McLaren 600LT Coupé Tausend Glücksgefühle

McLaren schreibt seine Longtail-Geschichte fort. Der 600LT soll das extremste Modell der Sports Series mit Straßenzulassung sein. Ein Wochenende mit dieser Rennmaschine zeigt: Da ist was dran.

  Der McLaren 600LT – Ein Auto-Exot, der nicht nur seinem Fahrer ein  Lächeln ins Gesicht zaubert.

Der McLaren 600LT – Ein Auto-Exot, der nicht nur seinem Fahrer ein  Lächeln ins Gesicht zaubert.

Foto: Christian Hensen

Wer in dieses Auto einsteigt, möchte sich am liebsten gleich die Rennhandschuhe überziehen und den Formel-1-Helm aufsetzen. Aber auch ohne diesen Sportschmuck fühlt man sich im 600LT von McLaren schon nach den ersten Kilometern wie Lewis Hamilton. Einziger Unterschied: Wir befinden uns nicht auf einer Rennstrecke in Melbourne oder Montreal, sondern auf einer etwas holprigen Landstraße irgendwo in Düsseldorf, und die Ampel, die erstaunlich schnell näher kommt, zeigt eine Farbe, mit der dieses Auto so gar nichts anfangen kann: Rot. Der 600LT, dieses Superauto aus dem britischen Woking südlich von London, diese muskelbepackte Kampfmaschine, dieser utopische Überflieger will vorwärtsgetrieben werden, will davonrennnen wie ein bissiger Tiger, will ausreißen wie ein wilder Gaul. Er fordert seinen Fahrer heraus, will dessen persönliches Limit austesten. Dabei lässt ihn der McLaren nie im Stich, sondern „kommuniziert“ mit ihm wie ein guter Freund. Auf jede Handlung folgt eine unmittelbare, präzise Rückmeldung. Was bleibt, ist ein Fahrgefühl, das in Mark und Bein geht und das auch noch nachwirkt, wenn man den 3,8 Liter-Doppelturbo V8-Motor längst abgestellt hat. Auch wenn es nicht ganz so einfach ist, sich irgendwie halbwegs elegant aus den Carbon-Schalensitzen mit Alcantara-Bezug von McLaren Senna herauszuschälen, steht dem Fahrer die Freude noch lange nach der Fahrt ins Gesicht geschrieben.

Der 600LT ist das vierte Longtail-Modell nach dem Urvater F1 GTR von 1996, dem 675 LT und dessen offene Version, dem 675LT Spider. Er basiert auf dem McLaren 570S Coupé, hat aber 100 Kilogramm Gewicht eingespart und bringt mit nur 1247 Kilo das geringste Leergewicht seiner Klasse auf die Waage. Dafür sorgen Frontsplitter, Seitenschweller, verlängerter Diffusor und feststehende Heckflügel aus Carbon. 600 PS sorgen für eine Spitzengeschwindigkeit von 328 km/h. Weil unser Testwagen noch mit Winterreifen fährt, ist er auf 240 km/h gedrosselt. Aber auch diese Geschwindigkeit sorgt beim Ottonormalfahrer für kleine Schweißperlen auf der Stirn. Der Griff des Lenkrads wird fester, die Augen starrer, der Körper wird in den Sitz gepresst. Beim Kickdown fühlt man sich, als sitze man in einer Rakete. Der Motor röhrt bedrohlich gen Himmel. In 2,9 Sekunden schafft es der 600LT auf 100, in 8,2 Sekunden auf 200 km/h. In 24,9 Sekunden soll er die 300er-Grenze sprengen. Ist das wirklich noch ein Auto, irgendwo auf einer Düsseldorfer Landstraße?

Die Frage stellen sich scheinbar auch viele Passanten. Ehemänner stupsen ihre Frauen an, Kinder fangen an zu jubeln oder streichen ehrfürchtig über den Heckspoiler (ist ja auch die perfekte Höhe für einen Siebenjährigen). Selbst Poser in ihren getunten Karren fangen an zu lachen, weil sie zwangsläufig das Nachsehen haben. Vorbeifahrende Autos bremsen ab, Beifahrer zücken das Fotohandy. Passanten wechseln die Straßenseite, als hätten sie den heiligen Gral gefunden. Und überall dieses Lächeln in den Gesichtern. Das Auto beschert offenbar nicht nur seinem Fahrer Glücksgefühle. Und eins ist klar: Wer einen solchen Boliden abseits der Rennstrecke fährt, muss das Rampenlicht mögen. Denn unerkannt fährt man mit einem 600LT nicht. Und selbst auf der luxuserprobten Königsallee ist der 600 LT ein Exot, bei dem Herren und Damen gleichermaßen ihre Köpfchen drehen. Dabei ist die Sport Serie – anders als die Super- und Ultimate-Serie – durchaus für die Straße gemacht. Bei Straßenschwellern lässt sich der Wagen per Knopfdruck um drei Zentimeter nach oben heben.

Der 600LT ist auf eine Bauzeit von einem Jahr limitiert, fast alle sind bereits verkauft, verrät Pressesprecher Frank Steffling. Vorgestellt wurde er im August 2018 in Budapest. Jetzt hat die Auslieferung des 600LT auch als offene Spider-Version begonnen. „Alle McLaren sind alltagstauglich“, sagt Steffling und muss doch ein wenig grinsen. Der vorne sitzende Kofferraum bietet mit seinen 150 Litern immerhin Platz für einen Koffer oder einen Getränkekasten.

Wer kauft ein solches 250.000-Euro-Gefährt? Vor allem Sportwagen-Liebhaber und Sammler, sagt Steffling. Käufer seien längst nicht nur Millionäre, sondern Autofans, die Spaß an schnellen, außergewöhnlichen Autos haben und dieses Fahrgefühl wollen, ohne auf die Rennstrecke zu müssen. Und doch: Rutschfeste Rennhandschuhe schaden nicht. Stimmungsaufheller welcher Art auch immer sind nicht nötig!

Der Wagen wurde der Redaktion von McLaren zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.

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