkehrsteilnehmer ausreichend berücksichtige. Da gebe es noch viel Entwicklungsbedarf.

 Was also sollten Motorradfahrer unbedingt beherzigen, wenn sie ihre Maschine wieder aus der Garage holen? Neben dem obligatorischen technischen Check des Fahrzeugs sollte man auch die eigene körperliche und mentale Fitness kritisch hinterfragen, rät Lenzen. Hilfreich könne es auch sein, sich auf einem abgesperrten Gelände wieder mit dem Motorrad vertraut zu machen, ein Gefühl dafür zu bekommen. „Wir haben zuletzt außerdem den Trend beobachtet, dass weniger Menschen ein Sicherheitstraining mitmachen“, sagt Lenzen. „Dabei können selbst erfahrene Hasen dort noch etwas dazulernen.“ Und wer auf Sicherheit achte, verunglücke seltener. Wichtig sei es auch, vorausschauend zu fahren, die Fehler von anderen vorherzusehen. „Nach dem Winter sind Motorräder zum Beispiel für Autofahrer aus dem Verkehrsbild verschwunden, sie müssen sich erst wieder daran gewöhnen und übersehen sie daher oft“, sagt Lenzen. Außerdem sollte man sich gleich zu Anfang nicht zuviel zumuten, nicht gleich eine große Tour unternehmen. „Entscheidend ist es, beim Motorradfahren den Genuss in den Vordergrund zu stellen“, sagt Lenzen. „Damit geht man auf Nummer sicher.“

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