Rundgang über die Automesse IAA 2017 - die Autos für Normalfahrer

Frankfurt · Auf der IAA gibt es Zukunftsstudien und Supersportwagen. Schön und gut. Wer jedoch ein neues Auto für sich sucht, kann diese Boliden und Visionen von vornherein links liegen lassen. Ein Rundgang für Otto-Normal-Autofahrer.

IAA 2017 - auf der Suche nach den "normalen" Autos
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IAA 2017 - auf der Suche nach den "normalen" Autos

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Foto: Matthias Knödler/SP-X

Der nächste Autokauf steht an. Was läge das näher, als zur Entscheidungsfindung die gerade stattfindende IAA zu besuchen? Doch wo stehen in dem bunten Blechgedränge die neuen Autos, die für den kaufwilligen Normalverbraucher wirklich relevant sind? Neuheiten, die man direkt vom Messestand weg erwerben könnte — oder zumindest ein paar Tage später beim Händler? Wer sich nicht von Chromgewittern und LED-Gefunkel ablenken lassen will, folgt der effizienten Route des rationalen Autokäufers.

Gestartet wird am Haupteingang, dem Eingang Ost. Die Festhalle, wie jedes Jahr komplett von Mercedes belegt, lassen wir links liegen. Dort gibt es mit dem Maybach Vision 6 Cabrio und dem AMG Project One zwar zwei der Messe-Highlights, aber der eine ist nicht käuflich und der andere wie man hört schon ausverkauft. Aber 2,7 Millionen Euro hätten sowieso leicht über unserem Budget gelegen.

IAA 2017: Die SUVs für 2018 von VW, BMW, Kia, Opel, Porsche, Ford & Co
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IAA 2017 - das sind die SUVs für 2018 von VW, BMW, Kia, Opel, Porsche, Ford & Co

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Foto: dpa, srw zeh

Und wir wollen ja auch ein normales Auto, also eines für den Alltag und nicht für Vitrine oder Rennstrecke. Das heißt: Volumenhersteller statt Luxusmarke. Logische erste Anlaufstation: Halle 3, wo der VW-Konzern seine drei Brot-und-Butter-Marken präsentiert.

Apropos "Brot und Butter". Ganz "normale" Neuwagen feiern auf dieser IAA kaum Premiere, wie wir sehen werden. Rund 70 Prozent der Debütanten sind große oder kleine SUV, klassische Limousinen, ob mit Steil oder Stufenheck, sind fast gar nicht zu sehen.

Der Polo auf dem VW-Stand ist eine der wenigen Ausnahmen — und provoziert die Frage, wozu man denn ein Mini-SUV wie den nebendran platzierten T-Roc braucht. Der ehemalige Kleinwagen ist zum vollwertigen Auto gewachsen, hat Technik aus dem Golf an Bord und sieht seinem großen Bruder auch äußerlich zunehmend ähnlich. Eine Art Mini-Golf eben.

Der T-Roc gibt zwar den hippen Cousin, unter dem modischen Blechkleid bietet er aber auch nicht viel mehr Platz als der klassische Kleinwagen. Dafür ist er mit einem Startpreis von rund 22.400 Euro rund 7000 Euro teurer als der günstigste Polo. Eine Preispolitik, die uns auch auf dem weiteren Weg begegnen wird: Für modischen Chic, einen erhöhten Fahrersitz und etwas mehr Platz langen die Hersteller bei kleinen SUV kräftig in die Taschen der Kunden.

Drehen wir uns also um die eigene Achse und sehen, was es sonst noch gibt. Bei Seat steht der Arona, bei Skoda der Karoq, beides Verwandte und direkte Konkurrenten des T-Roc. Das Trio unterscheidet sich beim Preis, bei der Technik und beim Angebot an Extras, vor allem aber beim Design.

Während VW beim T-Roc die optische Extravaganz wohl dosiert, schneidert Seat seinen Arona maximal dynamisch. Der Skoda ist markentypisch sachlich geraten und bietet von den drei Modellen den größten Innenraum. Ernsthafte Offroad-Ambitionen hat keiner der drei. Die Halle ist damit abgearbeitet, rüber also zu Halle 5.

BMW i3 jetzt auch in der Sportversion i3S
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Foto: BMW

Auch da wartet ein SUV. Der Jaguar E-Pace ist bereits das zweite Hochbeiner-Modell der Briten nach dem größeren F-Pace und soll neue Kundenkreis ansprechen. Individualisten nämlich, denen der große Bruder zu massig ist, die gleichzeitig aber keines der landläufigen Premium-Modelle von Mercedes und Co. fahren wollen. Trotzdem ist der Allrader eher konventionell und generisch geraten. Ob er eine echte Alternative ist, muss sich daher auf der Straße zeigen.

Nächste Halle. Jetzt ist etwas Laufarbeit zu leisten, denn Halle 6 ist leer, Halle 7 gibt es nicht, so dass der nächste Stopp erst an Halle 8 ansteht. Dominiert wird das Innere von Opels hochbauendem Stand, auf dem eine Kletterwand aufgestellt ist. Die soll auf die SUV der Marke hindeuten, deren neuester Vertreter das Kompaktmodell Grandland X ist, ein Derivat des Peugeot 3008.

Die Rüsselsheimer haben das prägnant-bullige Design des Franzosen geglättet und ein markentypisches, weniger avantgardistisches Cockpit verbaut. So fällt Opels neues Familienmobil etwas modischer aus als der Zafira, verkneift sich aber jegliche Extravaganz. Einen direkten Detailvergleich mit dem 3008 verhindert leider das Fernbleiben der PSA-Marke.

Schwester Citroen immerhin ist da und hat ihre SUV-Premiere weithin sichtbar senkrecht an die Wand genagelt. Das passt: Im Reigen der Crossover-Neuheiten ist der C3 Aircross das verspielteste Modell, soll mit Mehrton-Lackierung und farbigen Akzenten junge Stadtbewohner locken. Passend dazu dürfte auch der Preis eher günstig ausfallen.

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Foto: Daimler

Weiter zum nächsten SUV. Direkt am Nachbarstand steht der Hyundai Kona, der mit seinen seitlichen Plastikplanken unter allen neuen Mini-Crossovern am stärksten auf Offroad-Stilistik setzt. Im Kontrast dazu steht allerdings die aggressive Front mit den schmalen Scheinwerferschlitzen. Beides zusammen macht den Koreaner wohl vor allem für extrovertierte Kunden interessant.

Wie breit selbst im formal eher unflexiblen SUV-Segment die Gestaltungsmöglichkeiten sind, zeigt eine Halle weiter, in der 9, der Kia Stonic, ein Konzern- und Technikbruder des Kona. Im Vergleich zu seinem eigenwilligen Verwandten legt der kantige Kia trotz seines wilden Fugenspiels mehr Wert auf Massentauglichkeit, ohne dabei gesichtslos zu sein.

Dass ungewöhnliches Design nicht immer eine gute Vermarktungsstrategie ist, weiß Hallennachbar Ssangyong aus schmerzhafter eigener Erfahrung. Mit zahlreichen skurrilen Designflops im Hinterkopf haben die Koreaner ihrem neuen Rexton ein konventionelles Mittelklasse-Crossover-Kleid geschneidert. Und setzen bei der Kundenansprache vor allem auf einen kleinen Preis.

Und schon nähert sich die deutlich SUV-lastige Tour zu den realistischen Neuwagen der IAA dem Ende. Auch wer ihr stur gefolgt ist, dürfte aus den Augenwinkeln die zahlreichen futuristischen E-Auto-Studien im typischen Specksteindesign und die anderen blechernen Absichtserklärungen für eine bessere Auto-Zukunft ignoriert haben.

Also kurz noch einmal tapfer sein und sich in Halle 11 mit halb zusammengekniffenen Augen an BMWs iVision Concept (vielleicht einer der ästhetischen Tiefpunkte der Messe) vorbeimogeln, um dann vor dem neuen X3 wieder zu fokussieren.

Das bayerische Mittelklasse-SUV hat sich auch in Generation drei äußerlich nur wenig verändert, zeigt sich technisch aber konsequent überarbeitet. Hinten ist nun mehr Platz, vorne gibt es modernstes Infotainment. Preislich zählt der Allrader mit knapp 44.000 Euro zu den teuersten neuen Pkw-Modellen jenseits der Luxusklasse.

IAA 2017 - Volkssportler liefern Spaß für kleines Geld
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Foto: SP-X/Hersteller

Wer sich nun zu einem Kaffee hinsetzt und nachdenkt, wird bemerken, dass er auf dem Neuwagen-Rundgang fast nur SUV gesehen hat. Das mag im Trend zu dieser Fahrzeugklasse begründet sein, wirkt aber am Ende doch wie ein Zeugnis der Phantasielosigkeit in der Branche.

Was nicht zu sehen war, war ein kaufbares, neues Elektroauto. Nissan Leaf und Tesla Model 3 haben auf den Frankfurt-Auftritt kurzerhand verzichtet.

  • VW Polo, bereits bestellbar, ab 13.000 Euro
  • VW T-Roc, November, ab 20.400 Euro
  • Skoda Karoq, Jahresende, ab 24.300 Euro
  • Seat Arona, Jahresende, 16.000 Euro
  • Jaguar E-Pace, Anfang 2018, 34.500 Euro
  • Opel Grandland X, bereits bestellbar, ab 23.700 Euro
  • Citroen C3 Aircross, Herbst, ab zirka 18.000 Euro
  • Hyundai Kona, Herbst, zirka 17.500 Euro
  • Kia Stonic, Herbst, ab 16.000 Euro
  • Ssangyong Rexton, November, 31.000 Euro
  • BMW X3, Herbst, 44.000 Euro
(csr)
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